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OCHSENFURT: Kinkele leidet unter der Krise

OCHSENFURT

Kinkele leidet unter der Krise

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    76,9 Millionen Euro hat das Unternehmen im Rekordjahr 2008 umgesetzt, berichtet Friedrich Kinkele den CSU-Politikern, die zum Firmenbesuch gekommen sind. Darunter die Europa-Abgeordnete Anja Weißgerber, die Bundestagsabgeordneten Marion Seib, Paul Lehrieder und Ochsenfurter Stadträte.

    Rund sieben Millionen Euro Steuern habe die Firma daraus bezahlt, darunter 1,6 Millionen Euro Gewerbesteuern an die Stadt. Da sei es nur richtig, wenn die Politik ihre Mittelständler „hätschelt und tätschelt“, so der für offene Worte bekannte Unternehmer.

    Die gegenwärtige Lage des Unternehmens ist schwierig, obwohl Kinkele als Auftragsfertiger für rund 30 Branchen tätig ist. In früheren Abschwungphasen seien einzelne Industriezweige unterschiedlich stark betroffen gewesen. Durch das breite Tätigkeitsfeld von Kinkele sei es gelungen, Rückgänge zu kompensieren. Diesmal jedoch zieht sich die Depression durch alle Branchen. Vor allem der Export lahmt, und der macht bei Kinkele rund 80 Prozent des Umsatzes aus.

    Die Zahl der Beschäftigen sank krisenbedingt auf 320. In Spitzenzeiten waren es fast 500. Von Zeitarbeitskräften habe man sich vollständig getrennt. Auch die Zahl der Lehrlinge müsse Kinkele heuer reduzieren. Früher waren es bis zu 50 neue Azubis pro Jahrgang. Diesmal werden es weniger sein, „ich denke zehn“. Trotzdem liegt die Ausbildungsquote weiterhin bei rund 25 Prozent, ein Spitzenwert.

    Daran und am erfahrenen Stammpersonal will Kinkele auf jeden Fall festhalten. Das gut qualifizierte Personal sei das wichtigste Kapital für den Alleskönner unter den deutschen Maschinenbau-Zuliefern, sagt Friedrich Kinkele. Fatal wäre es, wenn nach Bewältigung der Krise die guten Leute fehlen würden. Um den Engpass zu überbrücken, arbeiten seit Januar bis zu zehn Prozent der Beschäftigten kurz.

    Lieber hatte Kinkele im vergangenen Jahr Besuchergruppen durchs Werk geführt. Damals waren die Auftragsbücher übervoll. Ab November begann die Nachfrage zu bröckeln. Heute leidet der Betrieb und mit ihm der gesamte Maschinenbau vor allem unter der großen Unsicherheit an den Märkten und den hohen Lagerbeständen bei den Kunden.

    Die hatten angesichts steigender Rohstoffkosten und langer Lieferzeiten im Frühjahr 2008 eifrig auf Vorrat bestellt, und sitzen nun auf ihren Anlagen.   Wenn die weltweite Produktion wieder anzieht, werden erst die Bestände abgebaut, bevor die Fertigungsunternehmen neue Aufträge bekommen, vermutet Kinkele-Vertriebsleiter Steffen Schwerd.

    Zeugnis davon geben große Holzkisten auf dem Freigelände. Sei enthalten riesige Vakuumkammern, wie sie bei der Herstellung von Flachbildschirmen und Fotovoltaik-Modulen benötigt werden. Ein amerikanischer Kunde hat sie bestellt und – zum Glück – bezahlt. Der asiatische Endabnehmer hat seine Investition gestoppt. Nun warten die Anlagen in Hohestadt auf bessere Zeiten. Das macht die Einschätzung der Krise schwierig. „Niemand weiß,...   ...wie hoch das Marktvolumen derzeit überhaupt ist“, sagt Schwerd.

    Domäne von Kinkele bleiben schwierige Sonderanfertigungen, Einzelaufträge, Prototypen, besonders große Aggregate. „Sie werden den modernsten Zuliefererbetrieb Deutschlands sehen“, verspricht Friedrich Kinkele seinen Besuchern vor der Führung durch die Fertigung. Die Größe der Zerspanungs- und Schweißautomaten beeindruckt ebenso wie Dimension und Bestimmungszweck der gefertigten Teile. Antriebe für Ölbohrinseln auf hoher See, ein überdimensionaler, ultrapräziser Ring, der einmal die Außenhülle der Ariane-5-Rakete zusammenhalten wird.

    Vor allem die Energietechnik hat Kinkele in den zurückliegenden Jahren Aufträge beschert, seien es nun Teile für Windkraftanlagen oder für Kernkraftwerke. Aber auch an sehr ungewöhnlichen Aufträgen wird derzeit gearbeitet, darunter zwei Spiegelteleskope und ein Getriebe für die zukünftig größte Uhr der Welt. Es soll einmal in Saudi-Arabien an der Spitze eines 600 Meter hohen Turms die Zeiger über ein 43 Meter großes Zifferblatt bewegen.

    Aus der Spezialisierung auf schwierige Fälle schöpft Vertriebsleiter Schwerd Hoffnung. Viele Unternehmen setzen in der Krise auf Innovation und Neuentwicklungen, sagt er.   „Wir sind diejenigen, die die Prototypen bauen, daraus beziehen wir unseren Optimismus“. Bevor die Räder wieder rund laufen, werden allerdings nach seiner Einschätzung noch einige Monate vergehen. Im Sommer erst rechnet Schwerd mit dem Erreichen der Talsohle. Frühestens im ersten Quartal 2010 wäre dann mit spürbarer Erholung zu rechnen.

    Schwieriger als die fundamentalen Daten wiegen derzeit Angst und Verunsicherung, so Steffen Schwerd. Die merkt er in allen 30 Branchen, in denen Kinkele tätig ist. „Alles wird heruntergeredet, alle sitzen da wie das Kaninchen vor der Schlange“, meint er. Bei der demnächst beginnenden Hannovermesse will Kinkele deshalb ein Kontrapunkt setzen. Größer noch als im vergangenen Jahr soll der Messeauftritt ausfallen.

    Doch auch aller Optimismus kann über die Besonderheiten dieser Krise nicht hinwegtäuschen.

    Anders als in der Vergangenheit scheinen diesmal alle Industriezweige gleichermaßen betroffen zu sein. „Früher lief irgendwo immer noch was“, erinnert sich Friedrich Kinkele, „diesmal weiß man nicht, wo man ansetzen soll.“

    Fest steht für den Unternehmer nur eines: Ewig wird auch diese Krise nicht dauern.

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