(rtg) Koch oder, noch lieber, Schreiner werden, wäre Thimo Scheiners (alle Schülernamen geändert) größter Wunsch. Erfahrung mit Holz sammelte der 22-Jährige in der Schreinerei der Würzburger Justizvollzugsanstalt. Fast vier Jahre saß er dort. „Wegen Einbruch und Drogen“, erzählt er. Das liegt nun hinter ihm. Thimo ist fest entschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Was er dazu als erstes braucht: „Einen guten Hauptschulabschluss.“ Auf den lernt er in der Würzburger Adolph-Kolping-Schule.
Thimo Scheiner ist einer von einem Dutzend Jugendlichen, die derzeit am Projekt „Nachqualifizierende Bildungsoffensive“ (NaquaBi) der Berufsschule teilnehmen. Einige der Projektteilnehmer wollen mit Hilfe von NaquaBi ihren Schulabschluss nachholen. Andere, dazu gehört Thimo, ihren Notenschnitt verbessern.
Traumberuf Schreiner
Thimo nahm hinter Gittern erstmals an einer Prüfung für den Hauptschulabschluss teil. Sein Schnitt: 3,5. Nicht berauschend. „Es haperte vor allem im Fach Deutsch“, meint er. Doch eben dieses Fach, weiß der Jugendliche, ist außerordentlich wichtig für seinen Traumberuf Schreiner: „Man muss gut mit den Kunden reden können. Außerdem sind viele Briefe zu schreiben.“ Thimos Ziel für die nächsten Monate: Gut in Deutsch werden und einen Abschluss mit einem Schnitt von mindestens 2,5 schaffen.
Welch immense Bedeutung ein guter Schulabschluss heute hat, das begreifen viele Jugendliche während ihrer Schulzeit noch nicht, sagt Schulleiterin Sabine Pfeifer. Wichtiger ist für sie, so bald wie möglich zu einem Job und damit zu Geld zu kommen. Das mag eine zeitlang auch gut gehen. Doch irgendwann merken sie: Außer meist wenig attraktive, körperlich schwere Hilfsjobs gibt es für sie nichts auf dem Arbeitsmarkt.
Wobei selbst Hilfsjobs inzwischen rar gesät sind, steht in einer Mitteilung der Adolph-Kolping-Schule. Was immer Maschinen machen können, wird von Maschinen erledigt. Diese Erfahrung führe bei einigen Jugendlichen schließlich zur Erkenntnis: Ich muss meinen Schulabschluss nachholen oder deutlich verbessern, um endlich eine Lehre beginnen zu können.
Dies ist auch der Wunsch von Laila Butt. Die junge Frau stammt aus einer deutsch-pakistanischen Familie. Ihr Vater ist der Ansicht, dass Mädchen keine Schulbildung brauchen. Lailas letzte Jahre in ihrer Familie waren überschattet von ständigen, sich verschärfenden Konflikten mit dem Vater: „Schließlich flüchtete ich vor ihm. Denn er drohte mich umzubringen.“
Heute lebt Laila im Würzburger Frauenhaus. Sie ist froh, endlich Ruhe, Zeit zum Lernen, und vor allem: endlich Freunde zu haben. „Ich verstehe mich mit allen Mitschülern in meiner Klasse sehr gut“, schwärmt die junge Frau. Sowie sie ihr Abschlusszeugnis in der Tasche hat, will sie sich für eine Lehre als Verkäuferin bewerben. Am liebsten in einem Modegeschäft.
Fast wöchentlich fragt derzeit ein Jugendlicher bei Sabine Pfeifer nach, ob er an dem „NaquaBi“-Kurs teilnehmen darf. Der Einstieg ist jederzeit möglich, wobei die Chancen, den Hauptschulabschluss oder gar den Quali zu schaffen, steigen, je früher mit der Nachqualifizierung begonnen wird.
Andere hingegen warten lieber noch ein Jahr, bis sie die Prüfung ablegen. In der Adolph-Kolping-Schule ist dies kein Problem. Sabine Pfeifer: „Jeder bekommt hier eine zweite Chance. Und falls nötig, gern auch eine dritte.“
Traumberuf Automobilkaufmann
NaquaBi-Teilnehmer Alex Hoffmann möchte unbedingt seinen Quali machen. Der 18-Jährige hat zwar bereits einen Qualifizierenden Hauptschulabschluss in der Tasche. Doch mit dem ist er nicht zufrieden. Sein großes Manko: Es fehlt das Fach Englisch. Eben deswegen, glaubt Alex, hat er keine Chance, seinen Traumberuf „Automobilkaufmann“ zu realisieren.
NaquaBI ist ein für Jugendliche und junge Erwachsene kostenloses Angebot. Alles andere wäre auch kaum sinnvoll, erklärt die Schulleiterin: „90 Prozent unserer Projektteilnehmer stammen aus Bedarfsgemeinschaften oder sind selbst Hartz IV-Empfänger.“ Dass die Jugendlichen ihre zweite oder gar dritte Chance umsonst bekommen, haben sie den Geldgebern Kolping Mainfranken und der Regierung von Unterfranken zu verdanken.
Kontakt: Adolph-Kolping-Schule, Goerdelerstraße 3, Tel. (09 31) 6 00 84 13.