Im Sommer lassen sich Bäume gut über die Blätter oder ihre Früchte bestimmen. Baumblätter sind sehr unterschiedlich in ihrer Größe, Farbe und Form. Aber wie funktioniert das im Winter, wenn die Äste kahl sind und kein Blatt mehr hängt? „Es gibt bestimmte Merkmale, anhand derer man auch im Winter Bäume bestimmen kann“, sagt die Biologin Franziska Kubisch. Welche das sind, erzählt sie bei einer Führung durch den Botanischen Garten in Würzburg.
Ob klein oder groß, mit Nadeln oder Blättern – 90 verschiedene Baumarten wachsen laut der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in unseren Wäldern. 30 wichtige Bäume sollte man nach Ansicht von Biologen kennen. Dazu zählen zum Beispiel Fichte, Buche, Eiche, Birke, Apfelbaum, Ahorn, Hainbuche, Kastanie, Eberesche oder Erle. „Im Winter erkennt man sie zunächst an ihrem Habitus, also der Form des Baumes mit seiner Krone, den Ästen und Zweigen“, erklärt Kubisch. Die ausgebildete Naturpädagogin bietet immer wieder Führungen für Erwachsene und Kinder zu diesem Thema an.
Nadelbäume erkennen ist einfacher
Relativ einfach ist die Bestimmung von Nadelbäumen, denn sie sind immergrün, das heißt auch im Winter bleiben die Nadeln an den Bäumen. „Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie Lärche oder Sumpfzypresse, die ihre Nadeln jedes Jahr abwerfen.“ Die anderen Nadelbäume erneuern ihre Nadeln laufend. Zur Bestimmung von Koniferen kann die Länge der Nadeln, die Nadelstellung, die Anordnung der Nadeln, die Farbe der Nadeln, die Zapfen sowie die Rinde des Baumes herangezogen werden. Die Farbe der Nadeln bei Koniferen reicht übrigens von grau (Grautanne) über grün bis hin zu blau (Blaufichte).
Raus in die Natur!
Schon als Kind ist Franziska Kubisch mit ihrer Großmutter oft im Garten gewesen: „Meine Oma war der totale Pflanzenfreund. Ich glaube, das hat mich sehr geprägt und ich war als Kind immer draußen.“ Dass die Kinder heute viel Zeit vor dem Smartphone oder Computer und weniger in der Natur verbringen, findet Kubisch schade. „Auch unsere Studenten wissen heute nicht mehr viel über die Natur und Pflanzen im Speziellen“, sagt Kubisch, die als Dozentin an der Universität Würzburg Didaktik der Biologie unterrichtet.
Betrachtet man Laubbäume aus der Nähe, sind Rinde und Knospen verlässliche Merkmale für die Bestimmung. „Die Knospen sind die Überwinterungsorgane der Bäume und Sträucher. Hier sind bereits Blüten oder Blätter für das Frühjahr angelegt“, erklärt Kubisch. Knospen sind sehr abwechslungsreich was Farbe, Form, Behaarung oder Anordnung der Schuppen betrifft. So ist etwa die Knospe der Rosskastanie äußerst groß, klebrig und braun. Die Knospen des Feld-Ahorns sind beispielsweise grün, die der Winter-Linde je nach Sonneneinstrahlung rot.
Weshalb die Knospen wichtig sind
Die Knospen entstehen, kurz bevor die Blätter abfallen, meist schon im Oktober oder November, sagt die Biologin. Sie werden bereits im Herbst angelegt und enthalten Laub- oder Blütenanlagen oder beides. Außen sind sie von speziellen Schutzorganen, den Schuppen, umgeben. „Diese Knospenschuppen aus Niederblättern oder Nebenblättern dienen als Transpirations-, aber auch als Temperatur- und Strahlungsschutz während kalter und sonniger Wintertage.“ Daher sind sie meist recht derb und häufig behaart oder von einer harzähnlichen Balsamschicht überzogen.
Die meisten Bäume findet man natürlich im Wald: In Deutschland sind 32 Prozent der Landesfläche bewaldet, insgesamt sind das elf Millionen Hektar. Die fünf häufigsten Baumarten hierzulande sind Fichten (26 Prozent), Kiefern (23 Prozent), Buchen (16 Prozent), Eichen (9 Prozent) und Birken (4 Prozent).
Feine Merkmale erkennen und Sinne schulen
Bäume zu beobachten schult die Sinne. So erkennt man neben der groben Unterscheidung Laub- oder Nadelbaum nach einiger Zeit auch die feinen Merkmale: Welche Nadeln hat der Baum? Wie ist der Stamm beschaffen? Wie sehen Kronen und Knospen aus?
Bei einem Spaziergang lohnt es sich, auch mal auf den Stamm der Bäume zu achten: „Das Eindringlichste ist bei der Birke die weiße Borke.“ Weiß mit schwarzen Flecken leuchtet die Birkenrinde im winterlichen Garten. Die Borke der Eiche zum Beispiel ist stark rissig. „Kinder dürfen bei meinen Führungen die Baumrinden mit Wachsmalkreide abzeichnen“, sagt die 31-Jährige, die gerne eine eigene Kräuter- und Pflanzenschule eröffnen würde. Sie selbst ist viel in National- und Naturparks unterwegs: „Dort ist die Natur noch verhältnismäßig unberührt.“
Heilkraft der Bäume
In vielen Kulturen wird der Baum verehrt und auch in Bildern und Skulpturen dargestellt. So gilt der heilige Baum oft als Sinnbild für das ewige Leben, als Hüter der Weisheit, als Schutz- und Kraftquelle. Und Bäume sind auch nützlich: So werden aus Weiden Körbe gemacht. Am meisten fasziniert Kubisch die Heilkraft. So kann man junge Buchenblätter sogar essen. „Sie schmecken klein gehackt im Salat“, sagt die Biologin. Die Tinktur der Birke soll zum Beispiel gut für das Haarwachstum sein. „Die Blüten der Linde sind ein altes Heilmittel gegen Erkältungen.“
Der Botanische Garten im Winter Neun Hektar groß ist die Nutzfläche des Botanischen Gartens der Universität am Würzburger Dallenberg. Der Garten hat 15 Gewächshäuser mit einer Grundfläche von insgesamt 2500 Quadratmetern. Von den Anzuchts- und Versuchsgewächshäusern abgesehen, sind sie größtenteils öffentlich zugänglich. So führt der Weg im Schauhauskomplex von immerfeuchten Tieflandregenwäldern, die die Tropen-Fülle vermitteln, über den Bergnebelwald mit Baumfarnen bis zu subtropischen Trockengebieten der Erde. In den Wintermonaten bis 31. März ist der Botanische Garten täglich von 8 bis 16 Uhr geöffnet, auch an Wochenenden und Feiertagen. Die Gewächshäuser schließen 30 Minuten vor Gartenschluss. Der Eintritt ist kostenlos. An diesem Sonntag, 4. Dezember, ist um 14 Uhr Naturführung für Familien mit Kindern. Biologin Dr. Franziska Kubisch erklärt dann: „Wie erkenne ich Bäume im Winter?“ Infos: www.bgw.uni-wuerzburg.de Buchtipps: Detlev Arens, Der Deutsche Wald, Komet Verlag Köln, 2013. Bernd Schulz, Taschenatlas Knospen und Zweige: 270 Gehölze im Winter bestimmen, Eugen Ulmer Verlag, 2014.