„Seit etwa einem Jahr haben wir die Brillen hier“, sagt Bibliotheksassistentin Irmgard Lang. Sie hat sich die Idee in einer anderen Leihbücherei abgeguckt und fand, dass die Ochsenfurter Bibliothek von so einem Angebot ebenfalls profitieren könne. Sechs Lesebrillen in verschiedenen Stärken warten auf einem Karteikasten hinter dem Arbeitsplatz von Irmgard Lang auf Weitsichtige. Ein Schild weist auf das Angebot hin. Bewacht werden die Sehhilfen von einem grünen Kunststoffkrokodil. „Statt einer Brillenschlange haben wir ein Brillenkrokodil“, scherzt die Bibliotheksassistentin. Sie und ihre Kolleginnen Barbara Süßkind und Katharina Milinkovic haben nach und nach eigene oder im Bekanntenkreis ausgemusterte Brillen mitgebracht.
Immer wieder machen Besucher der Bibliothek von dem Angebot Gebrauch. „Viele Leute brauchen ihre Brille für die Ferne nicht“, erklärt Irmgard Lang. „Erst, wenn sie etwas lesen müssen, merken sie, dass sie sie nicht dabei haben.“
Bevor es die Leihbrillen gab, mussten die unbebrillten Kunden das Bibliothekspersonal um Hilfe bitten, wenn sie Bücher ausleihen wollten. „Wir haben dann den Leuten vorgelesen, um was es in dem Buch geht“, sagt Irmgard Lang. Jetzt kann sich jeder die Inhaltsangabe selbst zu Gemüte führen, was für die drei Bibliotheksangestellten eine Zeitersparnis bedeutet. „Wir beraten natürlich trotzdem noch gern, aber derzeit ist es wirklich stressig“, so Irmgard Lang.
Nach dem freien Rosenmontag und Faschingsdienstag herrscht am Aschermittwoch in der Bücherei reger Andrang. Leute mit Körben und Taschen stellen sich am Schalter an, wollen ausgelesene Bücher zurückgeben und neue mitnehmen. Dazwischen klingelt immer wieder das Telefon.
Irmgard Lang hat alle Hände voll zu tun, denn eine Kollegin fällt für mehrere Wochen aus. Nur eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft sind derzeit für zwei Stockwerke zuständig und müssen außerdem die Kaffeemaschine betreuen, an der sich die Büchereibesucher ein Heißgetränk zapfen können. Es ist nur schwer vorstellbar, dass da noch Zeit bleiben soll, brillenlosen Interessenten die ausgewählten Bücher näher zu erläutern. Dank der Leihbrillen kann sich aber jetzt jeder selbst helfen.
Irmgard Lang hat beobachtet, dass auch anderswo das System Leihbrille schon Anhänger gefunden hat. So manches Geschäft hält eine Notfallbrille für Kunden bereit, und auch in Gasthäusern erleichtert nicht selten die hauseigene Lesebrille das Studium der Speisekarte.
Dass jemand die Leihbrille nach Gebrauch hätte mitgehen lassen, musste Irmgard Lang bisher noch nicht erleben. Mitgenommen werden nur die ausgewählten Bücher.