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Sommerhausen: Interview mit Lea Marlen Woitack: Im Torturmtheater Sommerhausen zeigt der Fernsehstar ein ganz anderes Gesicht

Sommerhausen

Interview mit Lea Marlen Woitack: Im Torturmtheater Sommerhausen zeigt der Fernsehstar ein ganz anderes Gesicht

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    Lea Marlen Woitack in "Girls and Boys": ein 80-minütiger Monolog mit dramatischer Wendung.
    Lea Marlen Woitack in "Girls and Boys": ein 80-minütiger Monolog mit dramatischer Wendung. Foto: Thomas Obermeier

    Im Torturmtheater Sommerhausen ist derzeit ein außergewöhnlich intensives Stück zu erleben: In "Girls and Boys" von Dennis Kelly schildert eine namenlose Frau das Scheitern ihrer Ehe. Klingt erstmal wie eine traurige, aber alltägliche Geschichte. Doch zur Halbzeit nimmt der etwa 80-minütige Monolog eine dramatische Wende. Das Publikum erfährt entsetzliche Dinge, die alles bis dahin Gesagte in völlig neuem Licht erscheinen lassen. Lea Marlen Woitack, 36, ist bekannt aus vielen TV-Rollen, darunter bis 2019 die der Sophie Lindh bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Inzwischen ist sie neben ihrer künstlerischen Tätigkeit Professorin für Schauspiel an der privaten Hochschule Macromedia in München. In Sommerhausen spielt Lea Marlen Woitack die einsame, unheilbar verletzte Frau mit einer Unmittelbarkeit, die weit über alles hinausgeht, was man gewöhnlich im Fernsehen sieht. Eine Herausforderung für die Schauspielerin wie fürs Publikum. Und ein Abend, der lange nachwirkt.

    Frau Woitack, wie strapaziös ist es, diese Rolle zu spielen?

    Lea Marlen Woitack: Es ist schon anstrengend. Auch körperlich. Ich bin sehr viel besser in Form, seit ich das Stück spiele. Das ist ein netter Nebeneffekt. Aber ich merke, dass ich mir für die Zeit hier zu viel vorgenommen habe. Ich habe ja noch die Schauspiel-Professur in München und dachte, wenn ich im wunderschönen Sommerhausen sitze, kann ich tagsüber meine Arbeit für die Uni machen, und abends spiele ich eine Runde. Aber so ganz kommt das nicht hin: Ich brauche mehr Zeit als gedacht, um zu regenerieren.

    Mögen Sie die Figur, ober spielt das gar keine Rolle?

    Woitack: Doch, ich liebe die Figur. Ich glaube, dass ist eine Grundvoraussetzung, um sie spielen zu können. Ich sage meinen Studierenden immer: Werdet die Anwälte Eurer Figur! Man muss eine Figur nicht im Ganzen lieben, aber zumindest in Teilen. Sonst fällt es schwer, sie zu verteidigen.

    "Ich finde so sympathisch an ihr, dass sie ganz offen über ihre Ängste spricht und ihr mangelndes Selbstwertgefühl."

    Lea Marlen Woitack über die Figur, die sie spielt

    Wie ist diese Frau, wie sehen Sie sie?

    Woitack: Sie kommt aus sehr schwierigen Verhältnissen. Sie weigert sich, über ihre Eltern zu sprechen und das nicht ohne Grund. Sie hat eine derbe Sprache, die viele Leute irritiert. Sie ist gewohnt, ihre Ellenbogen auszufahren, weil sie in ihrem Leben immer kämpfen musste. Und sie kämpft weiter. Ich finde so sympathisch an ihr, dass sie ihr Leben in die Hand nimmt und ganz offen über ihre Ängste spricht und ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Und sie bringt es ja auch sehr weit. Gleichzeitig ist dieser Kampf ihr blinder Fleck: Sie ist so am Funktionieren und am Überdrehen, dass es selten die Ruhe gibt, den Mann, die Kinder oder auch sich selbst wahrzunehmen. Sie ist völlig überfordert von den eigenen Ansprüchen.

    Wie erleben Sie das Publikum. Sind die Reaktionen jeden Abend ähnlich?

    Woitack: Total unterschiedlich. Ich habe das Gefühl, es gibt zwei Lager: Eine Mehrheit, die voll mitgeht und eine Minderheit, die verstört ist. Gestern hat ein Mann zu mir gesagt: "Diesen Abend möchte ich in meinem Leben nicht missen." Das hat mich unglaublich gerührt. Bei den Leuten, die besonders schockiert sind, vermute ich, dass es sie so sehr aufgerüttelt hat, dass sie nicht zwischen den unangenehmen Gefühlen unterscheiden können, die geweckt werden können, und der Beurteilung des Stücks an sich. Das hat aber etwas mit Theatererfahrung zu tun. Ich kann aber auch verstehen, wenn das Stück jemandem einfach zu heftig oder zu derb ist.

    Lea Marlen Woitack: "Das Stück ist auch für mich eine Entdeckungsreise."
    Lea Marlen Woitack: "Das Stück ist auch für mich eine Entdeckungsreise." Foto: Nils Schwarz

    Es gibt in dem Stück ja diesen Kipppunkt. Woraus der besteht, wird mit gutem Grund nicht vorher verraten. Es passiert etwas sehr Schlimmes. An dieser Stelle bewertet das Publikum das Stück komplett neu. Wie sehr ist Ihnen das auf der Bühne bewusst?

    Woitack: Wir haben während der Proben entschieden, dass wir nicht unterschwellig das Entsetzen mitschwingen lassen über das, was dann noch kommt. Wenn ich erzähle, wie ich meinen Ehemann kennengelernt habe, dann zählt nur das und nicht der ganz Unterbau. Es muss eben auch die schönen Momente geben. Aber es gibt winzige Stellen, wir haben sie Farbklekse genannt, an denen Hinweise stattfinden. Ich entdecke mit jeder Vorstellung selbst immer wieder neue. Es ist auch für mich eine Entdeckungsreise. So genial geschrieben ist dieses Stück. 

    "Die Leute aus der Filmbranche brauchen etwas Zeit, um zu realisieren, dass ich noch was anderes mache."

    Lea Marlen Woitack über ihre GZSZ-Vergangenheit

    Als Sophie Lindh in GZSZ waren Sie bei vielen Menschen Dauergast im Wohnzimmer. Wie sehr hängt Ihnen diese Rolle nach?

    Woitack: Das ist zum Glück schon ein paar Tage her, also ist das mit dem Nachhängen nicht mehr ganz so stark. Ich merke das vor allem in Fachkreisen. Dass die Leute aus der Filmbranche etwas Zeit brauchen, um zu realisieren, dass ich noch was anderes mache. Viele haben den Eindruck, dass ich nur noch unterrichte. Das stimmt natürlich nicht, ich spiele noch gerne und viel. Aber hier waren schon Leute in der Vorstellung, die waren irritiert, als sie mich als das diametrale Gegenteil von dem erlebt haben, was ich bei "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gemacht habe. Deshalb habe ich das auch so gerne angenommen.

    Am Filmset muss man sich um nichts kümmern, außer rechtzeitig da sein und Text können. Hier sind Sie allein verantwortlich für das Gelingen des Abends. Wie erleben Sie den Unterschied?

    Woitack: Es ist vor allem eine spezielle Freude. Hätte ich nicht gedacht, ich bin eigentlich ein Ensemble-Tier. Aber es macht total Spaß, ich liebe diese Atmosphäre hier. Manchmal ist es eine Herausforderung, wenn ich merke: Ah, die sind abgeschreckt. Gerade der erste Teil kommt ja recht derb daher, dann steigen die ersten schon mal aus. Dann hoffe ich, dass ich sie im Laufe des Abends wieder einfangen kann. Manchmal gelingt das auch. Nicht immer. Aber dann denke ich mir: Wir sind alle erwachsen, es ist eure Entscheidung, ich bin nicht verantwortlich. Es gibt hier ja noch nicht mal eine Tür. Ich würde es niemandem verübeln, der rausgeht.

    Torturmtheater Sommerhausen: "Boys and Girls" von Dennis Kelly, mit Lea Marlen Woitack, bis 5. August. Spieltage: Di. bis Fr., 20 Uhr, Sa. 16.30 und 19 Uhr. Karten: kartenbestellung@torturmtheater.de oder telefonisch ab 16 Uhr, (0 93 33) 268.

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