Was Bibliotheken mit Diskos gemeinsam haben? Das eine hat eine Auswahl an Büchern, das andere an „Disks“, also Schallplatten. Als im Paris der 1940er Jahre die ersten Tanzlokale aufmachten, nannten die Franzosen sie deshalb nach Vorbild der Büchereien „discotheques“.
Doch eine weitere Analogie drängt sich auf. In den vergangenen Jahren mussten viele Bibliotheken wegen Finanzierungsproblemen schließen. Die Zeitungen schrieben vom „Bibliothekssterben“. Mittlerweile schreiben sie dasselbe über Diskotheken. Wann immer in Höchstadt, Bamberg oder Nürnberg ein Club zumacht, wird das Geschäftsmodell Diskothek medial beerdigt. Vor allem größere Läden mit mehreren Tanzflächen gelten als out. Junge Menschen amüsieren sich lieber in Bars, auf Festivals oder im Internet, heißt es. Ist die Disko tot?
In Würzburgs bekanntestem Nachtclub „Airport“ herrscht in diesen Wochen vor allem tagsüber Betrieb. Wo früher über 1000 Feierwütige Platz gefunden haben, trotzt eine Handvoll Bauarbeiter der Sommerhitze und sägt mitten auf der stickigen Tanzfläche Holzteile zurecht. Andere verspachteln Wände oder installieren Waschbecken. Kernsanierung, alles raus, alles neu. Nach 33 Jahren zieht sich Inhaber Rudi Schmidt zurück und verpachtet seinen Laden. Die neuen Betreiber um den Würzburger Unternehmer Mischa Steigerwald möchten einiges anders machen. „Wir wollen das ,Airport' zeitgemäßer gestalten“, sagt Mitarbeiter Norman Sengenberger, der seit Jahren im Würzburger Nachtleben auflegt.
Teurer als ein Einfamilienhaus
So ein Umbau kostet schnell mehr als ein Einfamilienhaus. Für Christoph Schiebel, Tilman Horsinka und die anderen drei Betreiber des „Kurt und Komisch“ in der Würzburger Sanderstraße kommen solche Investitionen nicht in Frage. Die 25- bis 41-Jährigen haben sich getraut, einen Club zu eröffnen, obwohl sie teilweise noch studieren. Das ging nicht ohne Abstriche. In dem kleinen Kellerlokal ist vieles selbst gemacht, auch der bunte Einlasstisch, der aussieht wie ein Kasperletheater.
Doch Marke Eigenbau braucht Zeit. Bevor das „Kurt und Komisch“ im Februar 2014 als Würzburgs neuester Club eröffnen konnte, sind drei Jahre vergangen. Behördengänge mussten erledigt, die Räume neu eingerichtet werden. „Dafür hat der Laden eine sehr persönliche Note“, findet Schiebel.

Dem „Lichtspielhaus“ in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) steht ein Umbau noch bevor. „Die Gäste wollen alle paar Jahre etwas Neues“, sagt Sascha Beeger, dem die ländlich gelegene Disko seit fast zwölf Jahren gehört. Deshalb wird er die Marktheidenfelder Altstadt wohl bald verlassen und in einem nahegelegenen Gewerbegebiet neu aufmachen. Von einem Umzug verspricht er sich außerdem weniger Ärger mit Lärmbeschwerden. In der Vergangenheit war das in Marktheidenfeld häufig ein Problem.
Dass es mit einem hohen Aufwand verbunden ist, eine Diskothek zu führen, kann Stephan Büttner bestätigen. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Diskothekenbetreiber ist selber seit Jahren im Geschäft. Von einem Diskosterben möchte er aber nichts wissen. „Es stimmt, die Branche ist im Wandel. Trotzdem geht es Diskotheken bundesweit betrachtet nicht schlechter.“ Büttners These lautet: Wenn Betriebe schließen, liegt das an schlechter Führung und nicht daran, dass die Disko out ist.
"Lichtspielhaus"-Erfolgsrezept: überschabare Tanzfläche
Sascha Beeger macht sich in Marktheidenfeld zur Zeit jedenfalls keine Sorgen. Seit Jahren ist das kleine „Lichtspielhaus“ der einzige Nachtclub, der sich im ländlichen Spessart erfolgreich halten kann. Das Konzept: Nur eine überschaubar große Tanzfläche und tanzbare Musik, die vielen gefällt. In Ersterem sieht Beeger das Geheimnis seines Erfolges. „Unsere Gäste schätzen die familiäre Atmosphäre. Die Leute haben einfach mehr Bock auf kleinere Läden.“
In Würzburg verfolgt das „Kurt und Komisch“ eine ähnliche Idee. Nur wenige Hundert Gäste passen hier rein, Großraumdisse sieht anders aus. Die DJs sollen ein Publikum bedienen, das in anderen Würzburger Einrichtungen nicht auf seine Kosten kommt. „Es gibt Bedarf für Musik, die nicht im Radio läuft“, so Horsinka zum Konzept. Die Aufgabe der Türsteher besteht darin, Gäste einzulassen, die mit diesem Stil auch etwas anfangen können. „Die Kunst ist, so zu selektieren, dass jeder auf der Tanzfläche Spaß hat.“
Im „Airport“ rückt nach zwei Monaten Umbau die Wiedereröffnung näher, Mitte September soll es so weit sein. Auch hier will man sich verkleinern, statt drei Dancefloors soll es künftig nur noch zwei geben. „Es wird aber weiterhin sowohl elektronische Musik, als auch Hip-Hop gespielt werden“, betont Sengenberger. Einige Gäste hatten befürchtet, dass die neuen Inhaber das „Airport“ zu einem reinen Techno-Club machen. Den Betreibern ist wichtig, nach wie vor eine Vielzahl Besucher, auch aus dem Würzburger Umland, anzusprechen. Mit um die 1000 Gäste bleibt die Kapazität groß. Sengenberger sieht darin einen Vorteil. „Kleine Clubs können die großen DJs nicht bezahlen. Und wir würden gerne größere Namen haben.“
"Für alle Clubs gibt es einen Markt"
Kleine Clubs, familiäre Atmosphäre, große Clubs, bekannte Namen – auf die Frage, welches Konzept er für erfolgsversprechender hält, antwortet Büttner vom Diskoverband ausweichend: „Das ist eine heterogene Branche. Ob groß oder klein, für alle Clubs gibt es einen Markt.“ Am wichtigsten sei, dass die Gastronomen ihre Hausaufgaben machten und ein Gespür für ihre Zielgruppe hätten. In der Region tut jeder Club das Seine, um die Zielgruppe zu bedienen. In Marktheidenfeld will Beeger eine Alternative zu Würzburg oder Aschaffenburg bleiben. „Vielen Eltern ist es lieber, wenn ihre Kinder im Landkreis feiern als die 40 Kilometer nach Würzburg zu fahren.“ Das „Kurt und Komisch“ hat über die Sommermonate geschlossen. Während der heißen Jahreszeit setzen Schiebel und Horsinka lieber auf spontane Open-Air-Partys am Main. Und das „Airport“? Zur Wiedereröffnung im September kommt die Berliner DJ-Größe Fritz Kalkbrenner nach Würzburg. Dass die Tanzfläche dann, wenn alle Bauarbeiter verschwunden sind, wieder voll sein wird, ist zu erwarten.