Ein Mann im besten Alter sitzt hinter seinem Mischpult. Aus den Boxen, für die er locker einen schicken Jahreswagen kaufen hätte können, hört man ein wildes Schlagzeugsolo. Jürgen Daßing, der Leiter des Tonstudios Würzburg, dreht ein einem der geschätzten drei Millionen Reglern, Knöpfen und Hebeln. „Es dauert immer ein bisschen, bis die Tomtoms richtig klingen“, kommentiert der 47-Jährige seine Arbeit. Statt des dumpfen „dum – dum – dum“ dröhnt jetzt ein etwas weniger dumpfes „dam – dam – dam“ aus den Lautsprechern. „Jaaa, jetzt wird's langsam“, sagt Jürgen Daßing freudestrahlend. Für Laien ist der Unterschied nicht nennenswert – dem Musikproduzenten zieht es die Mundwinkel fast bis zu den Ohren.
Jürgen Daßing leitet das Tonstudio Würzburg in der Schürerstraße 9. Dort können junge Bands ihre ersten Studio-Erfahrungen sammeln, Lieder und ganze Alben produzieren. So wie „Shaky Foundation“. Schlagzeuger, Jannis Scheurich, spielt gerade ein paar Rhythmen für das erste Studio-Album der jungen Band ein. „Die Jungs sind wirklich gut. Letztes Jahr hatten sie 20 Live-Auftritte, von Hamburg über Berlin bis nach München“, lobt Daßing seine Schützlinge.
In Würzburg gibt es noch zwei weitere Tonstudios: Jam Productions in der Gneisenaustraße und Sonic Storm im Neuen Hafen. Jürgen Daßing unterscheidet sich von ihnen in einem Punkt: Er ist nicht nur Produzent, er ist auch Dozent. Für Musikinteressierte bietet Jürgen Daßing, mit Hilfe einiger anderer Musiklehrer, Kurse für alle erdenklichen Instrumente an. Von Gitarre, über Saxophon, Schlagzeug, Kontrabass und Klavier, bis hin zum Gesangstraining reicht die Palette des Tonstudios. Eine Besonderheit ist der Kurs „Tontechnik/Musikproduktion“. Dabei kann jedermann den Umgang mit Equalizer, Verstärker, Mischpult und eben den drei Millionen Knöpfen lernen. „Natürlich gibt es auch einen Theorie-Teil. Man muss die Technik hinter den Geräten ja halbwegs verstehen“, sagt Daßing, „aber im Endeffekt lernt man in dem Kurs durch das Ausprobieren der Funktionen“. Der Clou: Hat man die Grundlagen der Tontechnik verstanden, kann man entweder eigene Songs mischen, oder an anderen Musikern üben, die im schallgedämmten Aufnahmeraum proben.
„Zum Beispiel könnte ich einem meiner Tontechnik-Schüler am Mischpult demonstrieren, wie man Spuren verschiedener Mikrofone richtig mischt, während auf der anderen Seite der Scheibe ein Schüler gerade Gitarre spielt.“ So hätte der Gitarrenspieler seine Fortschritte auf einer CD festgehalten – und der angehende Tontechniker hätte eine gute Übung gehabt, um sein Wissen im Praxiseinsatz zu testen.
Inzwischen steht auf der anderen Seite der Scheibe Maximilian Seeger, der Sänger und Gitarrist von Shaky Foundation. Er sitzt in der Mitte des Aufnahmeraums, etliche Mikrofone richten sich auf seine Gitarre. Jürgen Daßing erklärt, warum er welchen Kanal lauter oder leiser dreht, welche Mikrofone er eingesetzt hat und warum man aus den Lautsprechern im Aufnahmeraum nur das Ticken des Metronoms und das Gitarrenspiel von Maximilian Seeger hört, der Musiker im Aufnahmeraum auf den Kopfhörern aber das ganze Lied braucht.
„Shit in. Shit out.“
Jürgen Daßing, Musikproduzent über gute und schlechte Aufnahmen
Verblüffend: Nach etwa zwei Stunden Theorie und Reglerdrehen machen die vielen Knöpfe langsam Sinn. Zumindest, wenn man nicht vergisst, das Head-Mikrofon laut genug zu drehen. Die einzelnen Spuren der anderen Mikros funktionieren nicht ohne das große Head-Mikro, das das ganze Klangbild auffängt. „Ah, ich zeig dir mal was“, platzt es aus Jürgen Daßing heraus. Er springt von seinem Bürostuhl auf, holt aus einem Schrank eine Miniaturausgabe seines riesigen Mischpults. „Das hat im Prinzip die gleichen Funktionen, wie das Riesenteil hier“, erklärt der Tontechniker, während er das kleine Mischpültchen auf das Profi-Equipment stellt. „Das verwende ich, wenn ich ganz blutigen Anfängern die Grundlagen der Tontechnik oder Musikproduktion erkläre.“
Die erste Unterrichtseinheit im Tontechnik-Kurs sieht übrigens immer gleich aus: Der Dozent prüft erst einmal, wieviel sein Schüler schon von der Materie versteht. „Im Prinzip kann vom 14-Jährigen, der ordentliche Aufnahmen von sich oder seiner Band machen will, bis zum Halb-Profi jeder zu mir kommen und etwas lernen“, sagt Daßing. 60 Minuten Einzelunterricht pro Woche kosten zum Beispiel 129 Euro im Monat. Als Zweier-Gruppe zahlt man nur 59 Euro pro Schüler
Im Tonstudio in der Schürerstraße tummeln sich auch professionelle Musiker. So haben die drei Jungs von Shaky Foundation keinen Kurs belegt, sondern stehen dort unter Vertrag. Jürgen Daßing gibt nämlich nicht nur Unterricht, er fördert junge Bands aus der Stadt. Dabei beschränkt er sich nicht auf sein eigentliches Fachgebiet, das Aufnehmen und Abmischen von Studioaufnahmen. Er hilft Musikern beim Promoten, verschafft ihnen Auftritte und versucht Kontakte zu knüpfen. So hilft er „Shaky Foundation“ bei Crowdfunding-Finanzierung für ihr erstes Album. Das System funktioniert so: Musikbegeisterte sollen auf der Internetseite www.startnext.de/shaky-foundation-cd. für die Produktion des Albums spenden – ist das Album dann fertig, bekommen die Spender die CD zugeschickt.
Und obwohl die Millionen Knöpfe, Regler und Programme wie Autotune helfen, den Sound einer Aufnahme zu verbessern, glaubt Daßing an das alte Tontechniker-Credo: „Shit in – shit out.“ Soll heißen, wenn der Künstler sein Instrument nicht beherrscht und deshalb keine gute Aufnahme zustande bringt, kann der Toningenieur daraus keine Wunderdinge zaubern. Bei „Shaky Foundation“ aber – da ist sich Jürgen Daßing sicher – ist keine Zauberei nötig.
Mehr Informationen zum Tonstudio Würzburg und den Kursen und Preisen unter www.tonstudio-wuerzburg.de. Alle Infos zu „Shaky Foundation“ und dem neuen Album: www.startnext.de/shaky-foundation-cd