Mit John Paul Jones kommt an diesem Mittwoch, 1. August, ein Musiker nach Würzburg, der wie nur wenige vor und nach ihm Rockhistorie geschrieben hat: John Paul Jones. Beim Hafensommer ist der Bassist mit dem norwegischen Trio Supersilent zu hören. Die drei experimentierfreudigen Soundtüftler fangen bei ihren Konzerten immer wieder bei Null an und lassen sich im Niemandsland zwischen den musikalischen Genres treiben, ein Gebiet, auf dem sich auch John Paul Jones bestens auskennt.
Frage: Mit Led Zeppelin und vor kurzem mit Them Crooked Vultures sind Sie in großen Stadien aufgetreten, jetzt spielen Sie in Würzburg mit Supersilent improvisierte elektronische Musik. Für einen Rockbassisten nicht unbedingt naheliegend. Wie kam es dazu?
John Paul Jones: Das Naheliegende interessiert mich oft nicht. Und ich improvisiere schon lange. Ich habe Musik von John Cage aufgeführt, Ballettmusik für Merce Cunningham geschrieben. Und natürlich haben wir auch bei Led Zeppelin viel improvisiert, auch wenn meistens doch Songs daraus wurden. Eigentlich habe ich mein ganze Musikerleben lang improvisiert. Supersilent habe ich bei einem Festival in London kennengelernt. Arve Hendriksen von der Band hat mich dann für einen Soloauftritt zu einem Festival in Norwegen eingeladen. Dort fragte er mich: „Würdest du gerne zusammen mit meiner Band auftreten?“ Ich fragte zurück: „Was spielt ihr denn so?“ „Darüber sprechen wir nicht“, meinte er. Ich sagte: „Ok!“ Also spielte ich zunächst mein Solostück für Cunningham, das angekündigt war, stöpselte dann meinen Bass in einen Verstärker ein und spielte mit Supersilent ein durchgängig improvisiertes 90-Minuten-Konzert.
Klingt nach musikalischem Abenteuer!
Jones: Das war es auch, aber eigentlich ist mein ganzes Leben ein musikalisches Abenteuer.
Was also kann das Publikum beim Hafensommer-Konzert erwarten?
Jones: Das weiß man vorher nie so genau. Unser Musik kann lieblich und ländlich klingen oder sie kann sich anhören wie der Weltuntergang. Oder sie klingt an einem Abend nach beidem. Alle Musiker haben Computer auf der Bühne, spielen aber auch reguläre Instrumente. Ich selber benutze seit Anfang der 90er Jahre eine Sounddesign-Software namens Kyma. Supersilent habe ich damit angesteckt. Alle drei Bandmitglieder haben Kyma jetzt auch auf ihren Computern. Den Klang meiner Bassgitarre kann ich mit diesem System so manipulieren, dass er nach allem möglichen klingt – und nur noch sehr selten wie ein typischer E-Bass.
Auf Youtube gibt's einen Ausschnitt aus einem Supersilent-Auftritt mit Ihnen – manchmal hat sich da in die Klangwolken auch ein Rhythmus eingeschlichen.
Jones: Noch einmal: Nichts ist geplant! Manchmal überrascht uns ein Beat – vielleicht spiele ich eine Groove oder Arve, wenn er mal am Schlagzeug sitzt, oder aus einer der Computer kommt plötzliche eine Rhythmussequenz. Wir sind während des Konzerts offen für alles, jeder hört den anderen zu. Das ist eine sehr intensive Erfahrung, egal ob ich mit den anderen spiele, einen Richtungswechsel initiiere oder einfach einen Moment Pause mache. Die Musik entwickelt dabei so etwas wie ein Eigenleben.
Wenn vorab nicht über Musik gesprochen wird – bereiten Sie sich auf Auftritte mit Supersilent denn irgendwie vor?
Jones: Aber ja. Ich arbeite ständig an meinem Computersystem, und die anderen Musiker tun das sicherlich auch. Ich selbst programmiere immer wieder neue Algorhitmen, mit denen musikalische Signale verarbeitet werden. Die kann ich wechseln, während ich spiele – dadurch klingt der Bass mal lieblich und melodisch klingen, mal hart und technoid. Samples verwende ich übrigens keine – alle Klänge, die man hört, sind live erzeugt.
Sie scheinen das Spiel mit Supersilent sehr zu genießen – für Herbst ist sogar eine Tournee in Großbritannien geplant.
Jones: Das angenehme ist, es gibt keine Proben und wir müssen uns auf Auftritte nicht gemeinsam vorbereiten. Dadurch habe ich Zeit für andere Projekte. Derzeit komponiere ich beispielsweise eine Oper nach der „Geistersonate“ von August Strindberg. Das ist viel Arbeit, deswegen spiele ich in keiner Band, sondern nur in Projekten, die wenig zusätzlichen Zeitaufwand erfordern. Das kann sehr einfacher, groovender Blues sein wie bei meinem Auftritten mit Seasick Steve, dessen letztes Album ich produzierte habe, oder hochkomplexe Elektronik wie mit Supersilent.
Led Zeppelin werden wir wohl nicht mehr als Band erleben können, aber werden wir irgendwann Neues von Them Crooked Vultures hören?
Jones: Led Zeppelin ruht in Frieden, aber Them Crooked Vultures gibt es weiterhin. Ich habe guten Kontakt zu den Jungs. Wenn wir noch einmal was machen, wird es aber sicher zunächst ein neues Album und dann eine große Tournee geben. Das ist erst möglich, nachdem ich meine Opernkomposition abgeschlossen habe. Einige Arien habe sind zwar schon fertig, aber so eine Oper ist eine Menge Arbeit, damit bin ich mindestens noch ein Jahr beschäftigt.
Karten, Kino und Konzert: An diesem Dienstag, 31. Juli, ist beim Hafensommer wieder Kino angesagt. Die Älteren sehen sich diesen Kultfilm aus dem Jahr 1966 sicher gerne noch einmal an, für die Jüngeren ist er eine dicke Empfehlung: „Blow Up“ von Michelangelo Antonioni. Beginn an der Hafenbühne ist um 21.30 Uhr. Karten sind ausschließlich an der Abendkasse erhältlich. Auch für das Konzert von John Paul Jones und „Supersilent“ am Mittwoch, das um 20.30 Uhr beginnt, gibt es noch Karten an der Abendkasse.
John Paul Jones
Als Bassist der britischen Bluesrock-Überflieger Led Zeppelin ist der Brite, Jahrgang 1946, berühmt geworden. Von 1968 bis 1980 hat John Paul Jones viele Zeppelin-Songs arrangiert, und es waren erst seine fantasievollen Soundexperimente, die viele dieser Stücke so unverwechselbar machten. Jones war aber schon immer mehr als nur der Bassist in einer außergewöhnlichen Rockband. Seine breites musikalisches Interesse dokumentiert sich schon dadurch, dass er vor seiner Zeppelin-Zeit für so unterschiedliche Künstler wie Herman's Hermits, Donovan, Yardbirds, Jeff Beck, Francoise Hardy, Memphis Slim oder Champion Jack Dupree arrangierte und spielte. Erst 1999, also fast 20 Jahre nach dem Ende von Led Zeppelin, nahm John Paul Jones sein erstes Soloalbum auf. „Zooma“ mit experimentellem Jazzrock erschien auf dem Label von King Crimson-Gitarrist Robert Fripp.