Mehr als 20 Jahre schon erkundet, vergleicht und systematisiert Andrea Fröhling Heilpflanzen. „Es ist mein Projekt“, sagt sie verschmitzt. Mit den Erfahrungen einer homöopathischen Behandlung hat es angefangen, das Interesse an den Pflanzen. Mit der Frage, wofür und auf welche Weise Heilpflanzen auch in anderen Therapiemethoden verwendet werden, wuchs das Interesse, wurde zur Passion, zu persönlichem Bildungsprojekt und Lebensaufgabe.
Andrea Fröhling kultiviert wilde Kräuter, Küchenkräuter und Giftpflanzen. Letztere sind der Grund, dass sie ihren Garten und ihr Wissen nur in Führungen präsentiert, über die Volkshochschulen beispielsweise. „Die Tollkirsche lacht einen ja allzu verführerisch an“, verdeutlicht sie die Gefährlichkeit ihres giftgrünen Arsenals an Botanik. Heil und Unheil liegen hier nahe beieinander.
Aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet, öffnet das schmiedeeiserne Tor mit den goldenen Sonnen den Weg zu einer Kostbarkeit, einem lebendigen Herbarium von 150 bis 170 verschiedenen Heilpflanzen. Der Mönchspfeffer als Halbstrauch, Efeu und Bittersüßer Nachtschatten als Rankpflanzen, Engelwurz und Oleander als Topfpflanzen, Bockshornklee, Kanadische Blutwurz oder Muskatellersalbei im Beet – für jede Pflanze findet Andrea Fröhling einen Standort in dem gerade einmal 110 Quadratmeter großen Höfchen vor der Scheune. Mit einem Hochbeet in der Mitte des Hofes ist der Platz optimal genutzt.
Gewächse, die spezielle Ansprüche an die Bodenbedingungen stellen, erhalten diese: Dem Sumpfporst (Ledum) hat Fröhling Moorboden besorgt und dem Gelben Enzian über den Fachhandel das entsprechende Substrat eines Bodenpilzes, ohne den er nicht gedeihen mag. So konnte sich der Gelbe Enzian im mild-geschützten Frickenhausen zu einer Prachtpflanze entwickeln.
Gerade eben noch stehen ihre Studienobjekte in voller Schönheit da: Bis zum Höhepunkt des Sommers werden sie gepflegt, damit sie auch ansehnlich bleiben, was in der Natur nicht immer der Fall ist. Das ist der Tribut an die Sammlung als Schaugarten für Interessierte. Den Rest des Jahres darf die Natur walten.
Mehr als Garten-Ästhetik
Fröhling geht es ohnehin nicht um Garten-Ästhetik, sondern um die Pflanze in ihrer Gesamtheit. Ihr ist wichtig, ein Heilkraut aus den verschiedensten Aspekten zu betrachten: Botanische Signaturen, Stoffwechselprozesse, die in einer Pflanze stattfinden, die Verwendung als Heilmittel, einschließlich verschiedener Zubereitungsarten. Von der Mythologie über die medizinische Verwendung in vergangenen Jahrhunderten, vom Volksglauben über Literatur und Kunst bis zu anthroposophischen Anschauungsmethoden reichen die erworbenen Kenntnisse, in denen Fröhling die Zusammenhänge sucht. So stellt sie dem Süßholz – Arzneipflanze des Jahres 2012 - die Mode-Pflanze Süßkraut (Stevia) gegenüber und gibt zu bedenken, dass Steviosid, ein isolierter Stoff, im Menschen anders wirkt als die Pflanze in ihrer Gesamtheit.
Außerdem: sowohl im Tages- als auch im jahreszeitlichen Rhythmus sind Heilkräfte anders zu bewerten. So regen die Bitterstoffe, die sich besonders konzentriert im Frühjahr in der Wurzel des Löwenzahns befinden, die Sekretion der Verdauungsdrüsen an, während die Anreicherung des Inulins im Herbst unser Darmmilieu positiv beeinflusst.
Heilwurzeln am besten vor Sonnenaufgang zu ernten, hat demnach auch nichts mit Aberglauben zu tun, sondern mit den Stoffwechselprozessen, die sich ab dem Nachmittag zurück in die Wurzel verlagern. Dort ist dann bis kurz vor Sonnenaufgang die höchste Wirkstoffkonzentration nachweisbar. Es ist ein Prinzip, das auch für das Wurzelgemüse gilt.
Heilpflanzen in ihrer Ganzheitlichkeit zu erfassen und zu vergleichen, ist das Ziel von Andrea Fröhling. „Das findet man so umfassend in keinem Buch“, sagt sie. Die gelernte Arzthelferin fand die gegenseitige Geringschätzung und Ausschließlichkeit zwischen den medizinisch-therapeutischen Disziplinen immer bedauerlich. Unterfüttert mit Vorlesungen, Seminaren, Exkursionen und einer Phytotherapie-Ausbildung, macht sie ihre eigenen Beobachtungen, die sie immer wieder neu ordnet und bei Führungen weitergibt.
Wer sie auf Wildpflanzen als Nahrung anspricht, erfährt, dass diese die natürlichsten und besten „Nahrungsergänzungsmittel“ sind, mit denen man neben der Würze auch die dazugehörigen Kräfte zufügt. Auch zwischen gesunder Petersilie und hoch giftigen Pflanzen wie Hundspetersilie und Geflecktem Schierling unterscheiden zu lernen, ist Fröhlings lebendige Heilkräutersammlung eine gute Adresse.
Kontakt: Andrea Fröhling, Tel. (0 93 31) 1872