Zuhauf liegen die Pappelriesen am Mainufer, bereit zur Abholung für eine wirtschaftliche Verwertung. Größtenteils sind sie schon abtransportiert. Rund 50 Holzpappeln, allesamt 40 bis 50 Jahre alt, hat die Stadt in den vergangenen Wochen fällen lassen. Aus Sicherheitsgründen, wie die Aktion dem Stadtrat erklärt wurde: Die Baumsorte sorge ab einem bestimmten Alter durch plötzlichen Astabwurf für Gefahr. Weitere 100 Holzpappeln sollen deshalb in den Mainwiesen noch fallen und durch Neupflanzung mit anderen Sorten ersetzt werden. Eine drastische Maßnahme, die nicht überall auf Verständnis stößt.
Viele Jogger und Spaziergänger am Main merken erst jetzt, welchen Eingriff der Kahlschlag für die Parklandschaft bedeutet. Und die abgesägten Stämme mit zum Teil weit über einem Meter Durchmesser scheinen kerngesund. Bei der Beurteilung des Würzburger Baumbestandes hat Kommunal- und Umweltreferent Wolfgang Kleiner vor einigen Jahren gesagt: In der Stadt müsse es als selbstverständlich gelten, dass beim Wald und Bäumen in den Grünanlagen die Holznutzung eine untergeordnete Rolle spielt. Trotzdem ist man nun stolz auf die wirtschaftliche Verwertung.
Stadtverwaltung und Stadtrat haben für die Fällung von 150 Großpappeln im Zeitraum von drei Jahren die Sicherheit über ökologische Belange gestellt. Nach Recherchen unserer Zeitung ist noch keine Stadt in Deutschland so rigoros mit Großbäumen umgegangen. Inzwischen wird öffentlich über den Kahlschlag diskutiert. Zumal auch klimatische Aspekte eine Rolle spielen. Ein durchschnittlicher Baum mittleren Alters hat rund 30 000 Blätter, die an einem Hochsommertag viele hundert Liter Wasser verdunsten. Das trägt zur Verbesserung des Kleinklimas bei.
Forstmeister Hans Stark von der Uni Würzburg – er hat Erfahrung mit Baumgutachten – hält die Angelegenheit für einen Fall, „den man im Bereich der Philosophie ansiedeln muss.“ Es gebe Probleme mit der Rechtsprechung „und da gibt es sicher sehr tragische Fälle“. Nur sei die Wahrscheinlichkeit, von einem Ast erschlagen zu werden so hoch „wie der Sechser im Lotto“.
Nach den Sicherheitskriterien der Stadt könnten möglicherweise als nächstes die Platanen fallen. Denn einen plötzlichen Astabwurf – Hauptargument für die Rodung der Pappeln – befürchten Wissenschaftler auch bei Platanen. Die berichtete kürzlich die Süddeutsche Zeitung.
Pilzkrankheit bei Platanen
Denn dieser beliebte Stadtbaum, der heute viele Grünanlagen in Würzburg prägt, leidet unter dem Klimawandel. Ein langer trockener Frühling und ein feuchter Sommer – wie extrem im letzten Jahr – bekommt dem Baum nicht. Er reagiert mit der Pilzkrankheit Massaria und Astabwurf. Werden nach den Pappeln also auch Platanen umgesägt?
Nach Auskunft von Christian Weiß, Pressesprecher der Stadt, lässt sich die Massaria-Krankheit bei den Platanen nicht mit den Holzpappeln vergleichen. Auf städtischem Grund gibt es derzeit rund 1450 Platanen, bei rund 20 wurde bisher der Massaria-Pilz festgestellt. Damit sei die Gefahr von Grünast-Abbruch auch weitaus geringer als bei den Holzpappeln. Das Gartenamt versuche durch Kontrollen eine Schädigung zu verhindern. Wenn die Massaria-Krankheit festgestellt wird, würden Äste entfernt und die Bäume eingekürzt. Bei den erkrankten Bäumen am Viehmarktplatz seien nach dem Rückschnitt der befallenen Äste keine weiteren Krankheitssymptome mehr aufgetreten. Eine vorbeugende Fällung von Platanen in größerer Anzahl sei in naher Zukunft nicht angedacht.
Bei den Pappeln sei das ganz anders, heißt es in der Erklärung. Sie seien dauerhaft geschädigt. Trotz regelmäßiger Kontrollen lasse sich das Phänomen der Holzzermürbung auf der Astoberseite nicht erkennen. Dies führe im Sommer zu Grünastabbrüchen. Damit sind die Bäume eine Gefahr für Spaziergänger, Spielplatzbesucher und Erholungssuchende.
Angesichts der kerngesunden Baumstämme bleiben dennoch viele Bürger skeptisch. Die Gutachter, auf die sich die Stadt beruft, halten sich mit Rücksicht auf ihre Auftraggeber zurück. Vom Gutachten des Unternehmens Roland Dengler, auf das die Stadt mit ihrer Entscheidung zurückgegriffen hat, ist lediglich bekannt, dass bei den Pappeln „Handlungsbedarf“ besteht. Wäre also auch eine Baumsanierung möglich gewesen?
Die Stadt Würzburg tut sich schwer mit dem Pappel-Thema. Der Fachbereichsleiter für Umwelt- und Klimaschutz Björn Dietrich meint, man kämpfe um jeden Baum. Er räumt aber ein, dass es auch ein Kampf um Rechtspositionen sei: Weil etwas passieren könnte, wolle niemand ein Risiko für Menschen eingehen und die Verantwortung dafür übernehmen. Deshalb habe auch der Naturschutzbeirat der Fällaktion zugestimmt. Dafür habe es sehr gute Gründe gegeben. Den Wert eines Großbaums will er damit nicht in Frage stellen.