Dass das alte Würzburg mal eine kleine Großstadt war und das neue Würzburg eine große Kleinstadt ist, wie Denkmalpfleger Heiner Reitberg so schön wie treffend sagte . . . Man mag viel darüber sinnieren und muss sich doch nur anschauen, wie das alte Würzburg aussah. Pferdekutschen warteten vor einem schmucken Bahnhof, die erste Straßenbahn fuhr am Dom vorbei und auf dem Markt vor der Marienkapelle waren die Stände wie mit Lineal gezogen. Gaslaternen beleuchteten das Neumünster, vor der Alten Mainbrücke lagen Schuten und Segler vor Anker, in der Domstraße waren die Herren mit Hüten und Zylinder unterwegs. Und am Dominikanerplatz lud „Dauch's Conditorei“ zu Torte und Gebäck ein.
Die Straßenszene mit dem Eckhaus ist nur ein Motiv von vielen, die der Hamburger Fotograf Werner Bokelberg aus dem Würzburg vor 100 Jahren zusammengetragen hat. Bokelberg fotografierte für den „Stern“, porträtierte in den Siebzigern Pablo Picasso, Andy Warhol, Romy Schneider und die 68er Bewegung und kam als bekannter Werbefotograf in der Welt viel herum. Und er erlag dem Charme alter Ansichtskarten. Bokelberg begann zu sammeln . . .
Die Leidenschaft des heute 75-Jährigen beschränkte sich irgendwann nicht mehr nur auf seine Heimatstadt. Aufnahmen aus Berlin, Dresden, Frankfurt, Hannover, Wien . . . in Bokelbergs Sammlung kann man durch die Straßen vieler Städte um 1900 flanieren.
Und jetzt auch durch Würzburg: Aus den vielen Tausend Postkarten seines Archivs hat der Fotograf 48 aus dem alten Würzburg ausgewählt und als Faksimiles veröffentlicht. Im Weißblechdöschen versammelt, vermitteln sie einen Eindruck davon, wie großstädtisch, beschaulich, dörflich es in Würzburg auf den Plätzen und in den Gassen einmal war. Bekannte Ansichten sind dabei – und überraschende, seltene, neue aus dem Würzburg von einst.
Städtebox: „Unser Würzburg vor 100 Jahren“, 48 historische Postkarten, von Bokelberg für 19,90 € im Buchhandel.