Eine positive Reaktion gab es auf den Artikel „Kein Sportrollstuhl für 15-Jährige“ in der Ausgabe vom 9. September in dieser Zeitung. Sowohl die Krankenkasse als auch der Bezirk Unterfranken hatten es abgelehnt, Anita Baumann (Name von der Redaktion geändert) so ein Hilfsmittel für das Basketball spielen zu finanzieren. Auf Initiative von Michael Gerr, Stadt- und Bezirksrat des Bündnis 90/Die Grünen, springt nun möglicherweise die Katharina Witt-Stiftung ein und bezahlt der Jugendlichen den etwa 3400 Euro teuren Rollstuhl.
„Es ist enttäuschend, dass Krankenkasse und Bezirk sich aus ihrer Verantwortung stehlen, denn das bedeutet, dass man alles, was über die nötigste Grundversorgung behinderter Menschen hinausgeht, ins Private verschiebt“, teilte Michael Gerr mit, der selbst im Rollstuhl sitzt. Dabei gebe es spätestens seit 2009 mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention eine neue gesetzliche Grundlage für ein Recht auf soziale Teilhabe, die vom Staat zu sichern sei.
In Artikel 30 heißt es dort: „Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Teilhabe an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, (...) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, behinderungsspezifische Sport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren, zu entwickeln und an solchen teilzuhaben.“
Gerr wies darauf hin, in der Konvention sei die Rede von der Förderung von „Ressourcen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen“. Andere Jugendliche könnten zum Beispiel Basketball spielen ohne dafür ein relativ teures Gerät zu benötigen.
„Richtig ist, dass der Bezirk Eingliederungshilfen im Rahmen des Sozialhilferechts leistet, er muss also auch Einkommen und Vermögen prüfen“, erklärte Gerr. Die Behindertenverbände forderten deshalb, dass die Eingliederungshilfen aus der Sozialhilfe herausgenommen würden und Leistungen zur Teilhabe weitgehend vermögens- und einkommensunabhängig gewährt würden. Dies solle in einem Bundesgesetz geregelt werden. Bereits jetzt gelte jedoch der Satz: „Was angemessen ist und wann eine besondere Härte vorliegt, liegt allein in der Entscheidungshoheit der Sozialhilfeträger.“ „Der Bezirk kann also leisten, wenn er will“, betonte Gerr. Allerdings schränkte er auch ein, dass die Bezirke nicht mit genügend Geld vom Freistaat ausgestattet würden und die Kommunen nur begrenzt belastbar seien. „Der Staat insgesamt muss Farbe bekennen, welchen Wert der soziale Zusammenhalt hat.“
„Alles, was über die nötigste Grundversorgung behinderter Menschen hinausgeht, wird so ins Private verschoben.“
Michael Gerr, Mitglied des Stadtrats und Mitglied des Bezirkstages
Nachdem Gerr in der Quizsendung „Rette die Million“ erfahren hatte, dass die Katharina-Witt-Stiftung unter anderem Sportrollstühle finanziert, erinnerte er sich an den in dem Zeitungsartikel geschilderten Fall. Seine Anfrage an die Stiftung ergab, dass eine Kostenübernahme für Privatpersonen unmöglich sei, eine Finanzierung wäre aber über einen gemeinnützigen Verein wie Würzburg – Selbst bestimmt Leben (WüSL) machbar.
Gerr, der im Vorstand dieses Vereins ist, würde sich sowohl um die Herstellung des Kontakts als auch den Verfahrensablauf kümmern. Aber: „Der Verein WüSL und ich als Bezirksrat sind der Meinung, dass private Gelder oder Stiftungsgelder nicht die staatliche Verantwortung für Teilhabe gerade auch behinderter Jugendlicher ersetzen sollten.“ Wenn man aber konkret helfen könne, sollte man es tun.
„Falls die Finanzierung über die Stiftung klappt, würde sich unsere Tochter riesig freuen“, hob Frank Baumann hervor. „Das wäre eine tolle Sache, denn wir waren mit unserem Latein am Ende und hätten keine Lösung mehr gewusst.“