Wenn Elke Siebenlist in diesen Tagen am Backtisch steht, dann ist es für sie weit mehr als nur Teig verarbeiten: „Faschingszeit ist Krapfenzeit!“, sagt sie. „Ist doch klar!“ Unschwer ist dies an den beschlagenen Scheiben der Bäckerei Hanselmann zu erkennen. Die frisch aus dem Ofen gezogenen, goldbraun gebackenen und weiß gepuderten Kreppel haben den Laden frühmorgens so aufgewärmt, dass sich Kondenswasser an ihnen abgesetzt hat.
Die Bäckermeisterin steht bereits seit sechs Stunden auf den Beinen und walkt, drückt, klopft und rollt den Hefeteig für verschiedene Backwaren – Hefeteigtaschen, Schoko- und Rosinenbrötchen oder Quarkschnecken und die berühmten Honigstangen, die noch ihr Großvater erfunden hat. Die Masse für die Kreppeln ist zunächst die gleiche – erst durch die Eier wird der Hefeteig zum weichen Krapfenteig. Insgesamt 210 Stück schlägt die Backstubenchefin an diesem Morgen in den Hefeteig.
Das Rezept hat die 52-Jährige noch von ihrem Opa, der 1932 die Bäckerei gegründet hat. Ihm hat Elke Siebenlist schon als Kind über die Schultern geschaut und immer dann mit angepackt, wenn es nötig war. Wie vor 80 Jahren der Großvater befolgt sie eine Art Reinheitsgebot für Krapfen. Außer Mehl, Zucker, den Eiern und Konfitüre kommt nichts in den Hefeteig, was nach Ansicht von Siebenlist nicht hinein gehört. Stabilisatoren, Geschmacksverstärker? Nein, nicht in ihrer Bäckerei. Sie spricht von „Geschmackserlebnissen“, die sie noch aus der Kindheit kennt und auf die sie auf gar keinen Fall verzichten möchte: der feine Puderzucker, der weiche, süße Hefeteig und die Hiffemark-Konfitüre im Inneren möchte sie auf gar keinen Fall verfälscht wissen. Vor allem junge Leute und Studenten schätzen dies, hat sie beobachtet. Dabei ist der nächste Verkaufsladen der Konkurrenz, die mit ihren Produktionsstraßen billig produziert, nur wenige Hundert Meter entfernt.
Obwohl das Krapfenbacken auch in der Bäckerei Hanselmann bereits traditionell am 11.11. begonnen hat, erreicht die Arbeit ihren Höhepunkt erst jetzt, kurz vor den närrischen Haupttagen. „Heute geht es richtig los“, erzählt sie am frühen Donnerstagmorgen mit ruhiger Stimme und arbeitet dabei pausenlos weiter. Im Dezember war die Krapfenherstellung eingestellt. Da hatte das Weihnachtsgebäck Vorrang. Erst seit Neujahr gibt es bei Hanselmann wieder welche. Die Fläche der Backstube ist einfach zu klein für eine Dauerproduktion.
Aus insgesamt 30 Kilogramm Teig entstehen an diesem Altweiberdonnerstag 500 Krapfen. Für Samstag, Rosenmontag und Faschingsdienstag hat sie sogar 800 Kreppel vorgesehen. Auch die fünf Lehrlinge wieseln heute ununterbrochen herum. Die Arbeitsschritte gehen Hand in Hand, kaum einmal steht einer der jungen Männer verloren im Raum. Jeder weiß, was zu tun ist.
„Diätkrapfen? Nääh! Das gibt's nicht, und die will ich auch nicht.“
Bäckermeisterin Elke Siebenlist
Für Elke Siebenlist ist die Krapfenzeit eine Zeit, in der das traditionelle Bäckerhandwerk unter Beweis stellen kann, was es zu leisten vermag. Die meisten Kollegen haben im Laufe der letzten Jahrzehnte das Handtuch geschmissen. Die Hanselmanns nicht: Die Tochter hilft im Büro, und der 29-jährige Sohn Artur hat bereits zugestimmt, dass er den Laden übernimmt. Doch nur unter einer Bedingung: Die Bäckerei expandiert nicht, es bleibt bei der Handarbeit. „Man muss den Kunden was bieten, dann klappt es.“
Die größte Hürde für das Gelingen der süßen Versuchung steht dem Krapfen noch bevor: Bei einer Hitze zwischen 160 und 170 Grad wird er in Pflanzenfett gebacken. Beidseitig. Jeweils vier Minuten lang. Während die Großbäckereien chemische Analysen einsetzen, setzt Siebenlist auf ihre Erfahrung. Besonders beim Ausbacken ist Fingerspitzengefühl gefragt. Kommt der Krapfen zu früh raus, ist er nicht richtig durch, bleibt er zu lange im Fett, dann saugt er sich wie ein Schwamm voll mit dem unerwünschten Kalorienträger. Im schlimmsten Fall entsteht ein „Fettbatzen“, den keiner mehr genießen könnte. Macht der Bäcker an dieser Stelle einen Fehler, dann wird der Krapfen seinem Ruf als Dickmacher gerecht. Arbeitet er sorgfältig, dann kann man den Leckerbissen mit einigermaßen gutem Gewissen genießen. Außerdem steht die Fastenzeit schon vor der Tür.
Die Bäckerei ist bekannt für ihre Innovationen. Neben dem klassischen, fränkischen Krapfen mit Hiffenmark hat sie auch Apfel-, Schoko-, Kirschen- und Quarkkrapfen im Angebot. Doch es gibt Grenzen. Diätkrapfen? „Nääh! Das gibt’s nicht, und die will ich auch nicht“, sagt die Chefin resolut und lacht über diesen verrückten Gedanken.