Erst an diesem Montag hat ein 83-jähriger Autofahrer in Aura (Lkr. Bad Kissingen) eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, weil er in einer Kurve von der Straße abkam.
Verletzt wurde zum Glück niemand. Ende September hat eine 82-jährige Autofahrerin beim Ausparken in der Würzburger Innenstadt mehrere Fahrzeuge beschädigt und einen Schaden von über 60 000 Euro verursacht.
Verpflichtende Kontrollfahrt gefordert
Senioren verursachen statistisch mehr Unfälle als die Hochrisikogruppe der Fahranfänger, das bestätigt auch Michael Zimmer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) fordert, dass ältere Autofahrer ihre Fahrtüchtigkeit testen lassen müssen. Ab dem 75. Lebensjahr sollen sie eine verpflichtende Kontrollfahrt an der Seite eines geschulten Fahrlehrers absolvieren.
„Die Unfallforschung der Versicherer wird in diesem Jahr Standards für eine solche Testfahrt entwickeln“, sagte der Chef der Unfallforschung des Versicherungsverbands GDV, Siegfried Brockmann. Auf dem wichtigsten Treffen von Verkehrsexperten, dem Verkehrsgerichtstag in Goslar, wird das Thema „Senioren im Straßenverkehr“ am heutigen Donnerstag diskutiert.
Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen lassen im Alter nach
Im Jahr 2015 waren 2841 ältere Menschen an Verkehrsunfällen in Unterfranken beteiligt. Beim begleiteten Fahren mit 17 Jahren passierten laut Statistik der Polizei im gleichen Zeitraum nur 18 Unfälle. Insgesamt steigen die Unfälle mit Beteiligung von Senioren in Unterfranken in den letzten fünf Jahren (17 Prozent). „Dabei spielt die demographische Entwicklung, also der steigende Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung eine große Rolle“, sagt Zimmer. Ein weiterer Grund: Die Leistungsfähigkeit bei Seh-, Hör- und Reaktionsvermögen lasse mit zunehmendem Alter nach.
„Die Alten sollen bei einer begleiteten Fahrt von etwa einer Stunde ihre Fahrtauglichkeit testen“, erklärt Brockmann. Anschließend besprechen sie die Ergebnisse vertraulich mit dem sachkundigen Begleiter, der Hinweise geben kann, etwa nicht mehr im Dunkeln zu fahren oder Innenstädte zu meiden. „Aber niemandem wird der Führerschein entzogen“, betont Brockmann.
Der Verkehrsminister will eine freiwilige Überprüfung
In der großen Koalition in Berlin will sich noch niemand hinter diese Idee stellen. Gerade im Wahljahr 2017 wollen die Parteien ihre älteren Wähler wohl nicht vergraulen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mag zum konkreten Vorschlag der Versicherer überhaupt nichts sagen. Man setze auf eine freiwillige Überprüfung der älteren Verkehrsteilnehmer, erklärt ein Ministeriumssprecher nur ganz allgemein. Pflichttests seien jedenfalls nicht geplant.
Ralf Steinbacher, Inhaber zweier Fahrschulen in Würzburg und Waldbüttelbrunn bietet als Sicherheitstrainer und zertifizierter Kraftfahreignungsberater bereits seit 25 Jahren Fahrtest für Ältere an. Pro Jahr kommen etwa 15 bis 20 Senioren zu einem solchen freiwilligen Test, der zwischen 49 und 69 Euro kostet. „Anlass können Selbstzweifel von älteren Menschen sein oder das Drängen von Angehörigen“, sagt Steinbacher.
Der Kandidat fährt mit seinem Auto und dem Fahrlehrer als Beifahrer etwa 45 Minuten, danach werde die Fahrt ausgewertet. „In den meisten Fällen ist alles okay“, verrät Steinbacher. Doch was passiert, wenn jemand nicht mehr so sicher fährt? „Wir nehmen niemandem den Führerschein weg. Wir geben nur Empfehlungen und appellieren an die Vernunft der älteren Verkehrsteilnehmer.“
In vielen Ländern gibt es bereits Altersbestimmungen
Natürlich sei es wichtig, die Mobilität so lange wie möglich zu erhalten. „Um Unfälle zu vermeiden, sollte die Politik endlich handeln“, denkt Steinbacher, denn die meisten der 28 EU-Staaten haben bereits Altersbestimmungen – allerdings sehr unterschiedliche: In Spanien müssen bereits 45-Jährige zum Gesundheitstest, der danach alle fünf Jahre zur wiederholt wird, ab dem 70. Lebensjahr sogar alle zwei Jahre.
Auch in Italien wird ab 50 Jahren die Fahrerlaubnis nur nach einer medizinischen Untersuchung verlängert. Alle fünf Jahre folgt ein weiterer Test, ab dem 70. Lebensjahr dann alle zwei Jahre. In der Tschechischen Republik müssen Fahrer ab 60 Jahren eine ärztliche Fahreignungsbestätigung mit sich führen. In den Niederlanden, in Norwegen und in Schweden ist die Arztuntersuchung ab 70 Jahren Pflicht. In Slowenien darf man ohne Gesundheits-Check bis zum 80. Lebensjahr hinterm Steuer sitzen, danach wird eine Verlängerung der Fahrerlaubnis nur nach ärztlicher Untersuchung ausgestellt.