Es ist feucht, es ist kalt und grau. Trist stehen die Häuser im i_Park Kingholz bei Giebelstadt im Dezembergrau. Doch hinter diesen Mauern arbeiten Menschen, die mit ihren Spielen das Leben von Millionen Menschen auf diesem Globus fröhlicher und bunter machen.
„HandyGames“ heißt die Firma der zwei Haßfurter Brüder Christopher und Markus Kassulke und ihres Würzburger Kompagnons Udo Bausewein.
„An diesen beiden Standorten haben wir im April 2000 auch angefangen, in Haßfurt und in der Theaterstraße in Würzburg“, erzählt Christopher Kassulke, die „Rampensau“ des Trios, wie er sich selber nennt. Sein Bruder Markus kümmert sich um die Produktion und Udo Bausewein um die Finanzen.
Entwicklerpreis in drei Kategorien
Vor wenigen Tagen sind sie beim Deutschen Entwicklerpreis von der Jury in drei Kategorien an die Spitze gehoben worden. Auszeichnungen als das „Beste Deutsche Spiele-Studio“, für das „Beste Mobile Game“ (Clouds and Sheep 2) und den Sonderpreis für soziales Engagement, brachten die drei aus Köln mit in den Ochsenfurter Gau.
Bemerkenswert: Der Preis für das beste Studio ging damit zum ersten Mal nach Bayern. Den Preis für das soziale Engagement bekam „HandyGames“ unter anderem für seinen „HandyGames Charity Day“, der zusammen mit der DJK Rimparer Wölfe sowie „Hilfe im Kampf gegen Krebs“ e.V. in diesem Jahr schon zum zweiten Mal ausgerichtet wurde.
Denn in der Region unterstützen die HandyGamer als Sponsoren unter anderem die Handballer der Rimparer Wölfe oder den Fallschirmsportclub im Riedenheimer Ortsteil Oberhausen.
Townsman unter erfolgreichsten Spielen
Rund 300 Spiele für Mobilgeräte hat „HandyGames“ bislang auf den Markt gebracht. Die erfolgreichsten, wie etwa das bunte Mittelalter-Strategiespiel „Townsman“ oder „Clouds and Sheep“, bei dem sich Kinder um eine Herde knuffiger Schafe kümmern müssen, wurden weltweit gut 50 Millionen Mal heruntergeladen. „Auch unsere Kriegsserie, eine Art Schach für Generäle, läuft sehr gut“, sagt Christopher Kassulke.
Der 36-Jährige sitzt dabei entspannt auf den Loungemöbeln in der „Alm“. So nennen die HandyGamer ihren Pausenraum im ersten Stock mit gemauertem Kaminofen, Holzdielen und einem großen Hirschgeweih an der Wand, einer großen Fototapete mit Alpenpanorama und wie Wölkchen geformten Lampen, die von der Decke herab hängen. „Wir sind hier in der Region schon etwas Anderes“, sagt Kassulke ein bisschen später. Stimmt.
Vorinstalliertes Spiel bei Siemensgeräten
„Angefangen haben wir mit recht einfachen Spielen. Die konnte man damals nicht wie heute aus beliebigen App-Stores herunterladen. Wir mussten den Handyherstellern klarmachen, warum sie ausgerechnet unser Spiel auf ihren Telefonen installieren sollen“, erzählt er. Sie waren offenbar überzeugend. Und so war ab dem Modell S35 das Spiel „Stack Attack“ auf allen Mobiltelefonen von Siemens vorinstalliert.
„Mobilfunk und Games-Industrie – da sind damals Welten aufeinandergeprallt. Nicht nur bei dem, was man bei Geschäftstreffen an Kleidung getragen hat“, erinnert sich Kassulke und grinst. Man kann sich die Gesichter der Siemens–Manager vorstellen, wenn man Christopher Kassulke so sitzen sieht, in Jeans, Sneakers, schwarzem Kapuzenpulli mit HandyGames-Logo auf der Brust, die Haare bis über die Schultern und am Kinn einen kräftigen Bart. „ Aber so waren wir bei den Ersten, und wir sind bis heute ganz vorne dabei – mit Mitbewerbern rund um den Globus, in Korea, Frankreich oder im Silicon Valley in den USA“, sagt er.
2004 zog die Firma in den i_Park in Klingholz, der früheren Sanitätsschule der Luftwaffe. Hier arbeiten mittlerweile 55 Mitarbeiter, davon neun Auszubildende.
Vom wilden Langhaarträger zum braven Steuerzahler
„Wir haben uns von bösen, langhaarigen Bombenlegern zu guten, steuerzahlenden, langhaarigen Bombenlegern weiterentwickelt“, spöttelt Christopher Kassulke. „Wir sehen uns als typischen, familiengeführten Mittelständler“, versucht er aber sogleich ein wenig tiefzustapeln. Doch dieser „Mittelständler“ hat mittlerweile 80 Millionen Kunden weltweit.
„Und jeden Tag werden es etwa soviel mehr, wie Würzburg Einwohner hat. Aber da fehlen ja auch noch ein paar Köpfchen, wenn man das weltweit betrachtet.“
Die Zeit der Pixelgrafiken ist längst vorbei. Die Spiele sind größer und bunter geworden, laufen auf verschiedenen Software-Plattformen. „Seit drei Jahren arbeiten wir auch ,beyond to mobile‘, das heißt, es gibt
unsere Spiele auch für andere Plattformen“, erzählt Christopher Kassulke. Und alles wird in Klingholz entwickelt. Sieben Teams arbeiten dort parallel an ebensovielen neuen Spielen.
Spieler über die ganze Welt verstreut
Die Spieler leben rund um den Globus. „Als wir 2000 angefangen haben, war die Zielgruppe zwischen 14 und 25 Jahren alt, und ein Spiel hat drei Minuten gedauert. Das hat sich komplett gedreht. Unsere Kunden sind jetzt zwischen sieben und 99, wir haben keine harte Zielgruppe mehr“, weiß Kassulke.
Auch die Qualität sei besser geworden, sagt er. „Früher hat man auf dem PC gespielt, heute spielt man auf dem Tablet oder Telefon. Ein Playstation-Spiel kostet 60 Euro und man muss die Playstation kaufen. Ein Handy hat fast jeder und muss dann nur noch ein paar Euro für ein Spiel bezahlen. Und das Kind ist genauso ruhig wie bei einer Playstation, es kostet nur weniger Geld.“
Wobei es nicht immer einfach war: „Wir waren einst Haus- und Hoflieferant für Siemens Mobiltelefone und haben deren Niedergang überstanden. Auch nach dem 11. September wollte ein halbes Jahr niemand mehrspielen. Aber uns gibt es immer noch“, sagt er selbstbewusst.
Große Zuwächse in Russland und im Iran
„Während der Finanzkrise wollte in England keiner mehr Geld für Spiele ausgeben, dafür hatten wir in Rußland großen Zuwachs. Im Iran sind wir riesengroß, die wachsen dort mit dem Handy als Spielgerät auf.“ Die Spiele sind dabei nicht anders, als in anderen Ländern. „Allerdings gibt es bei uns keine Kirchen, keine Grabsteine mit Kreuzen drauf und kein Schweinefleisch.“
Anders sind hingegen die Zahlungsmethoden. „Im Iran gibt es keine Kreditkarten, dafür Rubbelkarten mit Codes, wie früher bei den Pre-Paid-Telefonanbietern. Manchmal fliegt man auch mal schnell vor Ort und schaut sich an, was geht“, sagt Christopher Kassulke.

Amerikaner lieben es einfach
Auch beim Spiel-Geschmack gibt es viele Unterschiede. „Amerikaner sind mit komplexen Spielen überfordert, die Russen hingegen lieben heftige Strategiespiele mit eher tristen Farben. Die Asiaten wiederum mögen es grell und bunt. In Europa ist es gemischt“, ist seine Erfahrung.
„In unserer Branche dreht sich der Markt alle 180 Tage um 180 Grad. Es gibt neue Business-Modelle oder neue Technologien, wie zum Beispiel die Virtual-Reality-Brillen.“ Mit diesen Brillen und einem seitlich eingesteckten Handy lassen sich, gesteuert durch Kopfbewegungen, virtuelle Reisen unternehmen, oder Spiele dreidimensional und lebensecht erleben. „HandyGames ist inzwischen auch einer der weltweit führenden Entwickler von „Wearable Games“. Unsere Spiele werden von sämtlichen gängigen Smartwatches unterstützt“, berichtet Kassulke.
15 Spiele der Top 100 aus Giebelstadt
Die Spiele der Firma sind gefragt: „Bei Google in den Top 100 waren kürzlich 15 Spiele von uns. Das gibt uns denen gegenüber natürlich ein ordentliches Standing. Wenn jemand wissen will, was in zwei Jahren auf dem Spielemarkt passiert, dann kommen die Leute zu uns“, weiß Kassulke. „Aber so etwas muss man sich hart erarbeiten – und man muss auch die Leute hier am Standort haben, die das entwickeln können.“
Die klugen Köpfe wachsen auch im Ochsenfurter Gau nicht auf den Bäumen. So mancher aus den Metropolen Deutschlands oder Europas hat seinen Weg ins Klingholz gefunden.
Klingholz als perfekter Standort
„Wir haben hier günstige Wohnungen, Parkplätze vor der Tür und unsere neuen Leute können im ersten Monat hier in einer Firmenwohnung leben“, zählt Christopher Kassulke die Pluspunkte auf. „Und für das, was die manchmal in den großen Städten für ein WG-Zimmer gezahlt haben, bekommen sie hier eine Vier-Zimmer-Wohnung.“
HandyGames
Firma: HandyGames
Adresse: Klingholz 13, 97232 Giebelstadt
Gründungsjahr: April 2000
Mitarbeiterzahl: 55
Umsatz: k.A.
Hauptprodukte: Spielesoftware
Eigentümer: Markus Kassulke, Christopher Kassulke, Udo Bausewein.
Homepage: www.handy-games.com/de/