Draußen vor dem Ochsenfurter Rathaus herrscht Dunkelheit. Drinnen aber ist es hell und laut und voll. Die Butzenscheiben in den Fenstern des Sitzungssaales sind beschlagen, weil so viele Menschen das Rathaus bevölkern: Es ist Kauzensitzung. Die Ochsenfurter sind mit Freuden zurückgekehrt zur alten Tradition der ersten Stadtratssitzung im Jahr für alle, komplett mit Musik, Reden und dem Trunk aus dem Kauzenpokal.
Es wird viel gelacht an diesem Abend. Drinnen im Saal wie draußen im Foyer, wo all diejenigen sitzen, die der altehrwürdige Raum nicht fassen konnte. Gelacht wird, als Bürgermeister Peter Juks eine „kurze“ Laudatio aus dem Mund von Altbürgermeister Peter Wesselowsky ankündigt. Gelacht wird auch, als der Autor und Neubürger Leander Sukov vom pulsierenden Nachtleben in der Ochsenfurter Altstadt schwärmt.
Aber der Reihe nach. Wie es Brauch ist, spricht zunächst der Bürgermeister. Für ihn ist die Kauzensitzung Plattform für den Gedankenaustausch, den es zu einer konstruktiven Zusammenarbeit im neuen Jahr braucht. Bedeutende Aufgaben gebe es in der Stadt etliche, sagt Juks. Handel und Gewerbe zu stärken etwa. Ochsenfurts Stellung als Mittelzentrum zu wahren und zu stärken. Auch die Sanierung der Grund- und Mittelschule, die finanziell bisher im Rahmen bleibe, soll so weiter laufen.
Juks will auch die Chancen nutzen, die sich aus einer Anlegestelle für Hotelschiffe ergeben. An einem runden Tisch sollen dazu Ideen entwickelt werden. Dass die beiden Mainufer in diesem Bereich aufgewertet werden müssen, ist für den Bürgermeister klar. Die Ortsteile will er darüber aber nicht vernachlässigt sehen. Die Maßnahmen zur Dorferneuerung in Hopferstadt und Goßmannsdorf sollen vielmehr fortgesetzt beziehungsweise begonnen werden. Von Gemeindeentwicklungsplänen sollen die übrigen Ortsteile profitieren.
Auch Joachim Eck, seines Zeichens dritter Bürgermeister, hat sich Gedanken über Ochsenfurt gemacht und einige prägnante Merkmale entdeckt. So könne jeder auf der Wetterkarte die Lage der Stadt problemlos ausmachen, sagt Eck. Denn Ochsenfurt sitze genau in der Spitze des Maindreiecks.
„Hier sah ich zum ersten Mal einen Bürgermeister, der sein Rathaus selbst abschließt“
Leander Sukov, Schriftsteller und Neu-Ochsenfurter
Ochsenfurt hat ferner zwei Rathäuser, eine uralte Brücke auf technisch neuestem Stand und sämtliche wichtigen Bildungseinrichtungen bis auf eine Gymnasium. Diese Scharte wetze die Stadt aber aus, indem sie den Schulleiter des Marktbreiter Gymnasiums stelle.
Gemeint ist Anton Gernert, der an diesem Abend eine ganz besondere Auszeichnung erhält: einen Ehrenring der Stadt, der ihm für sein langjähriges Engagement im Stadtrat verliehen wird. Ex-Bürgermeister Rainer Friedrich, der ebenfalls einen Ehrenring erhält, hat sich entschuldigt. In der Laudatio, die Peter Wesselowsky hält, werden trotzdem beide gewürdigt. Friedrich als geselliger Bürgermeister, der den ihm im Amt gestellten Herausforderungen mit vollem Einsatz begegnet sei. Und Gernert als bisweilen anstrengender, aber redlicher Stadtrat mit einer großen Leidenschaft für Geschichte, der es gewohnt war, in seiner 30-jährigen Amtszeit auch dicke Bretter zu bohren.
Da man Positives über die eigene Heimatstadt besonders gern aus unabhängigem Munde vernimmt, sorgt die anschließende Lesung von Leander Sukov für ein allgemeines Wohlgefühl. Sukov ist natürlich so unabhängig nicht, da inzwischen ebenfalls Ochsenfurter aus Leidenschaft. Der Schriftsteller zog 2014 gemeinsam mit seiner Partnerin Simone Barrientos aus Berlin zu. Er lebt und arbeitet gegenüber dem Rathaus und beschreibt in seinem neuen Büchlein „Ochsenfurter Geschichten“ seine Eindrücke als Neubürger in unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses. „Hier sah ich zum ersten Mal einen Bürgermeister, der sein Rathaus selbst abschließt“, verrät er.
Eine Stadt wie aus dem Vorspann der Vorabendserie „Kommissar Freitag“, sagt Sukov über Ochsenfurt. Sauber, aber nicht Kulisse. Eine lebenslustige, frohsinnige Stadt. Die Kauzensitzung des Jahres 2015 zeigt, dass Sukov das richtig sieht. Nach dem von Astrid Eitschberger und Mitgliedern des Collegium Musicum Iuvenale Ochsenfurt musikalisch umrahmten offiziellen Teil beginnt das gemütliche Beisammensein. Frankenwein gibt es für den Durst und Neujahrsbrezen für den Hunger. Spendiert hat sie Günter Sieber, der damit in die Fußstapfen seines Vaters Heinz tritt. Viele Jahre lang hatte dieser zur Kauzensitzung die Brezen beigesteuert.
ONLINE-TIPP
Mehr Bilder von der Ochsenfurter Kauzensitzung im Internet unter www.mainpost.de/ochsenfurt.