Der berufliche Werdegang ist eigentlich vorgezeichnet: katholischer Priester soll Josef Wördehoff werden. Doch als es den jungen Mann aus Paderborn Mitte der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts nach Würzburg verschlägt, hat er andere Dinge im Kopf. Für ihn kommt nur das Studium der Medizin in Frage. An der Universität besucht Wördehoff auch die Vorlesungen von Wilhelm Conrad Röntgen, die "furchtbar langweilig" waren. Er erlebt Blinddarm-Operations-Techniken, bei denen der ganze Darm "herausgestülpt" wurde. Und die Patienten werden vor den Eingriffen chloroformiert.
Studiosus Wördehoff lernt Maria Michel kennen. Sie ist die dritte Tochter des damaligen ersten Bürgermeisters und späteren Ehrenbürger Ritter von Michel. Vier Kinder entstammen der Ehe - drei Söhne und eine Tochter.
Erste berufliche Erfahrungen sammelt der Jungmediziner als Armenarzt bei Prof. Georg Matterstock. Tag für Tag suchen Tuberkulose- und Typhus-Patienten seine Hilfe. Am 14. Mai 1904 eröffnet Dr. Josef Wördehoff seine eigene Praxis in der Neubaustraße/Ecke Peterstraße.
Während des Ersten Weltkrieges übernimmt er in Nord-Italien an der Isonzofront als verantwortlicher Arzt eine Typhusstation. Die 20er Jahre: Dr. Wördehoff trägt jetzt Cut, Vatermörder und Lackschuhe. Der Duft einer guten Zigarre begleitet ihn. Die Menschen kennen und grüßen den korrekt gekleideten Herrn, der Zeitung lesend durch Würzburgs Straßen schreitet und sich abends in der Klosterschänke am Franziskanerplatz einen Schoppen gönnt. 1908 gründet der zum Sanitätsrat avancierte Mediziner mit Kollegen die Schwesternschule am Mönchberg.
Zu der für heutige Verhältnisse eher dürftigen Standardausstattung einer Allgemeinarzt-Praxis gehören Hörrohr, Personen- und Säuglingswaage. Reagenzgläser, handbetriebene Zentrifuge, Lackmuspapier und Bunsenbrenner wie ein so genanntes Lavor für die Reinigung der Hände. Elektrisches Licht und fließendes Wasser kommen erst später. Nicht zu übersehen und in der Wirkung nicht zu unterschätzen: der Spruch "Frankenwein ist Krankenwein" - gerahmt im Wartezimmer. Einen Führerschein für Automobile lehnt der Doktor strikt ab. Das erledigt seine Frau, die ihn mit einem schwarzen 328-er BMW zu den Patienten chauffiert.
Am 16. März 1945 wird die Praxis in der Bombennacht durch eine Luftmine völlig zerstört. Dr. Wördehoff kommt bei seiner Tochter in Höchberg unter. Ans Aufhören kann der nun 70-Jährige nicht denken. Ärzte werden zur Stunde Null erst recht gebraucht. Inmitten der Ruinen wird in einer klitzekleinen, noch intakten Wohnung eine provisorische Praxis eingerichtet. Wenn überhaupt, gibt's als Honorar für die Behandlung mal Rübensirup, mal ein paar Eier oder einen Kohlkopf.
"Röntgens Vorlesungen waren langweilig"
Praxisgründer Josef Wördehoff
Acht Jahre lang steht Josef Wördehoff noch im Dienst an seinen Patienten. Dann, 1953, übergibt er die Praxis seinem Sohn Dr. Hans Wördehoff. Der ist Jahrgang 1919, hat in der Kindheit Unmengen Bücher verschlungen und hat mit knapp 17 Jahren das Abitur in der Tasche: die erste Gymnasialklasse übersprungen, die letzte gestrichen, weil mehr Jugendliche im Reichsarbeitsdienst gebraucht werden.
Danach beginnt Hans Wördehoff das Medizinstudium an der Würzburger Uni mit Chemie, Physik, Zoologie und Anatomie. Als die Universität schließt, wechselt der Student nach München und muss 1940 die Wehrmachtsuniform anziehen. Der Krieg verschlägt ihn nach Flandern, dann nach Russland. 1941 zum Sanitätsunteroffizier befördert, darf er 1942 weiter studieren. Nach Examen und Promotion 1944 wird Wördehoff wieder eingezogen und als Unterarzt in einem Lazarett eingesetzt. Verwundet und in US-Kriegsgefangenschaft geraten, wird er am 31. März 1946 in die Heimat entlassen.
Es geht aufwärts: Schon im Sommer des gleichen Jahres trifft man ihn als Assistent im Pathologischen Institut wieder. 1949 bildet er sich als Volontärarzt in der "Inneren" am Würzburger Luitpold-Krankenhaus bei Prof. Ernst Wollheim weiter.
Bis 1985 führt Dr. Hans Wördehoff die vom Vater begründete Praxis und bezog Anfang der 70er Jahre Praxisräume in der Theaterstraße.
Am 1. April 1985 übernimmt Dr. Albrecht Wördehoff die väterliche Praxis. Die dritte Generation hat jetzt das Sagen. "Fast alle Patienten, die mein Vater betreut hatte, sind bei mir geblieben", freut sich der Dritte in der "Dynastie" und stellt fest, dass sich in den vergangenen 20 Jahren der Patiententyp verändert habe. Durch Literatur, Medien oder Internet informiert, sei dieser viel kritischer geworden; der Arzt müsse immer mehr als Partner auftreten - sei es bei der Behandlung oder bei der Vorbeugung.
Das 100-jährige Praxisjubiläum wurde gebührend gefeiert. Bürgermeister Dr. Adolf Bauer gratulierte und erhielt eine Geld-Spende an die Stadt. Eine weitere Spende erhielt auch Oswald Keller, Vorsitzender des Vereins Kinderklinik am Mönchberg, die einst von Josef Wördehoff mitgegründet worden war.