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Würzburg: Klimaforscher warnt vor Umweltkatastrophen in Unterfranken

Würzburg

Klimaforscher warnt vor Umweltkatastrophen in Unterfranken

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    Erwartet für Unterfranken deutlich mehr Hitzetage bis zum Ende des Jahrhunderts: Professor Heiko Paeth.  
    Erwartet für Unterfranken deutlich mehr Hitzetage bis zum Ende des Jahrhunderts: Professor Heiko Paeth.   Foto: Fabian Gebert

    Knappes Trinkwasser, brütend heiße Innenstädte und an manchen Orten fünf Mal so viele Hitzetage mit Temperaturen über 30 Grad auf der einen Seite. Erdrutsche, Überschwemmungen und Ernteschäden durch Starkregen, Hagel und Tornados auf der anderen Seite: Professor Heiko Paeth, Klimaforscher an der Universität Würzburg, skizziert, was auf den "Hotspot" Unterfranken, zukommt, wenn wir so weitermachen wie bisher.

    Frage: Warum interessieren sich gerade jetzt so viele für die Klimakrise?

    Heiko Paeth: Weil wir anfangen, die Folgen des Klimawandels richtig regional zu spüren, vor allem die allgegenwärtige Trockenheit, die Waldbrände, das Niedrigwasser. Wir merken, wie sich der Klimawandel auf unsere Lebensqualität, auf Lebensrisiken und auf unser Portmonnaie auswirkt. 

    Was wären die Folgen des Klimawandels für Unterfranken, würde die ökonomisch-ökologische Kehrtwende ausbleiben - sprich: es liefe alles so weiter wie bisher?

    Paeth: Wir bekommen etwa das Klima von Bordeaux, mit vier bis fünf Grad Erwärmung im Maintal, im Winter wie im Sommer. Wir hätten 20 bis 30 Prozent weniger Niederschlag im Sommer und etwa zehn Prozent mehr Niederschlag im Winter. 

    2016 bezeichneten Sie Unterfranken als einen "Hotspot des Klimawandels". Sehen Sie das heute - je mehr Daten Sie über die Region sammeln - noch genauso?

    Paeth: Ich würde das heute noch mehr unterstreichen als bisher. Unser Planet hat sich seit Beginn der  flächendeckenden Messungen im Jahr 1881 um 0,9 Grad erwärmt, Unterfranken im gleichen Zeitraum um 2 Grad. Das ist mehr als doppelt so viel wie der globale Durchschnitt! Nur an den Polkappen liegt die Erwärmungsrate jenseits von drei Grad. Nur zwei Regionen in Deutschland sind noch trockener als das Maindreieck: das Leipziger Becken und die Magdeburger Börde. Bis Ende des Jahrhunderts, also  im Zeitraum 2070 bis 2099, wird sich die Zahl der Hitzetage an manchen Orten im Vergleich zum Zeitraum 1970 bis 1999 verfünffachen. Unterfranken ist ein Hotspot! 

    Worüber müssen wir uns hier am meisten Sorgen machen?

    Paeth: Unser größtes Problem ist das Wasser. Wir sind ohnehin eine sehr trockene Region. Der Niederschlag versickert im klüftigen Untergrund. Die Trockenheit wird sich in Zukunft verstärken. Wir werden das Wasser nicht monatelang aus der Donau zu uns herüber pumpen können, wie wir es heute schon im Notfall tun. Wie also halten wir das Wasser in unserem Wasserhaushalt zurück, damit wir auch im Sommer über die Runden kommen? Das zweite Problem ist die Hitze in den Städten. Durch die enorme Staulage in der Würzburger Innenstadt haben wir an manchen Tagen einen städtischen Wärme-Insel-Effekt von sechs Grad. So nennt man den Temperaturunterschied zwischen Stadtmitte und den Gäuflächen außen herum. Sechs Grad in Kombination mit fünf Grad Erwärmung und einer Zunahme der Hitzetage wird das Leben in den Innenstädten nachhaltig verändern. Viele ältere Menschen werden unter der Hitze leiden. Wie also halten wir unsere Städte lebenswert?

    Wird es in Unterfranken in Zukunft noch den Wald oder das Obst und Gemüse von heute geben?

    Paeth: Nadelwald hat überhaupt keine Zukunft mehr. Selbst die Rotbuche im Steigerwald, die so etwas wie das Urgestein der Waldgesellschaften ist, wird nicht mehr zu halten sein. Wir werden von Rotbuche, Fichte, Kiefer auf Hainbuche, Eiche, vielleicht sogar Steineichenwälder übergehen müssen. Der kolossale Waldumbau wird allen Waldbesitzern und denjenigen, die das Brenn- und Bauholz benötigen, viel Geld kosten. Bei Obst und Gemüse werden wir auf andere Sorten umsteigen, künstlich bewässern und Hagelnetze aufspannen müssen. Vieles davon wird heute schon getan.

    Dabei erscheinen die Folgen bei uns noch harmlos im Vergleich zu Ostafrika, oder?

    Paeth: Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das rein physikalische Ausmaß des Klimawandels bei uns glimpflicher ablaufen wird als in der Sahelzone oder in Ostafrika. Wir werden auch mit Dürren kämpfen müssen und haben gleichzeitig einen hohen Wasserbedarf. Wir werden mit lebensbedrohlichen Extremereignissen, vom Tornado über den Winterzyklon bis hin zu Überschwemmungen und Hitzegewittern, konfrontiert. Doch unsere Gesellschaft ist durch Technologie, Versicherungswesen und die Art unserer Behausung widerstandsfähiger als Regionen der Erde, die ihren Bewohnern heute schon nicht mehr genügend Lebensgrundlagen bieten. Wächst die Bevölkerung in Afrika bis 2050 tatsächlich um 1,1, Milliarden Menschen, möchte ich mir den Exodus, der mit dem Klimawandel in Verbindung steht, gar nicht vorstellen.

    Würde nicht zumindest der unterfränkische Weinbau profitieren, wenn es wärmer wird?

    Paeth: Wenn wir weitermachen wie bisher hätten wir in Zukunft, rein thermisch gesehen, fast überall in Unterfranken die Möglichkeit, Wein anzubauen. Denn der "Huglin-Index", der kennzeichnet, wie viel Wärme in einer Region zur Verfügung steht und welche Rebsorten gut gedeihen, hat sich in 200 Jahren erheblich verändert. Erst einmal hört sich das gut an. Auf der anderen Seite wird es dann in 80 Jahren einen Silvaner vom Würzburger Stein oder einen Escherndorfer Lump bei uns nicht mehr geben. Denn Rebsorten wie Müller-Thurgau, Silvaner oder Bacchus benötigen weniger Wärme. 

    Können Sie heute den von Menschen verursachten Anteil am Klimawandel besser aufzeigen als dies in den ersten Klimamodellen der 50er-Jahre möglich war?

    Paeth: Das Klimasystem ist so komplex, dass wir erst seit den 90er Jahren Klima vernünftig simulieren können. Statt einfacher Modelle der Erdatmosphäre haben wir heute Erdsystem-Modelle, die die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean, Vegetation und Boden abbilden. Wir können komplexe Formen der menschlichen Beeinflussung auf das Klima darstellen - Muster, die zeigen, wie sich die Landoberflächen durch Entwaldung oder der Ausdehnung von Wüsten verändern. Die Auflösung der Modelle ist viel besser. Anfangs war Europa durch ein Dutzend Informationen abgedeckt, also etwa eine Information alle 500 Kilometer. Die neuesten Modelle schaffen 80 Kilometer Auflösung. Regionale Klimamodelle gehen runter bis auf den einzelnen Kilometer.

    Eines dieser regionalen Modelle ist das BigData@Geo-Projekt für Unterfranken, an dem 16 mittlere und kleinere Forst-, Obst-, Gemüse- und Weinbaubetriebe beteiligt sind. Diese erhoffen sich Informationen darüber, was in 20 bis 80 Jahren auf sie zukommen könnte. Wie weit sind Sie?

    Paeth: Noch im Laufe dieses Jahres wollen wir eine erste Version des technisch sehr aufwändigen Internetportals vorstellen, in dem ein Landwirt seine Parzelle anklicken und die dortigen Klimabedingungen der Zukunft sehen kann. Dafür müssen Terrabyte an Daten in Form von Grafiken, Tabellen oder Zeitreihen so verständlich dargestellt werden, dass der Landwirt mit deren Hilfe entscheiden kann, was er mit seiner Parzelle macht, wenn sie neu bepflanzt werden muss.

    Dafür entwickeln Sie ein völlig neues Klimamodell, das neben Temperatur und Niederschlag auch  Indikatoren für die Landwirtschaft wie Bodentrockenheit, Überschwemmungsrisiko, Starkwinde und Veränderungen in den Wachstumsphasen der Pflanzen mit einbezieht. Gibt es erste Ergebnisse?

    Paeth: Wir haben herausgefunden, dass sich der Blühbeginn wichtiger Zeigerpflanzen um einen Monat nach vorne verschieben wird. (Anmerkung der Redaktion: Ein Beispiel für eine Zeigerpflanze ist die Forsythie, die mit ihrem Blühen den Frühlingsbeginn in Süddeutschland anzeigt). Die Folge: Spätfröste, wie wir sie 2011, 13, 17 und 18 hatten, schaden Sonderkulturen, Wein und Obst.

    Menschliches Verhalten lässt sich nicht voraussagen: Wie berechnen Sie Ihre Klimamodelle?

    Paeth: Wir treffen unterschiedliche Annahmen und rechnen verschiedene Szenarien durch. Man spannt den möglichen Ereignisraum zwischen "business as usual" (weiter wie bisher) bis hin zu extremem Klimaschutz, nach dem wir in wenigen Jahren das Maximum unserer Emissionen erreichen. Zwischen diesen beiden Extremen wird sich das Klima bewegen. Wir wollen damit aufzeigen, wie viel Klimawandel wir einsparen können, wenn wir jetzt Klimaschutz betreiben.

    Ein Rückgang an Emissionen bedeutet aber noch lange keinen Rückgang der Konzentrationen in der Erdatmosphäre.

    Paeth: Das stimmt. Bei den Fluorkohlenwasserstoffen gibt es einen Vertreter mit einer Verweilzeit von 8000 Jahren in der Atmosphäre. Selbst wenn wir Menschen heute von der Bildfläche verschwänden, würde das System noch nachheizen. Ein Teil des Klimawandels ist fest gebucht - egal, was wir tun.

    Sind die Folgen für Unterfranken überhaupt noch abzumildern?

    Paeth: Natürlich. Ich glaube, dass wir nicht mehr ewig so weitermachen, weil der Klimawandel anfängt, uns weh zu tun. Es zeichnet sich ab, dass wir künftig unsere klassische Landwirtschaft in Unterfranken bewässern müssen, dass sich kein neues Grundwasser mehr bildet und dass wir Wasser- und Trinkwasserprobleme bekommen. Viele Länder werden in den nächsten Jahren massiv umdenken. Irgendwann werden wirtschaftliche Argumente nicht mehr oberste Priorität haben. 

    Was kann jeder Einzelne tun?

    Paeth: Ich denke, dass politische Veränderungen zum Klimaschutz - also wirksame staatliche oder zwischenstaatliche Abkommen - zu lange dauern und dass wir deshalb aus der Gesellschaft heraus und aus einem gesunden Selbsterhaltungstrieb unseren Kindern und Kindeskindern gegenüber viel tun können. Zum Beispiel: weniger Fleisch essen, kleinere Autos fahren, weniger fliegen sowie regionale und saisonale Lebensmittel kaufen.

    Was denken Sie als Wissenschaftler über die Fridays-for-Future-Proteste der Schüler?

    Paeth: Den Schülern wird oft vorgeworfen, dass sie uns kein neues Technik,-Gesellschafts,- und Wirtschaftsmodell liefern. Doch wo sind wir denn, wenn wir Kritik unserer Kinder an unserem Tun nur dann akzeptieren, wenn sie uns genau sagen, wie wir es besser machen können?

    Neue Klimamodelle für Unterfranken BigData@Geo-Projekt: Hitze, Trockenheit, Starkregen, Hagel sind einige der Auswirkungen des Klimawandels. Wie können unterfränkische Land- und Forstwirte ihren Betrieb aufstellen, damit sie in 30 Jahren noch gut wirtschaften? Antworten liefern soll das 2018 gestartete Projekt. 3,8 Millionen Euro stehen für die Kooperation der Universität Würzburg mit 16 kleinen und mittleren unterfränkischen Betrieben zur Verfügung. Die Europäische Union fördert das Projekt mit 1,9 Millionen Euro. Den Rest trägt die Uni. Die Laufzeit beträgt vier Jahre, bis Ende 2021. Das Ziel: Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz sollen Klima- und Umweltdaten im Internet in verständlicher Weise aufbereitet werden und am Ende öffentlich und kostenlos für alle unterfränkischen Betriebe zugänglich sein. Federführend ist ein Team um die Professoren Andreas Hotho (Informatik), Roland Baumhauer und Heiko Paeth (Geografie).

    Staubwüste: Die Trockenheit hat ihre Spuren hinterlassen. Kaum noch Feuchte ist im Boden, Staubwolken bestimmen das Bild bei der Bodenbearbeitung, wie hier im Bild beim Aidhäuser Ortsteil Friesenhausen (Lkr. Haßberge).
    Staubwüste: Die Trockenheit hat ihre Spuren hinterlassen. Kaum noch Feuchte ist im Boden, Staubwolken bestimmen das Bild bei der Bodenbearbeitung, wie hier im Bild beim Aidhäuser Ortsteil Friesenhausen (Lkr. Haßberge). Foto: Alois Wohlfahrt
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