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WÜRZBURG: Josef Schuster beklagt Rechtsruck in Deutschland

WÜRZBURG

Josef Schuster beklagt Rechtsruck in Deutschland

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    Josef Schuster will vier weitere Jahre Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland  bleiben. Das Bild zeigt ihn im Sprechzimmer seiner Praxis in Würzburg.
    Josef Schuster will vier weitere Jahre Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland bleiben. Das Bild zeigt ihn im Sprechzimmer seiner Praxis in Würzburg. Foto: Foto: Dita Vollmond

    Er hoffe, nicht ständig nur als Mahner wahrgenommen zu werden, sagte Josef Schuster, als er im November 2014 zum Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt wurde. Viel lieber noch würde er von der Vielfalt, der Lebendigkeit und den Traditionen jüdischen Lebens erzählen. Ein Wunsch, der sich, wenn überhaupt, nur ansatzweise erfüllt hat. In Zeiten wachsenden Extremismus und Rechtspopulismus ist der Mahner Schuster gefragter denn je. Ende November kandidiert der 64 Jahre alte Internist aus Würzburg für eine zweite, vierjährige Amtszeit.

    Hätte ihm jemand vor drei Jahren gesagt, dass eine rechtspopulistische Partei wie die AfD mit einem zweistelligen Wahlergebnis in den Bundestag einzieht und nach der Hessenwahl am Sonntag in allen Landtagen vertreten sein wird, hätte er dies nicht für möglich gehalten, sagt Schuster. „Dinge, die als unsagbar galten, werden nun gesagt.“ Er erinnert an Björn Höcke, der das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin ein „Denkmal der Schande“ nannte oder Alexander Gauland, der die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Geschichte“ relativierte. „Da haben sich rote Linien verschoben“, ein Rechtsruck in der Gesellschaft sei unverkennbar.

    Unruhe unter deutschen Juden

    Auch die Zahlen antisemitischer Übergriffe seien gestiegen. Schuster sagt, er sei überrascht gewesen, dass seine Aussage, er empfehle, sich als Jude in manchen Vierteln deutscher Großstädte nicht zu erkennen zu geben und lieber keine Kippa auf dem Kopf zu tragen, für Schlagzeilen gesorgt hat. Diese Vorsichtsmaßnahme sei schließlich Alltag im Leben vieler Juden. Es bestehe kein Grund zu Panik, aber eine Unruhe unter den rund 100 000 Mitgliedern jüdischer Gemeinden in Deutschland lasse sich nicht leugnen. Schüler werden wegen ihres Glaubens attackiert. In den sozialen Medien werde Antisemitismus unverhohlen und längst nicht mehr nur anonym geäußert.

    Von den demokratischen Parteien erwartet Schuster „klare Kante“, wenn Minderheiten bedroht werden, wenn Rechtsradikale wie in Chemnitz („das hatte eine neue Qualität“) durch die Städte marschieren, Ausländer jagen und ein jüdisches Restaurant überfallen. Aber auch, wenn muslimische Einwanderer Davidstern-Fahnen verbrennen. Was Provokationen seitens der AfD betrifft, warnt Schuster davor, „über jedes Stöckchen zu springen, das die Partei hinhält“. Manche Tabubrüche müssten thematisiert werden, häufig aber sei „Missachtung“ die sinnvollere Reaktion.

    „AfD ist keine Partei für Demokraten“

    Dass sich aber auch ein gutes Dutzend Juden in der AfD engagiert und diese zuletzt einen parteiinternen Arbeitskreis gegründet haben, dafür hat der Zentralratspräsident kein Verständnis. Die AfD sei „keine Partei für Demokraten“. Wer heute gegen Muslime hetze, nehme womöglich bald auch andere Religionen ins Visier. So stehe im bayerischen AfD–Wahlprogramm die Forderung nach einem Verbot der Beschneidung und des koscheren Schächtens. Schuster: „Das gefährdet die Religionsfreiheit.“

    In dieser Haltung sieht der 64-Jährige die beiden christlichen Kirchen an seiner Seite. Trotz gelegentlicher Irritationen, etwa wenn in Eichstätt ein junger Mann zum Priester geweiht werde, der zuvor durch antisemitische Äußerungen aufgefallen war, bestehe ein gutes Einvernehmen. Entsprechend freue er sich, dass der Vorsitzende der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am 8. November, dem Vorabend des 80. Jahrestags der Reichspogromnacht, mit ihm in Würzburg über „Herausforderungen einer modernen Gedenkkultur“ diskutieren.

    Erinnerung wachhalten

    Die Erinnerung an die Shoa wachzuhalten und gleichzeitig über modernes, jüdisches Leben zu informieren und Vorurteile somit erst gar nicht entstehen zu lassen, das bleibt Schusters Credo für eine zweite Amtszeit an der Spitze des Zentralrats. Dass er dabei auch weiterhin als Mahner wider Rassismus und Antisemitismus gefragt sein wird, weiß der 64-Jährige.

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