A lles begann, weil Frauchen Rosi Scheiner niemanden hatte, der mit ihr an den Weinbergen am Rande Würzburgs joggen ging. Weil Zweibeiner ihr entweder zu langsam waren oder aber diverse Zeitpläne ein Mitrennen verhinderten, kam sie auf den Hund. Also auf mich. Mein Name ist Funny, ich bin ein vierjähriger Dobermann-Mix und - ohne allzu unbescheiden zu sein - eine sehr kluge Hündin.
So klug, dass ich vor ein paar Wochen in der Dortmunder Westfalen-Halle bei der Weltmeisterschaft im Obedience meinen Kollegen vormachen durfte, was die später unter Wettkampfbedingungen zu leisten hatten.
Natürlich war ich der Beste aller 96 Teilnehmer aus 15 Ländern, schließlich war ich der Vorführ-Hund. Gemein nur, dass ich nicht Weltmeister werden durfte, weil ich halt kein reinrassiger Vierbeiner bin, sondern "nur" ein Mix. Lediglich reinrassige Fifis durften sich bei dieser ersten Weltmeisterschaft in Deutschland anmelden.
Aber was soll's? Die andern hatten halt die Rasse - ich dagegen die Klasse. Immerhin: Ich war der allererste Mischling (kein schönes Wort, ich höre das auch nicht gerne), der den Reinrassigen zeigen durfte, welche Anforderungen an Hund und Mensch gestellt werden. Aber ich will ja hier nicht angeben, sondern lieber ein wenig erzählen, wie's bei mir zu Hause in der Veitshöchheimer Straße so zugeht.
Natürlich war mein Frauchen nicht immer so talentiert, um mit mir öffentlich auftreten zu können. Aber schnell merkte sie, dass ich bei den verschiedenen Hundeschulen, die sie mit mir als Welpe besuchte, doch deutlich unterfordert war. Ein bisschen "Sitz", ein wenig "Platz", das ist für einen außergewöhnlichen Hund wie mich allenfalls alberne Kinderei. Anspruchsvoller sollte es schon sein. Also ging ich mit Frauchen auf Tier-Seminare. Diese Wochenend-Lehrgänge gibt es wirklich. Sogar Motivationstraining ist dabei: "Tschakka Tschakka" für aufstrebende Führungskräfte mit vier Beinen.
Bei einem solchen Seminar im Schwarzwald lernten Rosi und ich auch Obedience kennen. Das war im Jahr 2001, dem Jahr, in dem diese Sportart gerade in Deutschland noch in den Welpenschuhen stand. Obedience ist so was wie ein Wettbewerb für intellektuelle Hunde. Ein harmonisches Zusammenspiel der ungleichen Partner Mensch und Tier wird gefordert. Übungen ohne Zwang: Ich muss also, um den Richtern zu gefallen, so tun, als würde ich meinem Frauchen begeistert folgen und alle Übungen auf Zuruf exakt ausführen. Die einzelnen Übungen kennen Herrchen oder Frauchen nicht. Sie werden während des Tests im Parcour von den Prüfern eingeflüstert. Das ist zwar ganz schön kompliziert, aber für mich kein Problem.
Schon ein Jahr später haben wir die Prüfung in der Klasse eins (Anfänger) geschafft. Ich wurde Dritter hinter zwei Border-Collies, um in den nächsten beiden Jahren in den beiden darüber stehenden Klassen zu gewinnen. Nicht ein einziger Border-Collie hatte noch eine Siegchance. Bei der Weltmeisterschaft in Dortmund (bei der ich ja nicht in Konkurrenz mitmachen durfte - Sie wissen ja warum...) gewannen in allen Kategorien diese kleinen struppigen Vierbeiner, die sonst immer nur Schafe hüten.
Ich möchte ja nicht gegen die Border-Beller meckern. Schließlich lebt in meiner Familie mit Emma ein solches Tier, dem durchaus eine gewisse Portion Klugheit zugesprochen werden kann. Auch Kasimir, ein viereinhalbjähriger Dackelmix und Chaos, der viermonatige Zwergpudel-Irrwisch haben in unserer Familie genug Aufgaben, die auch in einem Hundeleben nicht uninteressant sind. Wir betreuen behinderte Menschen, helfen anderen, nicht ganz so klugen Hunde bei der Erziehung, schleppen unser Hausschwein Josephine durch den großen Garten - und kümmern uns natürlich auch um den Rest der Familie. Herrchen Franz sowie meine menschlichen Geschwister Julia und Benedikt haben ja am Anfang Frauchen Rosi ein bisschen belächelt, als sie mit uns Hunden täglich trainiert hat. Rosi wollte nämlich beweisen, dass alle Hunde - ob reinrassig oder Mix, ob vom Tierheim oder vom Züchter - in der Lage sein können, richtig gescheite Vierbeiner zu werden. Das haben die wohl am Anfang nicht geglaubt. Aber als die ersten großen Pokale die Vitrine schmückten, da haben sie vielleicht geschaut. Und sie werden bald noch mehr gucken: Im Oktober findet die deutsche Meisterschaft im Obedience statt. Ich darf in der offenen Klasse mitmachen. Nicht nur als Vorführhund, sondern als Wettkämpfer. Und natürlich als Favorit.