Zellingen (MEG) Am 29. März 1945 um 130 Uhr wird Karl Weiglein im Garten seines Anwesens in Zellingen an einem Birnbaum durch Erhängen hingerichtet. Die Leiche muß, von zwei Soldaten bewacht, drei Tage lang hängen bleiben und wird dann heimlich nach Laudenbach bei Karlstadt gebracht und dort verscharrt.
Weiglein war vom "Fliegenden Standgericht" des "Auffangstabes der VII. Armee" zum Tod verurteilt worden - wegen Meuterei und Wehrkraftzersetzung. Das Standgericht unter der Leitung von Major Erwin Helm und Bruno Otto Bähr, das seine Schrecken in den letzten Kriegswochen vor allem nördlich von Würzburg und in Oberfranken verbreitete, gehörte zu den brutalsten Werkzeugen des Nazi-Regimes, mit denen die deutsche Bevölkerung zur "Verteidigung bis zu letzten Patrone" gezwungen werden sollte.
In Zellingen war am 28. März die Mainbrücke gesprengt worden, das benachbarte Anwesen von Karl Weiglein wurde durch die Druckwelle beschädigt. Das veranlasste den aufgebrachten Bauern zu der Bemerkung "Es gehören die aufgehängt, welche den Befehl zur Brückensprengung gegeben haben".
Wie Helmut Veeh in seinem Buch "Die Kriegsfurie über Franken" berichtet, wurde diese Äußerung dem Führer des Zellinger Volkssturm zugetragen. An diesem Tag war gerade das "Fliegende Standgericht Helm" in Zellingen eingezogen.
Der Major aus Wittlich/Eifel war mit der Führung des "Auffangstabes der VII. Armee" beauftragt worden. Er hatte die Aufgabe, während des Rückzugs versprengte Soldaten zu sammeln und den kämpfenden Einheiten zuzuweisen. Er war befugt, über geflohene Soldaten Standgericht zu halten.
Als Major Erwin Helm über das Verhalten von Karl Weiglein unterrichtet wurde, soll er ausgerufen haben: "Der Mann wird gehängt". Er berief ein Standgericht unter dem Vorsitz von Bruno Otto Bähr ein und ließ Karl Weiglein in seinem Haus verhaften. Dieser gab zu, über die Brückensprengung geschimpft zu haben. Ein Antrag der zwei Beisitzer auch Zeugen zu vernehmen, wurde vom Vorsitzenden abgelehnt.
Als sich die Beisitzer, zwei Zellinger Volkssturm-Männer, weigerten, das Todesurteil anzuerkennen, wurden sie abgesetzt und selbst mit einem Standgericht bedroht. Major Helm ließ das von ihm schon vor Stunden selbst verfasste Todesurteil verlesen und bestätigte es auch gleich als zuständiger Gerichtsherr.
Nach der Hinrichtung bestieg Major Helm seinen feldgrauen Mercedes mit dem Schild "Fliegendes Standgericht" und fuhr davon. Am gleichen Tag wurde in Arnstein Bürgermeister Leonhard Herbst angeklagt, weil er die deutschen Truppen aufgefordert hatte, seine Stadt aus der Verteidigungslinie herauszunehmen und so eine kampflose Übergabe an die US-Truppen zu ermöglichen. In Erwartung eines Todesurteils beging Herbst am Arnsteiner Wasserwerk Selbstmord.
Im März und April 1945 hatte das "Fliegende Standgericht Helm" mindestens 56 Todesurteile verhängt und vollstreckt. Am 11. September 1953 wurden Bruno Otto Bähr und Erwin Helm dafür vom Landgericht Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt. Über zwei weitere Angehörige des Auffangstabes verhängte das Landgericht Würzburg Freiheitsstrafen von sechs und drei Jahren.
Quellen: "Die Kriegsfurie über Franken" von Helmut Veeh und "Justiz und NS-Verbrecher", Band IV und X.