Es begann vor gut einem Jahr, als SPD-Stadtrat Heinrich Jüstel bei seinem Parteifreund Oberbürgermeister Georg Rosenthal beantragte, die nach einem seiner Amtsvorgänger benannte Helmuth-Zimmerer-Straße in Lengfeld umzubenennen. Jüstel hatte bei einer Stadtführung von Main-Post-Journalist Wolfgang Jung von Zimmerers Doktorarbeit erfahren, die dieser 1936 verfasst und darin die Rassenideologie der Nazis verherrlicht hatte. Jung besucht bei seiner „Krawall-Führung“ auch das frühere Wohnhaus des Würzburger Nervenarztes Elmar Herterich, der Zimmerers Doktorarbeit in den 1960er-Jahren als erster an die Öffentlichkeit brachte.
Ein gutes Jahr lang herrschte in der Frage nach der Umbenennung Ruhe. Doch jetzt soll alles ganz schnell gehen. Bereits am Montag soll der Hauptausschuss die Namensänderung in Georg-Angermaier-Straße beschließen. Zunächst hatte im Vorjahr der Hauptausschuss beschlossen, Jüstels Antrag zu prüfen. Im Oktober hieß es dann aus dem Rathaus, das Kulturreferat werde die Angelegenheit übernehmen. Oberbürgermeister Georg Rosenthal wolle eine „wissenschaftliche und historische Würdigung, die nachvollziehbar und plausibel sei“. Sobald die Gutachten vorliegen, könne mit einer Entscheidung gerechnet werden.
Verwaltung wollte nicht warten
In einer Stellungnahme aus dem Rathaus wurde dazu am Donnerstag festgestellt, dass mehrere Historiker angefragt worden seien. Diese hätten darauf verwiesen, dass eine wissenschaftliche Aufarbeitung nur im Rahmen einer umfassenden Biografie des früheren OB Sinn mache. Dies hätte möglicherweise mehrere Jahre gedauert. Auf der anderen Seite zeigten zahlreiche Ausschnitte der Doktorarbeit von Dr. Helmuth Zimmerer deutliche rassistische und antisemitische Aussagen, die weit über das Maß auch im Licht der Zeit hinaus gingen, sodass die Verwaltung empfohlen habe, nicht auf weitere und gegebenen falls langwierige, schmerzliche Untersuchungsergebnisse zu warten, sondern eine umgehende Umbenennung der Straße zu beschließen.
Heinrich Jüstel, der in der Zimmerer-Straße in Lengfeld wohnt, hatte argumentiert, dass Zimmerer, der von 1956 bis 1968 für die FWG Würzburger Oberbürgermeister war, in seiner Dissertation „Rasse, Staatsangehörigkeit, Reichsbürgerschaft. Ein Beitrag zum völkischen Staatsbegriff“ rassistisches Gedankengut enthalte, das im Lichte heutiger Geschichtswissenschaft eindeutig nicht hinnehmbar sei. Über die Person Zimmerers und seine Dissertation hat auch Wolfgang Jung ausführlich in dieser Zeitung berichtet.
In dem Beschlussvorschlag für die Sitzung des Hauptausschuss am kommenden Montag heißt es nun, dass Zimmerers menschenverachtende Thesen einer Ehrung mit einer Straßenbenennung entgegen stünden. In einer Güterabwägung von Zimmerers Verdiensten als Oberbürgermeister und den Inhalten seiner Doktorarbeit habe man sich zu einer Umbenennung entschieden. Deshalb habe sich der Ältestenrat am 25. Juli für eine Umbenennung in Georg-Angermaier-Straße ausgesprochen.
Der neue Namensgeber
Mit Dr. Georg Angermaier soll nun ein Mann mit einer Straßenbenennung geehrt werden, der ein ausgewiesener Gegner des Nazi-Regimes gewesen ist. Er wurde am 6. Januar 1913 in Würzburg geboren. Sein Berufswunsch war es, Priester zu werden, weshalb er einen Studienplatz im Kilianeum erhielt. Dort lernte er seinen Mitseminaristen Julius Döpfner kennen. Mit dem späteren Würzburger Bischof und Kardinal von München verband ihn zeitlebens eine enge Freundschaft.
Angermaier spielte im Widerstand gegen die Nationalsozialisten eine maßgebliche Rolle. Zunächst hatte er in Würzburg zwei Semester Theologie studiert, doch er war mit dem Zölibat nicht einverstanden. Deshalb wandte er sich einem Jura- und Staatswissenschaftsstudium zu. Weil er sich in der katholischen Studentenverbindung Normannia engagierte, geriet er bald mit der NS-Studentenführung in Konflikt. Der überzeugte Katholik wurde 1939 Justitiar der Diözesen Würzburg und Bamberg. In dieser Funktion brachte er den Nationalsozialisten mehrere juristische Niederlagen bei. Er wurde zum Militär eingezogen, kämpfte in Frankreich und wurde auf sein Betreiben hin im August 1940 entlassen.
Er hatte Verbindungen zu den Hitler-Attentätern des 20. Juli, zum Kreisauer Kreis und anderen Widerstandsgruppen. Da ihm die Nazis nie etwas nachweisen konnten, blieb er von deren Verfolgungen verschont.
Doch sein Tod legt den Verdacht nahe, dass die Nazis darin verstrickt waren: Als der 32-Jährige am 27. März 1945 als Beifahrer auf einem Wehrmachtsmotorrad durch Berlin fuhr, ereignete sich ein nie aufgeklärter Unfall. In dem Moment als sein Fahrer einen SS-Wagen überholen wollte, bog dieser ab und es kam zur Kollision. Angermaier soll dabei einen Schädelbasisbruch erlitten haben.
Der Fall Carl Diem – Halle umbenannt
Genau zehn Jahre ist es her, dass der Stadtrat die Umbenennung der Carl-Diem-Halle (heute s.Oliver Arena) beschlossen hat. Über Monate hatte man sich damals öffentlich mit der Nazi-Vergangenheit des in Würzburg geborenen Sportfunktionärs Carl Diem (1882-1962) befasst. Intensiv und kontrovers wurde diskutiert, auch mit Fachleuten. Im Mittelpunkt stand Diems Rede am 18. März 1945 vor einem Volkssturm-Lehrgang, worin er – abgeleitet aus der griechischen Mythologie – rund 2000 Hitlerjungen zum finalen Opfergang fürs Vaterland aufgerufen hatte. Auch seine Verstrickung im NS-System, unter anderem als Organisator der Olympischen Spiele 1936 in Berlin und als Redner bei Fronttruppen, wurde kritisch beleuchtet. Unbestritten blieben Diems allgemeine Verdienste um den Sport. Angeführt von Oberbürgermeisterin Pia Beckmann (CSU) entschied der Stadtrat am 2. Oktober 2003 mit 24:19 Stimmen, den Namen Diem von der Halle zu tilgen und Ersatz dafür zu suchen. Erst später vergab man die Namensrechte als Sponsor an das Rottendorfer Modeunternehmen s. Oliver. AJ