Es ist eine lange Tradition, mit der OB Georg Rosenthal da bricht: Seit Ende der 50er Jahre spricht neben dem Oberbürgermeister ein katholischer Würdenträger, zumeist der Bischof selbst, Dankes- und Grußworte beim Neujahrsempfang der Stadt Würzburg. Nun, am kommenden Sonntag, endet dieser Brauch. Bischof Dr. Friedhelm Hofmann wird keine Rede halten, denn die Stadt hat einen anderen Mann für die Neujahrsworte gewählt: Professor Dr. Theodor Berchem, langjähriger Universitätspräsident und jetzt im Ruhestand, wird das für 2012 erledigen.
Was ist der Grund, dem Vertreter der vielen Katholiken im Bistum nach so vielen reibungslosen Jahren nun das Wort zu entziehen? Immerhin gab es im vergangenen Jahr 71 110 römisch-katholische Gläubige bei 137 110 Würzburgern. Das ist mehr als als die Hälfte der Einwohnerschaft.
OB Georg Rosenthal begründet die Wahl eines anderen Zweitredners so: „Der Neujahrsempfang der Stadt Würzburg ist ein Empfang für alle Bürgerinnen und Bürger aber auch Gruppierungen und Gemeinschaften innerhalb der Stadt. Jeder von diesen trägt dazu bei, dass diese Stadt lebenswerter wird und vielfältig ist“, schreibt das Stadtoberhaupt an die Redaktion.
„Die Gesellschaft ist auch insgesamt pluraler, bunter und vielfältiger geworden, als sie noch vor wenigen Jahren war. Beim Neujahrsempfang der Stadt sollten sich deshalb auch alle Glieder der Stadt wiederfinden können. Wir als Stadt wollen hier vielstimmiger wahrnehmbar sein und damit das Leben abbilden." Und daher spricht der ehemalige Präsident der Universität Würzburg, Prof. Dr. Theodor Berchem. Bischof Hofmann ist zwar als Gast geladen, aber eben nicht als Redner. Nach Informationen dieser Zeitung wird er nicht an dem Empfang teilnehmen. Das bestätigte sein Sprecher Bernhard Schweßinger. Statt seiner kommt Stadtdekan und Dompfarrer Dr. Jürgen Vorndran als Vertreter der katholischen Kirche.
Schweßinger begründet die Abwesenheit: „Der Bischof geht üblicherweise nicht zu Neujahrsempfängen. Die Stadt war bisher eine Ausnahme, da er als Redner geladen war. Da er in diesem Jahr nicht spricht, nutzt er die Gelegenheit, einen anderen wichtigen Termin im Bistum wahrzunehmen.“ Hofmann wird das 200. Jubiläum der Wallfahrtskirche in Schmerlenbach feiern.
2011 hieß es in vielen Medien noch: „Alle Jahre wieder spricht der Bischof.“ Und wie er vor einem Jahr sprach. Er beklagte da die wachsende Trennung von Staat und Kirche. Ob der Oberhirte prophetische Gaben hat und die veränderte Situation im Würzburger Rathaus vorhersah?
Theodor Berchem ist in Würzburg eine bekannte Persönlichkeit. Er stand 28 Jahre an der Spitze der Alma Mater und ist ein Mann vieler Auszeichnungen und großer Weltoffenheit. Alleine 13 ausländische Universitäten verliehen ihm den Ehrendoktor. Auch nach seiner Pensionierung war Berchem noch im Dienste der Universitäten für verschiedene Institutionen unterwegs.
Der Neujahrempfang der Stadt beginnt um 11 Uhr im großen Ratssaal. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.