Wo sonst Teller und Gabeln taktlos aneinander klirren, wo Tabletts aufeinandergestapelt auf einem Laufband klappern, da klingen nun zarte Violinen, atmosphärische Trompeten und melodische Xylophone. Die Mensa im Sieboldgymnasium ist dieser Tage Schauplatz der Proben eines ganz speziellen Musikensembles. Hier wird fleißig geprobt, damit am Wochenende zwei große Konzerte gespielt werden können.
„Es ist schon etwas Besonderes, in einem so großen Orchester ganz vorne zu sitzen“, sagt Agnes Binzenhöfer. Die 17-Jährige spielt die erste Geige im Projektorchester der Jungen Philharmonie Würzburg und ist schon seit vielen Jahren begeistert dabei. Mit anderen jungen Musikern im Alter zwischen 13 und 23 Jahren, probt sie seit Montag an Werken von Leonard Bernstein oder Georg Gershwin. Was nach Alltag in einem Orchester klingt, ist dann doch ein bisschen anders, als die Arbeit von Profimusikern. Immerhin opfern gerade 67 junge Musiker ihre Herbstferien, um freiwillig an dem Projekt teilnehmen zu können.
„Wenn man Lust hat gute Mucke zu machen, ist es egal, woher man kommt“
Nach nur fünf Tagen Proben steht am Samstag das erste große Konzert an. „Natürlich bin ich immer aufgeregt, aber ich freue mich auch sehr auf die Auftritte“, so Binzenhöfer. Sie hat sich in den letzten Jahren von der zweiten Geige bis zur Konzertmeisterin hochgearbeitet.
Bereits die 19. Projektphase
Die Junge Philharmonie wurde 2007 auf Initiative von Kulturreferent Muchtar Al Ghusain ins Leben gerufen. Für eine Kulturstadt der Größenordnung Würzburgs mit einer Hochschule für Musik, einer Sing- und Musikschule, einem musischen Gymnasium und einem eigenen Philharmonischen Orchester stellt das Jugendsymphonieorchester eine erfrischende Ergänzung dar. Interessierte Jungmusiker können sich für die Ferien anmelden und so professionell ins Orchesterleben eintauchen. Dabei probt die Philharmonie zweimal im Jahr eine Woche lang und schließt die intensiven Projektphasen mit Konzerten vor bis zu 800 Zuschauern ab. Die zusammengewürfelte Truppe spielt Werke der Klassik, Romantik und der Moderne.
„Bei den Holzbläsern brauchen wir noch etwas mehr Kontur“, fordert Hermann Freibott bei einer Probe, während er mit seinem Taktstock durch die Luft wedelt. Der Dirigent und Künstlerische Leiter ist Gründungsmitglied der Jungen Philharmonie und erlebt die mittlerweile 19. Projektphase. „Die jungen Leute sind mit so viel Enthusiasmus dabei. Das macht die Sache unglaublich reizvoll“, sagt Freibott. Er versucht Jahr für Jahr ein Programm zu erstellen, das für interessierte Jugendliche machbar, aber auch attraktiv ist. „Das Niveau ist natürlich unterschiedlich. Die Starken helfen den Schwächeren aber am Ende kriegen wir ein anständiges Ensemble hin“, so der Dirigent optimistisch.
Uraufführung von Werk eines Jungkomponisten
Neben dem ohnehin anspruchsvollen Projekt gibt es ab diesem Jahr eine Neuerung. Unter dem Motto „Junge Philharmonie spielt Junge Musik“ findet erstmals eine Kooperation mit der Kompositionsklasse der Würzburger Hochschule für Musik statt. „Unser Ziel ist, dass jedes Jahr ein Absolvent der Kompositionsklasse ein Stück für die Junge Philharmonie schreibt“, sagt Sybille Linke, Fachbereichsleiterin Kultur der Stadt Würzburg.
Den Auftakt zur neuen Reihe macht dieses Jahr der Jungkomponist Johannes Kern. Neben Werken etablierter Künstler, gibt es also auch Musik von einem Würzburger Studenten zu hören.
Der 24-Jährige absolvierte dieses Jahr sein Abschlussexamen in Komposition an der Hochschule für Musik und schrieb ein eigenes Schlagzeugkonzert für das Projektorchester. „Ich habe daran ungefähr ein Jahr gearbeitet. Es ist für viele verschiedene Instrumente mit verschiedensten Klangfarben gedacht“, sagt Kern über sein virtuoses Werk, das am Samstag zur Uraufführung kommt. Sein langjähriger Freund Konstantin Mann gibt das Stück als Solist an Xylophon und Vibraphon zum Besten. Der 22-Jährige war schon sechs Mal bei der Jungen Philharmonie und kennt die Vorteile des Projekts. „Für mich war das die erste Möglichkeit überhaupt, in einem großen Orchester mitzuspielen“, so Mann. Demnach sei die „JuPhi“ ein einzigartiges Projekt, dessen Entwicklung von Tag zu Tag sichtbar ist. „Am Montag läuft gar nichts, Dienstag verstehen die Leute langsam, wie die Töne funktionieren und ab Mittwoch hört man schon ein echtes Stück“, sagt der leidenschaftliche Schlagzeuger und Paukenspieler.
Mehr als nur gemeinsam musizieren
Neben den Erfahrungen, die die Musiker im professionellen Rahmen machen können, ist das Projektorchester auch ein sozialer Treffpunkt. „Die meisten kommen über die Jahre immer wieder zu uns. Viele haben hier Freunde gefunden und würden sonst ja auch nicht ihre Freizeit opfern“, erklärt sich Dirigent Freibott die stabile Beteiligung der Schüler im Laufe der letzten Jahre. „Es macht viel Spaß und die Arbeit hält mich auch jung“, so Freibott.
Dieses Jahr spielen zum ersten Mal acht Tschechen im jungen Orchester mit. Zu großen Verständnisproblemen führt das aber nicht. „Wenn man Lust hat gute Mucke zu machen, dann ist es völlig egal, welche Sprache man spricht und wo man herkommt“, sagt Konstantin Mann und freut sich schon auf die Auftritte am Wochenende.
Die Konzerte finden am Samstag, 5. November, um 20 Uhr in der Augustinerkirche und am Sonntag, 6. November, um 18 Uhr in der Hochschule für Musik Würzburg (Großer Saal, Hofstallstraße 6-8) statt. Der Eintritt ist kostenlos.