Vor den Bauarbeitern kommen die Archäologen. Auf der künftigen Baustelle für die Sanierung des Polizeigebäudes in der Augustinerstraße erkunden sie im Boden die Vorgeschichte der Stadt. Und sie sind fündig geworden, bis auf die Zeit der Frankenapostel im 7. Jahrhundert gehen die Funde zurück. Ab etwa 1260 hatte auf dem Gelände– bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein – das Augustinerkloster gestanden, das der Straße ihren Namen gab.
Im ehemaligen Hof der Landespolizei herrscht geschäftiges Treiben. Während auf der einen Seite Arbeiter mit wuchtigen Schlägen der Spitzhacke dem Erdboden im von den Mönchen aufgefüllten früheren Klostergarten zu Leibe rücken, rutschen auf der anderen Seite Männer auf den Knien und kratzen mit kleinen Maurerkellen vorsichtig Schicht um Schicht vom Boden.
Selbst im Seitentrakt, von der Polizei früher als Garage und Tiefgarage genutzt, wird gegraben. „Das heißt bei uns das ,Bergwerk' und war in der Regenperiode sehr beliebt“, scherzte Grabungsleiter Frank Feuerhahn beim Ortstermin für die Presse. Feuerhahn arbeitet für die Schwarzacher Firma Heyse, die die europaweite Ausschreibung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege gewonnen hatte und nun systematisch den Untergrund des Areals untersucht.
Große Kunststoffkisten mit durchsichtigen Plastiktüten beherbergen zurzeit, was die Männer und Frauen aus den frühen Epochen der Stadtgeschichte, aus der Staufer- und Merowingerzeit, aus dem Boden holten und nun präsentieren. Teile eines verzierten Kammes, ein Schläfenring aus Buntmetall, Fensterglas und dessen Bleieinfassung, Gürtelschnallen, sogenannte Becherkacheln eines Kachelofens aus der Zeit um 1250 oder Tonscherben von höherwertigem Tafelgeschirr. All dies deutet laut Feuerhahn darauf hin, dass auf dem Gelände reiche Würzburger ihre Häuser hatten, bevor die Augustinerpatres im 13. Jahrhundert die Grundstücke zusammenkauften und dort ihr Kloster bauten. Gut erhaltene Grundmauern im Hof deuten ebenfalls darauf hin.
Eines der interessantesten Stücke ist eine aus Tierknochen geschnitzte Schachfigur. „Ein Läufer oder Springer“, vermutet Feuerhahn. Genau lässt sich dies nicht feststellen, das Schachspiel an sich sei erst zwischen 1100 und 1200 mit den Kreuzfahrern aus dem Nahen Osten nach Europa und so auch nach Würzburg gekommen, aus dieser Zeit könnte auch diese Figur stammen. „Im Islam herrschte ja ein Bildnisverbot, deswegen sind diese Figuren von damals sehr abstrakt ausgeführt“, erläutert der Fachmann.
Die bisher ältesten Funde aus der Augustinerstraße sind Scherben eines Knickwandgefäßes aus der Zeit zwischen 600 und 700 nach Christus. Und unter der Tiefgarage fanden sich Spuren eines so genannten Grubenhauses aus der Zeit um 900. Weitere Funde deuten laut Grabungsleiter Feuerhahn darauf hin, dass dort einst Buntmetall gegossen und geformt wurde.
Aufsehen erregte auch der Fund eines Ofenhauses unter dem früheren Innenhof der Landespolizei. Nicht wegen der Ofenanlage an sich, mit der einst das dazugehörige Haus mittels Warmluft beheizt worden war. Sondern wegen der beiden Türwangen aus Sandstein, sagt Frank Feuerhahn. Eine Inschrift in hebräischer Schrift hat der Würzburger Judaist Professor Karlheinz Müller zu Teilen übersetzt. Sie deutet darauf hin, dass es sich um Teile des Grabsteines eines Richters der frühen Würzburger jüdischen Gemeinde aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts handeln könnte, berichtete Müller. Er hofft, dass die Steinfragmente nach der Grabung ein neues Heim im jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa finden werden. Dort, wo sich ja bereits die zahlreichen Grabsteinfunde aus dem Jahr 1987 aus der Pleich befinden.
Noch aber wird auf dem Gelände der Landespolizei weiter gegraben, weiter geforscht. Aus der Zeit des um 1260 erbauten Augustinerklosters erwarten die Archäologen allerdings nur wenige Funde – weil das Kloster zum Großteil dort stand, wo später das Polizeigebäude gebaut wurde. Das Fundament der Westwand des ehemaligen Konventsgebäudes wurde im Hof aber bereits freigelegt.
Noch einmal richtig spannend wird es laut Dieter Heyse, Chef des gleichnamigen Büros für Ausgrabungen und Dokumentationen aus Schwarzach, im südlichen Teil des Areals. Denn im Grenzbereich zur Wirsbergstraße werden nach historischen Unterlagen Überreste der alten Würzburger Stadtbefestigung aus der Zeit um 1000 nach Christus und gar noch davor vermutet. „Das ist eine der ältesten Stadtmauern in Deutschland“, sagt Heyse. Teile davon waren bereits früher in der Neubaukirche freigelegt worden und sind dort zu sehen.
Zu guter Letzt werden die Grabungen dann auf dem Vorplatz an der Augustinerstraße fortgesetzt und werden bis Ende des Jahres dauern. Dort erwarten die Archäologen unter anderem Funde auf dem früheren Friedhof des Augustinerklosters. Die Sanierung des Polizeigebäudes wird durch die Grabungen nicht verzögert, sagte Joachim Fuchs, Leiter des staatlichen Bauamtes in Würzburg.