Mit großen Augen blickt die kleine Anahit aus Armenien abwechselnd zwischen dem fünfjährigen Lukas und der Handpuppe Maggie hin und her. Immer wieder fordert der kecke Blondschopf das schüchterne Mädchen auf, der Puppe die Hand zu reichen. Anahit zögert lange – und legt dann doch mit einem zaghaften Lächeln ihre kleine Hand in die große.
„Maggie ist unser Eisbrecher“, kommentiert Katja Romberg die unscheinbare Alltagsszene, und dabei blitzt in ihren Augen eine Mischung aus Rührung und Stolz auf. Seit Oktober 2013 leitet die 36-jährige Erzieherin den Katholischen Kindergarten Heilig Geist, der etwas versteckt im Schatten der weithin sichtbaren Rundkirche im Stadtteil Dürrbachau liegt. Über 50 Plätze verfügt die Caritas-Einrichtung, belegt sind davon allerdings nur 27 Plätze. Warum? „An zu wenig Kindern im Dürrbachtal liegt es jedenfalls nicht“, so Katja Romberg. So seien die Kindergärten in Ober- und Unterdürrbach voll besetzt und führen sogar Wartelisten.
Der Grund für die Unterbelegung ist ein ganz anderer. „Von unseren 27 Kindern haben 17 einen Migrationshintergrund, zehn von ihnen leben mit ihren Eltern in der Gemeinschaftsunterkunft“, berichtet Romberg. Das führe bei manchen Eltern offenbar zu Vorbehalten und Ängsten. „Viele haben Sorge, dass das eigene Kind unter den vielen fremden untergehen könnte oder sie haben schlichtweg Berührungsängste“, sagt sie.
„Sicherlich, hinter dem Stacheldraht liegt die GU, doch dass wir direkte Nachbarn sind, ist kein Problem, sondern ein Auftrag im Dienst der Nächstenliebe“, betont Katja Romberg. Gemeinsam mit ihren drei Kolleginnen Daniela Holder, Irina Friesen und Martina Vukovic sieht sie den Kindergarten als „Brücke zwischen Migranten und Einheimischen“, in dem man „Verbindungen schaffen und der Menschlichkeit ein Gesicht geben“ will.
Während die deutschen Kinder im Dürrbachtal zu Hause sind, stammen die Flüchtlingskinder aus Armenien, Aserbaidschan, Russland, Syrien, Afghanistan, dem Irak, Kosovo oder Afrika. Das eröffnet laut Romberg allen Beteiligten eine Riesenchance. Unter dem Motto „Pädagogik in Vielfalt“ will man die Welt ein bisschen näher zusammenrücken lassen und Verständnis und Solidarität untereinander fördern.
Indem die Kinder gemeinsam mit Stäbchen essen, afrikanisch trommeln oder armenisches Weihnachtsgebäck backen, begegnen sie nicht nur einer großen Vielfalt an Kulturen; zugleich lernen sie die vorurteilsfreie Begegnung mit allen Menschen – ganz egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Sprache oder Religion sie sind.
„Der Kindergarten ist eine Brücke zwischen Migranten und Einheimischen.“
Katja Romberg, Leiterin
Um allen vertretenen Kulturen und Religionen gerecht zu werden, wählt man im Kindergarten Heilig Geist stets einen Mittelweg. So feiert man nicht ausgerechnet dann Sommerfest, wenn Ramadan ist, das Mittagessen kommt ohne Schweinefleisch aus und die Martins-Andacht findet eben nicht in der Kirche, sondern davor statt. Auch Weihnachten will man so vermitteln, dass alle etwas damit anfangen können: Im vergangenen Jahr waren es die Weihnachtstraditionen in anderen Ländern, heuer ist es der Stern, der als Symbol der Sehnsucht und des Glücks für sich stehen oder aber zum Stern von Bethlehem werden kann.
Die vermeintliche Sprachbarriere beschreibt Romberg für die Kinder als unproblematisch. Denn: „Kinder kommunizieren über Körpersprache, in Bau- oder Puppenecke ergeben sich die Dinge einfach im Spiel.“
Sehr viel mehr Sorgen macht dem Team hingegen die starke Traumatisierung vieler Flüchtlingskinder: Während die einen aufdrehen, ziehen sich andere zurück, bleiben lange schüchtern und skeptisch. „Das Ankommen dauert oft sehr lange“, sagt Katja Romberg. Das gilt in mindestens gleichem Maße für die Eltern. „Für viele ist es ein ganz großer Schritt, die Kinder aus der Hand zu geben“, viele seien übervorsichtig, bleiben wochenlang in der Nähe oder reagieren bei einem aufgeschürften Knie geradezu panisch. Doch irgendwann lege sich auch das, und die Eltern seien einfach nur „unendlich dankbar“.
Dankbarkeit klingt auch aus den Äußerungen der deutschen Eltern heraus. Neben dem liebevollen Umgang und der hohen Wertschätzung allen Kindern gegenüber heben sie den multikulturellen Ansatz als größten Pluspunkt hervor: „Berührungsängste gibt es nicht“, sagt eine Mutter. Vorurteile gegenüber Kindern mit anderem Aussehen oder anderer Hautfarbe seien zu keiner Zeit ein Thema. Die bunte Mischung der Nationalitäten sei für die Tochter „eine große Bereicherung.“,
Dass noch mehr deutsche Kinder den Kindergarten besuchen und Menschen einander die Hand reichen – das wünscht sich das Team. Katja Romberg: „Bei uns sind alle Kinder gleich – und genau das wollen wir auch in die Gesellschaft hinaustragen!“
Hilfe für den Kindergarten: Wer helfen will, kann dies auf vielfältige Weise tun. Geldspenden: Caritas Verein Heilig Geist, IBAN DE59 7509 0300 0103 0027 80, Liga Bank Würzburg (bitte Verwendungszweck angeben)).
Sachspenden (wie Spielzeug, Frühstücksobst oder Dreiräder für den Außenbereich) nach Absprache mit Katja Romberg. Zeit-Spenden durch ehrenamtliche Mitarbeit (Ausflüge, Begleitung, Fahrdienste). Kleiderspenden (warme Winterkleidung) oder Weihnachtsgeschenke vermittelt das Team gerne an bedürftige Familien. Kontakt: Kindergarten Heilig Geist, Pfaffenbergstraße 3, 97080 Würzburg, Tel. (09 31) 9 72 56.