So richtig ausgekostet wurde der Kulturweg "Der Charme der zweiten Reihe" auf seiner Nordroute bei der offiziellen Einweihung. Sein Untertitel "Meefisch, Marsberg und Moneten" verweist auf kulturelle Kostbarkeiten, die hinter den Premium-Weinlagen zu entdecken gibt.
Kleinteilige Flur mit Erdwegen, Feldrainen, Streuobst und Blühwiesen? Unbereinigte Weinberge mit alten Mauern und Steinriegeln? Ein Akkordeon-Orchester? Einen Dorfpark als grüne Oase fürs Miteinander? Theilheim hat diese idyllischen Partien. "Wir leiden nicht an Overtourism", hatte Theilheims Bürgermeister Thomas Herpich einen der Vorteile für das Dorf benannt, "das sich seit 1098 erfolgreich in diesem romantischen Seitental versteckt".
Einen Kontrast dazu bildet das Mainufer in Randersacker, "wo man an Wochenenden schon nicht mehr hingehen kann, weil es so voller Menschen ist". Bis zu vier Gästegruppen am Tag habe er derzeit zu betreuen, führt Weindozent Franz Sauer beispielhaft für die große Nachfrage an.
Gefährdete Kultur und Idylle
Mit dem neuen Kulturweg sind die ruhigeren Lagen und versteckte Schätze verbunden – aber auch gefährdete Kultur und Idylle: "Man muss wissen, dass Schafe da grasen, um die Landschaft offen zu halten. Und dass das alles etwas kostet." Im Naturschutzgebiet Marsberg-Wachtelberg – oder die Handarbeit im Weinberg beispielsweise. Etwas so Einzigartiges wie Meefischle? Man muss wissen, wie man sie macht, damit sie weiterhin serviert werden können, sagt Gerrit Himmelsbach, der Initiator der Europäischen Kulturwege und verweist auf die Fischerzunft Randersacker, die das traditionelle Gericht serviert.

Mit "großartig!" versah stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer das Konzept, "dass die Routen mit den identitätsprägenden Themen gemeinsam erarbeitet werden. Das bedeutet eine Neuentdeckung und neues Leben für die Kultur". Konkret hat das wiederum Bastian Lange für die Allianz Maindreieck angestoßen. Einwohner sollen ihrer kulturellen Einzigartigkeiten erinnert, die Zugezogenen inspiriert und motiviert werden, mitzuwirken.
Nicht in erster Linie ein touristiches Projekt
Ohnehin gelten die Kulturwege nicht in erster Linie als touristisches Projekt, so Himmelsbach, "sondern wir machen das für uns. Es ist Teil unserer Kultur, die wir erhalten und weitergeben". Es ging ihm diesmal, von Theilheim nach Randersacker und zurück, stark um das Begreifen, "dass wir ein bisschen was tun müssen".

Auf dem Sonnenstuhl-Turm, dem terroir f-Punkt für die Geologie des Maintals, verweist er auf eine seit Jahrhunderten gänzlich offene Tal-Landschaft, noch bis zu den Wirtschaftswunderjahren. Jedes Ar hatte der Nahrungsmittelproduktion gedient. Beide Hänge und die Seitentäler waren mit Reben bestockt, wovon der Theilheimer Altenberg noch zeugt.
Heute stelle sich die Frage, so Himmelsbach, welche Landschaft wir wollen? Was wuchert schneller: die Siedlungen oder der Wald? Zu verschwinden droht eine alte Kulturlandschaft und Charakteristisches für die Region im Erscheinungsbild, bei Flora und Fauna.
Peace-Weinberg als Benefizaktion

Alte und neue Klassiker aus dieser Landschaft wurden als Wegzehrung gereicht: Darunter der Peace-Wein, der als Benefizaktion der Ukraine helfen soll, von Hand gelesene Weine vom Theilheimer Altenberg und aus dem Altfränkischen Wengert in Randersacker, die Meefischle der Fischerzunft und fränkische Knörz des Start-ups Die Brotbäckerei. Es ging darum, die Augen offen zu halten.

Gefunden wurde sogar ein Rand’sackerer Lied, was es bislang nicht gab: Bernhard Tausch, Leiter der Musikkapelle Randersacker, hat den Marsch unter Verwendung eines der unveröffentlichten Musikfragmente des Komponisten Hans Auer-Ansbach, "einem begnadeten Musikanten und Arrangeur", sowie von "fünf Flaschen Wein" in Form und zur Uraufführung gebracht. "Gruß an Randersacker" handelt auch hauptsächlich vom Wein und endet: "Muss ein Ewig Leben sein".



