"Am 6. August dieses Jahres ging die fünfwöchige Reise los. In einem kleinen Team, bestehend aus fünf Österreichern, einem Schweizer und drei Deutschen unter der erfahrenen Leitung von Herbert Wolf und dem nötigen Wetterglück sollte es möglich sein, den Gipfel dieses markanten Felsturmes zu erreichen. Die gesamte Gruppe traf erstmals bei der Zwischenlandung in Doha zusammen. Frühmorgens landete das Team in Islamabad, einer Stadt, die erst seit 45 Jahren besteht, und als Hauptstadt das zu entlegene Karachi abgelöst hat. Tropische Hitze schlug beim Aussteigen entgegen.
Nach den üblichen Formalitäten und dem Briefing im Tourismus- Ministerium sollte es am Folgetag per Bus in einer dreitägigen Fahrt über den Karakorum Highway bis Askole, dem letzten Dorf in der Zivilisation gehen. Es hatte aber Tage zuvor derart geregnet, dass die Straßen teilweise durch Erdrutsche verschüttet, teilweise ganz weggeschwemmt worden waren.
So verschob sich die Weiterreise um einen Tag, der zum Besuch von Taxila, der Ausgrabungsstätte von Stadtanlagen und buddhistischen Stupas aus dem 6. Jahrhundert vor Christus genutzt wurde. Hier zog schon Alexander der Große 326 vor Christus auf seinem Weg nach Indien durch und von hier aus breitete sich der Buddhismus im dritten Jahrhundert bis nach China aus. Nachmittags blieb sogar noch Zeit durch die engen Bazare von Rawalpindi zu schlendern und die Faisal Moschee zu besichtigen.
Das Abenteuer beginnt
Am Folgetag waren die Straßen so weit geräumt, dass die abenteuerliche Fahrt über den Karakorum Highway beginnen konnte. Bis Skardu mussten 771 Kilometer zurückgelegt werden. Die Straße schlängelte sich durch immer schrofferes Felsgelände dem tief eingeschnittenen Indus entlang. Nach 16-stündiger Fahrt (Höchstgeschwindigkeit 40 bis 50 Kilometer) war das erste Etappenziel Chilas erreicht.
Schließlich ging es weiter durch die Indusschlucht bis Skardu. Umterwegs zeigte sich der Nanga Parbat in seiner ganzen Pracht. Die letzte Etappe führte per Jeep über staubige, extrem ausgesetzte und keineswegs befestigte Straßen. Eine Fußstunde vor Askole endete die Fahrt. Ab jetzt begann der dreitägige Anmarsch zum Basislager. Der Weg führte langsam aufwärts über Jhola (3025 Meter), dem Braldu River entlang nach Paiju (3370 Meter) und schließlich über den Baltoro Gletscher bis zum Basislager auf 4050 Metern Höhe, das am Fuße des Nameless Tower malerisch an einem kleinen See liegt. Bis hierher transportierten 75 Träger die gesamte Bergausrüstung, Zelte, Küchenutensilien, Nahrung für drei Wochen (einschließlich zweier Ziegen), persönliches Gepäck, insgesamt zwei Tonnen.
Zur Akklimatisation stand ein Ruhetag zur Verfügung, der zum Ausbau des Basislagers genutzt wurde. Die gesamte Gruppe war damit beschäftigt, den Dom, ein großes kuppelförmiges Zelt aufzubauen. Hier servierte die Küchenmannschaft die Mahlzeiten, hier traf sich die Gruppe zum Tee, zum Smalltalk, hier war für die nächsten Wochen "allgemeiner Treffpunkt". Die Verpflegung war erstklassig, so dass sich die üblichen Magen-Darm-Probleme sehr rasch gelegt hatten; nicht so bei den anderen Gruppen, die weniger Glück mit ihrem Koch hatten.
Vorsicht Steinschlag
6286 Meter Höhe sind nicht in einem Zug und ohne Akklimatisation zu bewältigen. So sollten die nächsten Tage zunächst der Aufbau der zwei Hochlager im Vordergrund stehen. Zum ersten Hochlager auf 4900 Metern Höhe führte der Weg mühsam und steil über wegloses Geröll. Das Lager befand sich auf einem schmalen Felssims direkt am Fuße des Nameless Tower mit Blick auf Uli Biaho Tower (6109 Meter) und Paiju Peak (6610 Meter). Wegen des üblicherweise ab 10 Uhr durch die Soneneinstrahlung ausgelösten Steinschlages musste dieses vor dieser Zeit erreicht sein. Jeden Tag und auch nachts war das Getöse der Steinlawinen in nächster Nähe zu hören.
Schwieriger Aufstieg
Erst nach zwei- bis dreimaligem Vorstoß in diese Höhe war es möglich, zum zweiten Hochlager auf 5400 Metern Höhe auf dem Grat zwischen Great Trango und Trango Tower zu gelangen. Mit zunehmender Höhe wurde der Weg dorthin haltloser und damit gefährlicher. Zum Greifen nahe ragte die Felsnadel des Trango Tower vor dem Lager in den Himmel. Das Wetter blieb stabil. So stand dem Gipfelaufstieg nichts mehr entgegen. Weiter ging es steil aufwärts zwischen imposanten Eisabbrüchen hindurch über den Hängegletscher des Great Trango. Die Neigung war größer als zuvor gedacht. Zudem hatte sich in den letzten Tagen eine Neuschneedecke gebildet, so dass sich der Aufstieg schwieriger gestaltete als vermutet, und zudem die Fixseile knapp wurden. Gleich zu Beginn musste kombiniertes Gelände im dritten Schwierigkeitsgrad überwunden werden, dann folgten Passagen und einige Eisriegel bis zu 65 Grad Neigung. Mit zunehmender Höhe wurde das Gelände noch steiler. Nach einer Steileispassage war der Gipfelgrat und dann der Gipfel erreicht.
Leider hatte sich gerade jetzt der Himmel vollkommen bewölkt und die erhoffte Aussicht auf die 8000er und 7000er des Karakorum blieb verwehrt. Dennoch blieben beim Abstieg grandiose Ausblicke durch aufreißende Wolkenlücken. Die imposante Eislandschaft entschädigte vollkommen für den mühsamen Aufstieg. Nach neun Stunden hatten alle wieder gesund und glücklich das zweite Hochlager erreicht. Dank der ausgezeichneten Akklimatisation und Logistik hatte keiner der Teilnehmer ernsthafte Höhenprobleme. Die Rückkehr ins Basislager wurde mit einer Gipfel-Party gefeiert. Die Küchenmannschaft servierte ein Buffet, das sich in guten Hotels hätte sehen lassen können.
Gewonnene Zeit genutzt
Da die guten Bedingungen einen ungehinderten und reibungslosen Gipfelerfolg ermöglicht hatten, blieben bis zum Rückflug noch einige Tage zur freien Verfügung. Diese sollten zu einem Besuch des Hunza-Tales genutzt werden. So vergingen bis zur Rückkehr in die Zivilisation noch zwei anstrengende Tage mit langen Wegetappen und wieder eine abenteuerliche Fahrt mit offenen Jeeps über holprige, weiterhin unbefestigte, teilweise noch unter Wasser stehende Straßen. Ziel war Karimabad, die ehemalige Hauptstadt der Hunzas. Dort liegt das Baltit Fort, bis zum letzten Jahrhundert Königspalast über mehr als 750 Jahre. Erst seit 1945 gehört das Hunza-Reich zu Pakistan. Mächtig baut sich der 7790 Meter hohe Rakaposhi in nächster Nähe auf. Das Panorama über die umliegenden schneebedeckten 7000er ist atemberaubend.
Zahlreiche Souvenirläden mit reichhaltigem Angebot an Edelsteinrohlingen, die hier aus dem Gebirge gebrochen werden, säumen die Hauptstraße. Während der Fahrt auf dem Karakorum Highway kann man die Stolleneingänge in teilweise schwindelnder Höhe erkennen.
Zwei Tage benötigten die Reisenden zurück nach Islamabad, bevor es nach fünf Wochen in die heimischen Gefilden zurückging."