Konrad Michel war ein zielstrebiger junger Mann, der beruflich weiterkommen wollte. Deshalb besuchte er die Bäckereischule für Feinbäckerei in München und war mit 22 Jahren der jüngste Bäckermeister in Bayern.
Später arbeitete der Ochsenfurter in Landshut in einer der größten Brotfabriken in Deutschland. Diese Fabrik versorgte bereits während des Zweiten Weltkrieges die Wehrmacht mit Brot, sogar das Afrika-Corps wurde beliefert. In diesem Betrieb war Konrad Michel in den 50er Jahren damit beschäftigt, Brot am Fließband herzustellen. Die Leistung der Großanlage betrug damals 1000 Kilogramm Brot oder 25 000 Brötchen pro Stunde.
1961 besuchte Michel die Fachschule der deutschen Brotindustrie in Solingen und schloss sie als jüngster Industriemeister der Fachrichtung Brot der Bundesrepublik mit sehr gut ab. Das war auch die Zeit, in der die Berliner Mauer gebaut wurde. Der Kalte Krieg erreichte einen Höhepunkt. Die Bundeswehr rüstete sich für den Verteidigungsfall – und legte Nahrungs-Vorräte an.
Als Konrad Michel von der Fachschule in seine Firma zurückkam, lag eine Anforderung des Bundeswehr-Beschaffungsamtes auf dem Tisch. In der Ausschreibung wurde ein Dosenbrot verlangt, das als Notration eingelagert werden sollte. Vorgegeben waren: 400 Gramm Inhalt, geschnitten, acht Millimeter Scheibenstärke, Pergamentpapier als Zwischenlage in den Scheiben, Brottyp Rheinisches Vollkornbrot, mindestens zwei Jahre haltbar, sterilisiert.
Die Haltbarkeit von zwei Jahren stellte für Konrad Michel die größte Herausforderung dar. Es gab weder Literatur noch praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet. Michel begann zu experimentieren. Er beschritt neue Wege des Brotbackens und machte Versuche mit Hochdruckdampf. „Das Brot wurde regelrecht gekocht“, beschreibt er den Herstellungsprozess. Die Vorteile lagen auf der Hand. Es gab so gut wie keine Kruste, dafür aber einen besseren Aufschluss des Roggenkornes und dadurch eine bessere Verdaulichkeit. Dabei war noch die Korngröße des Schrots und der niedrige Säuregrad des Brotes zu beachten. Auch das hatte die Bundeswehr genau vorgeschrieben.
Michel erinnert sich, dass die Sterilisation des Brotes die größten Probleme bereitete. Ungezählte Versuch im Wärmeschrank waren nötig. Wurde zu lange und mit erhöhtem Dampfdruck sterilisiert, änderte sich der Brotgeschmack. Aus Rheinisch Vollkorn wurde Pumpernickel in dunkler Krume. Vor allem musste ausgeschlossen, dass das Brot zu schimmeln begann. Nach vielen Tests hatte Konrad Michel den Bogen raus. Das Beschaffungsamt hieß die eingereichten Proben gut, die Firma erhielt den Auftrag, die Bundeswehr zu beliefern.
„Die Produktion war dann relativ einfach“, sagt Michel. Die Teigstücke wurden in 75 Zentimeter langen, runden Formen in Dampfkammern gebacken. Dann mussten die Stangen 24 Stunden auskühlen, ehe sie in Scheiben geschnitten wurden. Von einem Fließband wurden sie in Dosen gefüllt und sekundenschnell verschlossen.
Die Dosen wurden in Drahtkäfige geschichtet – etwa 400 Stück pro Käfig – und kamen zum Sterilisieren in die Dampfkammern. Nach weiteren 48 Stunden Abkühlung wurden sie in Kartons verpackt und die Aufkleber über Inhalt und Dosenzahl angebracht. „Selbst für die Kartons war eine bestimmte Qualität vorgeschrieben“ erinnert sich Michel. Schließlich mussten sie stabil genug sein, um einen Fallschirmabwurf unbeschadet zu überstehen.
Da das Brot für den Notfall bestimmt war, musste es natürlich absolut in Ordnung sein. „Die Verantwortlichen in der Bundeswehr argumentierten mit der moralischen Wirkung auf die Soldaten, wenn sie im Ernstfall ungenießbares, verschimmeltes Brot erhalten hätten“, erklärt Michel. Deshalb war während der gesamten Herstellung ein Experte des Bundeswehr-Beschaffungsamtes im Betrieb, um alles zu überwachen.
Verladen wurden die Dosen mit dem Brot jede zweite Woche. 20 Tonnen rollten in Bahnwaggons ins Bundeswehrlager in Ulm. Von dort wurden sie weiter verteilt auf Standorte in der gesamten Bundesrepublik. Viele Millionen Dosen sind für die Bundeswehr hergestellt worden, erinnert sich der Bäckermeister.
Nach zwei Jahren mussten die Brotkonserven in den Lagern ausgetauscht werden. Wer damals Kontakte zur Bundeswehr hatte, konnte die Dosen günstig erwerben. Vor allem bei Campern waren das Nato-Brot und die vom Staat für Notzeiten eingelagerten Fleischdosen beliebt.
Weil die Konservierung gut geklappt hatte, überlegte Michel, dass man auch andere Brotsorten so behandeln könnte, und es entstand die Dose mit dem Früchtebrot. Besonders in Südbayern war dieses Brot beliebt. Bevorzugt zwischen September und Dezember fand es seine Abnehmer.
Eine Dose des Früchtebrots hat Konrad Michel noch aufbewahrt. Laut aufgedrucktem Herstelldatum wurde es am 254. Tag des Jahres 1963 konserviert, also am 11. September. Mit über 47 Jahren dürfte es wohl eine der ältesten Brotkonserven Deutschlands sein, die er als Andenken aufgehoben hat.