Straßenausbaubeiträge haben hohes Erregungspotenzial. Wenn eine Gemeinde eine Straße erneuert, darf sie, die entsprechende Satzung vorausgesetzt, die anliegenden Grundstückseigentümer kräftig zur Kasse bitten. Die Ausbaubeiträge treffen viele Bürger hart, fünfstellige Beträge sind keine Seltenheit.
Durch eine Gesetzesänderung haben die Kommunen in Bayern seit April eine Alternative zur Beitragszahlung quasi auf einen Schlag. Sie können stattdessen jährlich moderate und überschaubare Beiträge von den Grundstückseigentümern einer Gemeinde oder eines Stadtteils erheben, die dann gemeinsam mit dem Eigenanteil der Kommune zur Sanierung verwendet werden.
Auch in Bayern erlaubt das Gesetz seit April wiederkehrende moderate Beiträge
„Die Bürger brauchen künftig keine Befürchtungen mehr vor unverhältnismäßig hohen Abgabeforderungen haben“, hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) anlässlich der Gesetzesänderung verkündet. Eine vergleichbare Regelung gibt es in Rheinland-Pfalz. 40 Prozent der Gemeinden dort erheben wiederkehrende Beiträge, im Schnitt bis 200 Euro. Dies führe bei Bürgern und Gemeinden zu einer hohen Zufriedenheit, so Herrmann noch vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung.
Soweit die Theorie. In der Praxis – also bei den Kommunen – wird die Möglichkeit bisher nicht genutzt. „Mir ist in Unterfranken bisher keine Gemeinde bekannt, die das System wechseln möchte“, teilt Claudia Drescher mit, Referatsdirektorin im Bayerischen Gemeindetag (BayGT). Ähnlich die Auskunft von Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung von Unterfranken. „Erkenntnisse darüber, ob sich Gemeinden für die Einführung wiederkehrender Beiträge entschieden haben, liegen hier nicht vor.“
Wiederkehrende Beiträge bedeuten einen erhöhten Verwaltungsaufwand für die Gemeinden
In Unterfranken verfügten im März 2015 nach einer Erhebung des Innenministeriums 97 Prozent der Gemeinden eine Satzung zur Erhebung von Einmalbeiträgen. Neun von 308 Gemeinden hatten überhaupt keine Straßenausbaubeitragssatzung, was nur ausnahmsweise zulässig ist, dann nämlich, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Gemeinde dauerhaft anderweitig gesichert ist.
An den Zahlen hat sich trotz Gesetzesänderung offensichtlich nichts geändert. Erste Gemeinden sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass die Erhebung und Berechnung der wiederkehrenden Beiträge für sie zu kompliziert ist.
In den wenigsten bayerischen Gemeinden können die wiederkehrenden Beiträge einheitlich auf alle Grundstücke im gesamten Gemeindegebiet verteilt werden, darauf machte Claudia Drescher vom BayGT bei einem Seminar in Stadtlauringen (Lkr. Schweinfurt) klar. Nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wären innerhalb eines Gemeindegebietes meist mehrere Abrechnungsgebiete zu bilden, etwa für Orts- oder Stadtteile, den Altort oder Neubaugebiete. Damit komme es innerhalb des Gemeinde-/ Stadtgebietes unter Umständen zu stark unterschiedlichen Beitragsbelastungen. „Das kann von 80 bis 1000 Euro und mehr (im Jahr) reichen“, so Drescher.
Nach Schätzung der Stadt Würzburg müssten für das gesamte Stadtgebiet jährlich etwa 40 000 Bescheide – statt bislang durchschnittlich 500 bis 1000 – versandt werden. Das verursacht Mehrkosten, die Bürger würden also höher belastet.
Ein Systemwechsel von einmaligen auf wiederkehrende Beiträge würde zudem für Ärger und Unverständnis bei denjenigen Grundstückseigentümern sorgen, die unlängst zu einem Erschließungs- oder Straßenausbaubeitrag veranlagt wurden. Außerdem würde bei Einführung von wiederkehrenden Beiträgen die Erwartungshaltung entstehen, dass jede schadhafte Straße zu erneuern sei, wenn schon ein Beitrag zu zahlen ist. Angesichts der Vielzahl der schadhaften und erneuerungsbedürftigen Straßen in den bayerischen Kommunen kann diese Erwartungshaltung nicht befriedigt werden, warnen Experten.
Der Hauptausschuss des Würzburger Stadtrates hat nach ausgiebiger Diskussion vorgeschlagen, es beim bisherigen System von Einmalzahlungen zu belassen – wenn auch in modifizierter Form. Der Eigenanteil der Stadt wird über alle Straßenkategorien gesenkt, in der Folge muss der einzelne Anwohner weniger zahlen. Im Gegenzug wird die Grundsteuer leicht erhöht, was alle Eigentümer von Immobilien spüren werden und der Stadt mehr Geld in die Kassen bringt. Schließlich werden langfristige Ratenzahlungen zu einem niedrigen Zinssatz ermöglicht. Auch das soll Härtefälle für Anlieger vermeiden helfen.
Anlieger können Ausbaubeiträge teilweise steuerlich geltend machen
Übrigens können Grundstückseigentümer einen Teil der von ihnen erhobenen Straßenausbaubeiträge bei der Steuererklärung geltend machen, darauf macht der Eigenheimerverband Bayern aufmerksam. Auslöser dieser neuen Entwicklung ist ein Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 24. Juni 2015 (Aktenzeichen: 7 K 1356/14), das mit Hinweis auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. März 2014 (Aktenzeichen: VI R 56/12) zugunsten eines Grundeigentümers entschied. Nach Paragraph 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ermäßigt sich die Einkommensteuer auf Antrag um 20 Prozent der Kosten für Handwerkerleistungen, höchstens um 1200 Euro pro Jahr. Der auf die Arbeitskosten entfallende Anteil der von Anliegern geleisteten Straßenausbaubeiträge führt somit auf Antrag des Steuerpflichtigen zu einer Ermäßigung der Einkommensteuer.