Fronleichnamstag 2012. An der farbenprächtigen Prozession nimmt in der Nähe des Bischofs auch eine Gruppe von rund zehn Männern teil. Die meisten tragen einen schwarzem Hut, ein Halskreuz und schwarze Mäntel mit einem schwarzen Kreuz auf einem weißen Wappenschild. Nur einer trägt einen weißen Mantel: Professor Dr. Dieter Salch, Jurist und seit einigen Monaten Ehrenritter des Deutschen Ordens.
Trotz des ersten Eindrucks – die „Familiaren“ des Deutschen Ordens sind keine Ordensgeistliche: „Man wollte Männern, die sich im Leben bewährt haben, die Möglichkeit geben, sich mit dem Orden zu verbinden. Deswegen wurde 1936 das Institut der „Familiaren“ geschaffen“, erläutert Salch. Die katholischen Laien, die keine Profess ablegen, werden der Ordensfamilie „adskribiert“, das heißt assoziiert. Sie bekunden auf diese Weise ihr Engagement für den christlichen Glauben und ihre geistliche Verbundenheit mit dem Deutschen Orden. Auch Frauen können grundsätzlich als „Familiaren“ „adskribiert“ werden. Motto: „Helfen, Heilen, Wehren“.
Die Würzburger „Familiaren“ zeichnen sich durch rege Aktivität aus. Bistumshistoriker Erik Soder von Güldenstubbe, ein langjähriger „Familiare“, berichtet nach der Fronleichnamsprozession: „Wir treffen uns nicht nur bei großen kirchlichen Feiern und den Ordensfesten, sondern haben auch einen unregelmäßig stattfindenden Stammtisch im Bürgerspital. Außerdem kommen wir mit den Bamberger Mitgliedern der 1988 wieder gegründeten Komturei Franken, zu der wir gehören, bei Gottesdiensten, Jubiläen, Konventen und Ausflügen zusammen.“ Darüber hinaus pflegen die Würzburger „Familiaren“ bei den meist in Nürnberg stattfindenden „Vier-Ordens-Treffen“ auch den Kontakt zu den drei anderen „Ritterorden“, den Johannitern, den Maltesern und den Rittern vom Heiligen Grab.
Bunte Zusammensetzung
Bunt ist die Zusammensetzung, denn die Würzburger „Familiaren“ kommen aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen. Soder: „Zu uns gehören Juristen und Theologen, Mediziner, Geistes- und Wirtschaftswissenschaftler.“ Momentan bereiten sich fünf Kandidaten auf die Aufnahme als „Familiare“ des traditionsreichen Ordens vor.
Die komplexe Geschichte des Deutschen Ordens bringt Professor Salch auf den Punkt: „Der Deutsche Orden hat es immer geschafft, Kontinuität und Wandel trotz aller Krisen und Kriege erfolgreich miteinander zu verbinden.“ Man könnte den Deutsche Orden als ein hochmittelalterliches mobiles Kriseninterventionsteam bezeichnen: Während des Dritten Kreuzzugs fand sich 1190 bei der Belagerung Akkos im Heiligen Land eine Gruppe von deutschen Pilgern zusammen, um Kranke zu pflegen. Die „Sanitäter“ nähten sich aus Segeltuch weiße Umhänge, deswegen die ursprünglich weiße Farbe der Ordenstracht. Salch: „Seit dieser Zeit ist Maria unsere erste Ordenspatronin. Im Marienmonat Mai ehren wir unsere Patronin mit einem Gottesdienst in der Waldkapelle im Steinbachtal.“ 1198 wurde der Ritterorden der „Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem“ gegründet.
Nur wenige Jahre später, um 1200, ließen sich die Deutschordensritter auch in Würzburg nieder. In der stimmungsvollen romanischen Turmkapelle der Deutschhauskirche erläutert Professor Salch vor einer Vesper zu Ehren des zweiten Ordenspatrons, des Ritterheiligen Georg: „Konrad von Querfurt, der später ermordete Würzburger Bischof, war vermutlich der erste Meister, also „Chef“ des Deutschen Ordens. Alljährlich am 3. Dezember erinnern wir mit einer Feier an ihn.“ Um 1300 erlebte die Würzburger Niederlassung eine besondere Blütezeit. Davon künden noch heute die überaus qualitätvolle Architektur und Bauplastik der benachbarten gotischen „Deutschhauskirche“.
Nach dem Rückzug aus dem Heiligen Land expandierte der Orden in Osteuropa, wo er den „Heidenkampf“ aufnahm und sich in Preußen ein eigenes Territorium aufbaute. Die Blütezeit der Würzburger Komturei beendete 1525 der Bauernkrieg, und mit dem Übertritt des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg zum Protestantismus verlor der Orden seine preußischen Besitzungen. Seit 1527 residierte der Hoch- und Deutschmeister dann unweit von Würzburg in Mergentheim. Salch: „Das Jahr 1809 brachte mit der Beendigung der Ordenstätigkeit in den Rheinbundstaaten durch Napoleon eine elementare Krise mit sich. Das endgültige Aus kam in Würzburg 1814, als die Ordensniederlassung endgültig in den Besitz des bayerischen Staates überging.“
Während die Deutschhauskirche bis 1922 als Militärmagazin diente, überlebte der Deutsche Orden in Österreich dank der Protektion der Habsburger als „Deutscher Ritterorden“. Salch: „Nach der Abdankung des letzten österreichischen Kaisers Karl im Jahr 1918 hat sich der von Wien aus geleitete Deutsche Orden zu einem klerikalen Orden entwickelt.“ Seine Mitglieder haben – anders als die „Familiaren“ – die Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abzulegen.
Aufschwung in Mitteleuropa
Stolz berichtet Salch vom gegenwärtigen Aufschwung des Deutschen Ordens in Mitteleuropa. Schwerpunkte des Tätigkeit liegen auf sozialen Projekten wie Alten- und Pflegeheimen und Einrichtungen für Suchtkranke. Die Würzburger „Familiaren“ unterstützen vor allem das Elisabethenheim – Elisabeth ist die dritte Patronin des Ordens und auch Patronin der seit 1922 evangelisch-lutherischen Deutschhauskirche. Ein Herzensanliegen Salchs, sein „Baby“: das an der Universität Würzburg angesiedelte und international ausgerichtete Institut zur Erforschung der Geschichte des Deutschen Ordens. „2012 wird es seine Arbeit aufnehmen, wir freuen uns darauf.“ Geistliche und geistige Arbeit – der Deutsche Orden pflegt und vernetzt in Würzburg beides.