Erich Felgenhauer hat als Stadtrat fünf Oberbürgermeister erlebt und ist einer der populärsten Kommunalpolitiker der Stadt – auch noch mit 70. Im Interview spricht er über Veränderungen, Verletzungen und Fehler.
Als 25-Jähriger waren Sie 1966 Deutschlands jüngster Stadtrat. Heute machen Sie immer noch Kommunalpolitik. Was motiviert Sie?
Erich Felgenhauer: Ich bin so aufgewachsen. Denn obwohl meine Eltern nie in einer Partei waren, haben mich ihre Erfahrungen zu einem politischen Menschen gemacht: Was sie im Dritten Reich erlebt haben, war für mich der Grund, mich aktiv für die Demokratie einzusetzen.
Was hat sich in diesen 44 Jahren verändert?
Felgenhauer: Die Menschen sind heute unzufriedener als früher. Und uninteressierter. Nicht einmal die Hälfte der Würzburger geht noch zur Kommunalwahl. Das ist doch traurig.
Wo sehen sie die Ursachen?
Felgenhauer: Die Bürger fühlen sich von ihren Politikern nicht mehr ernst genommen. Sie vertrauen ihnen nicht mehr. Das verstehe ich sogar. Nehmen Sie das Beispiel Trautenauer Straße. Unter dem Vorwand kaputter Bäume sollen die Anwohner eine neue Straße zum Gartenschau-Gelände finanzieren. Oder das Verschwinden der öffentlichen Toilette am Barbarossaplatz. Der versprochene Ersatz ist nie gekommen. Wer im Stadtrat solche Dinge bei der Verwaltung anmahnt, wird vom Oberbürgermeister abgebügelt.
Sie sind kein Rosenthal-Fan?
Felgenhauer: Sie müssen mir glauben, dass ich ihm beim Amtsantritt völlig vorurteilsfrei begegnet bin. Aber sein arrogantes Auftreten und die Art seine Marschrichtung ohne Rücksicht durchzuboxen, hat mich schwer enttäuscht. Ich wundere mich, dass ihm kurzfristiger Erfolg wichtiger ist als es langfristige Ziele sind.
Sie haben Ihrerseits vor zwei Jahren ihre Mitstreiter im Bürgerform schwer enttäuscht. Überraschend sind Sie zur CSU-Fraktion zurück gekehrt, die sie 1990 verlassen hatten. Warum haben Sie das von Ihnen gegründete Bürgerforum im Stich gelassen? Waren es persönliche Gründe?
Felgenhauer: Es gab keine Zerwürfnisse. Ich bin einfach konservativ- christlich geprägt und die CSU ist meine politische Heimat, von der ich mich nie wirklich abgewandt habe. Außerdem habe ich gehofft, mit einer größeren Fraktion im Rücken mehr erreichen zu können.
Hat sich diese Hoffnung erfüllt? Bei manch Ihrer Redebeiträge im Stadtrat verdrehen einige ihrer CSU-Kollegen eher die Augen als dass Sie ihnen Rückendeckung geben.
Felgenhauer: Ich weiß schon, dass Abnicken der bequemere und nervenschonendere Weg wäre. Dennoch glaube ich, dass man durch energisches unbequemes Nachfragen einiges erreichen kann. Bei grundsätzlichen Entscheidungen behalte ich mir auch in der CSU vor, meinem Gewissen zu folgen.
Sie sind ein emotionaler Politiker, kein Stratege?
Felgenhauer: Ja und darauf bin ich schon ein bisschen stolz. Auch wenn ich mich wegen mancher Dinge schlaflos im Bett wälze und auch wenn ich weiß, dass ich anders vielleicht mehr erreicht hätte.
Zum Beispiel eine Parteikarriere. Stattdessen sind Sie Volkstribun geworden. Passt der Begriff?
Felgenhauer: Wenn ein Volkstribun einer ist, dessen Sprechzimmer auf der Straße ist, dann bin ich einer. Die Leute erzählen mir ihre Probleme und vertrauen darauf, dass ich mich kümmere.
Dieses Vertrauen zeigen die Stimmenrekorde, die Sie bei vielen Kommunalwahlen erzielt haben. Wollen Sie es 2012 nochmal wissen?
Felgenhauer: Das muss ich heute noch nicht entscheiden. Aber prinzipiell denke ich, man darf nicht den Fehler machen zu glauben, es würde nicht ohne einen weiter gehen. Die jungen und engagierten Kollegen im Stadtrat, die in der letzten Wahl nachgerückt sind, werden neue Akzente setzten. Das ist auch gut so. Allerdings sehe ich die Gefahr, dass das Stadtbild weiter verändert und Würzburg Mittelmaß wird.
Sind Sie nach all den Jahrzehnten des Kä
mpfens müde? Es gibt ja Phasen, in denen Sie sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen.
Felgenhauer: Müde nicht. Aber ich habe schon einen Preis für mein Engagement in der Kommunalpolitik bezahlt. Ich habe mein Privatleben vernachlässigt. Das würde ich rückblickend anders machen.
Hat sich dieser Verzicht gelohnt?
Felgenhauer: Natürlich bin ich glücklich, über das was ich erreicht habe. Außerdem habe ich viel gelernt und bin vor allem in meinen zwölf Jahren als Bürgermeister interessanten Menschen begegnet. Aber Begegnungen ersetzen eben keine Freunde – das wurde mir aber erst sehr spät bewusst.