In die Geisterbahn steigen und sich gruseln lassen – das kann ja jeder, dachten wir uns. Also tauschen Lena und ich einen Nachmittag lang die Rollen und schlüpfen selbst in die dunkle Seite der Macht. Wir spielen Geist im Fahrgeschäft „Spuk“. Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung.
Über eine Hintertür gelangen wir ins Innere der Bahn. Hier liegen verschiedenste Gruselutensilien bereit: Masken, Umhänge, Skeletthände bis zur Kettensäge. Gar nicht so einfach, sich für ein Outfit zu entscheiden. Lena krallt sich die Skeletthände, ich entscheide mich für die Säge. Viel Zeit bleibt nicht, dann kommen auch schon unsere ersten Opfer: eine Gruppe Jungs. Schnell noch die Maske aufgesetzt, den Umhang umgezogen und schon machen wir uns ans Werk:
„Waaaaaaaaa“ schreien wir unisono aber noch etwas ungeübt, ich halte die Säge hoch, aus dem Lautsprecher kreischt eine Kettensäge. Die Kids lachen und fahren weiter. So haben wir uns das eigentlich nicht vorgestellt.
„Leute zu erschrecken, das lernt man schnell“, macht uns Geisterbahnmitarbeiter John van Hest Mut. Auch er ist damals ins kalte Wasser geworfen worden. Gruseln sei auch nach vielen Jahren noch genauso spannend für ihn, sagt er. Dabei ist es für den Schausteller lange nichts Neues mehr. Seit 2008 arbeitet van Hest in der Geisterbahn – mal als Geist, mal am Eingang, wo er die Wagen los schickt. Am liebsten ist er aber hinter den Kulissen, verkleidet, mit der Kettensäge in der Hand. Seine Lieblingsreaktion? „Ganz klar – wenn die Leute schreien! Am liebsten habe ich es, wenn die Mädchen kreischen“, sagt er und lacht.
Auch wir lachen uns kaputt – über jedes erschreckte Gesicht, in das wir blicken. „Ein cooler Job“, stellen wir fest. Aber nicht unbedingt der leichteste, wie uns Mitarbeiter van Hest verrät. Denn so ein Tag auf dem Kiliani-Volksfest auf der Talavera kann auch mal von 9 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts gehen. „Bevor um 14 Uhr die ersten Gäste kommen, müssen wir noch putzen und die Bahn kontrollieren.“ Zeit, sich in Würzburg umzuschauen, bleibt den Schaustellern da nicht.
Lena wird langsam mutiger, beugt sich über die Fahrgäste und berührt sie mit ihren Skeletthänden. Ich verstecke mich hinter einem Vorhang und springe erst dann hervor, wenn die Bahn direkt neben mir vorbei fährt. Langsam haben wir den Dreh raus: Die Leute fangen an, sich tatsächlich zu gruseln. Vor uns. Jedes Kreischen wird zum echten Erfolgserlebnis.
Etwa im Dreiminutentakt fahren die Wagen an uns vorbei. Die Gruselgäste sind ganz verschiedenen Alters: Kinder und Teenager, aber auch ein paar jung Gebliebene sind darunter. „Die Geisterbahn wird immer noch total gerne gefahren“, sagt Richard Sipkema. Seit sechs Jahren betreibt der Holländer die Gruselbahn „Spuk“, die durch die Niederlande, Deutschland und die Schweiz tourt. Nach dem Kilianifest geht es für die Schausteller nach Sénevé.
Immer nur unterwegs sein? Das ist dann doch nichts für uns. Außerdem wird es langsam ganz schön warm unter unseren Umhängen. Wir entscheiden uns für frische Luft und mischen uns unter das Kiliani-Volk. Was für ein Spaß: Kinder verstecken sich hinter ihren Eltern, Jugendliche pfeifen uns hinterher, die Erwachsenen winken uns zu. In der Sonne wird es uns aber auch nicht kühler.
Eins lassen wir uns am Ende aber trotzdem nicht nehmen: einmal als Geist die Geisterbahn zu fahren. Wollen wir doch mal sehen, wer sich hier am meisten fürchtet.