Er ist ein „Digital Native“ im wahrsten Sinn, einer, der sich in der digitalen Welt von Anfang an heimisch fühlte, die Entwicklung des virtuellen Netzes seit dessen ersten Maschen mitverfolgte und die erworbene Medienkompetenz engagiert weitergibt: Herbert Schmidt ist zusammen mit Peter Wisshofer Macher des Internetcafés im Caritas Seniorenzentrum St. Thekla in der Würzburger Sanderau.
Schon Mitte der 80er Jahre arbeitete Schmidt am Personalcomputer. Der sei ihm eine wertvolle Hilfe gewesen. „Was damals schon von Nutzen war ist es heute immer noch. Nur die Möglichkeiten haben sich gewaltig verändert und erweitert“ so Schmidt. Und die nutzen nun Hunderte von Seniorinnen und Senioren in der Region, um auch in der Isolation während der Ansteckungsgefahr mit dem neuen Coronavirus geselligen Spaß zu haben und sich zu bilden.
Das Internetcafe „Von Senioren für Senioren“ gibt es schon seit über 20 Jahren. Alles sei vorbereitet gewesen für die Geburtstagsfeier im April. Über 100 Gäste hätten sich angekündigt, erzählen Schmidt und Wisshofer. Dann sei alles anders gekommen. Aus Vorsicht wurde das Internetcafé im Caritas Seniorenzentrum St. Thekla geschlossen.
Wisshofer, Vorsitzender des Vereins Internet „Von Senioren für Senioren“, und Schmidt, der das Internetcafé initiiert hatte, nutzen ihre Erfahrung mit der digitalen Plattform ZOOM, und sagten sich: „Was in Industrie und Verwaltung genutzt wird, müsste auch für die Kommunikation zwischen Älteren möglich sein.“ Und so entstand die Idee zum virtuellen Stammtisch, die sofort umgesetzt wurde. Seit 17. März treffen sich täglich ab 14 Uhr Seniorinnen und Senioren auf dem Bildschirm.
Neben Stammtischgeplauder gibt es Veranstaltungen zu besonderen Themen, wie den Bericht von einer Weltreise mit dem Motorrad oder eine Autorenlesung. Dazu gab es zwei Großveranstaltungen, nämlich die virtuelle Geburtstagsfeier des Internetcafés und den Kiliani-Seniorennachmittag mit virtuellem Schunkeln.
Zwetschgenkuchen nur im Bild
Schunkeln über den Bildschirm? Kommt das an? Die Atmosphäre sei natürlich eine ganz andere als bei realen Veranstaltungen, sagt Schmidt. Aber die Besucherinnen und Besucher kommen direkt ins Bild und zu Wort. Es gebe immer eine lebhafte Beteiligung. Klar, der direkte soziale Kontakt, das Nebeneinander am Kaffeetisch seien ja leider nicht möglich. Und so sei es wirklich eine Schwäche des virtuellen Treffens, wenn jemand einen Zwetschgenkuchen mit Sahne ins Bild bringt und die anderen in die Röhre gucken, witzelt Schmidt.
Es wird klar: Nicht nur Herbert Schmidt machen diese virtuellen Treffen großen Spaß. Der Stammtisch über ZOOM kommt an. Mehr als 800 Menschen waren schon da, erzählen die beiden Initiatoren. Die meisten seien aus Unterfranken, aber es seien auch schon Gäste aus ganz Deutschland und den USA dagewesen. So 25 seien Stammgäste.
Dabei seien allerdings nur wenige Frauen, so Schmidt. Der Frauenanteil im Internetcafé liege dagegen über 60 Prozent. „Warum das so ist, konnten wir noch nicht klären. Wir wissen von ähnlichen Angeboten, dass es dort aber genau anders herum ist.“
Berührungsängste mit dem Digitalen nehme er bei den Seniorinnen und Senioren im Internetcafé nicht wahr, sagt Schmidt. „Der älteste Besucher war 94 und kam mit einem nagelneuen Tablet.“ Wen allerdings die fehlende Ausstattung daran hindert, die virtuelle Welt zu erforschen, kann sich diese ab Oktober leihen. „Wir werden zehn Tablets und drei Smartphones inclusive SIM-Karte für acht Wochen kostenfrei zur Verfügung stellen“, so Schmidt. Die Software sei vorinstalliert, so dass die Inbetriebnahme einfach sei. Eine gedruckte Anleitung liege bei und erleichtere den Einstieg. Und dann helfen ja auch die Leute vom Internetcafé direkt. „Wir sind gespannt, wie viele Menschen sich für dieses Angebot interessieren werden“, so Schmidt.
94 und ein nagelneues Tablet
Wenn wieder realer Besuch im Internetcafé möglich ist, soll der virtuelle Stammtisch in irgendeiner Form weiterbestehen. „Täglich wird es ihn dann nicht mehr geben. Aber die Thementage und reduzierte Öffnungszeiten werden sicher bleiben“, überlegt Schmidt.
„Ohne den Zwang, den Corona ausgeübt hat, würde es den virtuellen Stammtisch nicht geben“, sind Wisshofer und Schmidt überzeugt.
Informationen über das Internetcafé gibt es virtuell unter wuenet.org. Die Zugangsdaten für den virtuellen Stammtisch sind t1p.de . Wenn man bei Tablet oder Smartphone die ZOOM App verwendet, ist die Meeting ID 707 036 410. Registrierung oder Anmeldung ist nicht erforderlich.