„Ich bin gerne Koch, da kann ich mich so richtig austoben“, erzählt Horst Wirth, und seine Mutter Trudl lacht zustimmend, während sie eine große Schüssel voller saftiger Kamelrücken zerkleinert. Bereits am Donnerstag herrschte, obwohl Ruhetag, den ganzen Tag über Hochbetrieb in der Küche. Alle mussten mithelfen, denn schon am Freitagabend zum Start wartete ein volles Haus auf Kängurusteaks, gebratenen Krokodilschwänze oder frittierte Heuschrecken. Der eigentliche Vorlauf zu diesen kulinarischen Tagen beginnt allerdings schon etwa sechs Monate vorher: Der Koch lässt seine Fantasie spielen und versucht für entsprechende Rezepte, das Erforderliche zu besorgen. Das klappt nicht immer.
So bemühte sich Wirth beispielsweise um australische Flughunde, doch die dürfen nicht roh in die EU eingeführt werden. Aber nur frisch und roh will sie Horst Wirth, da er stets Wert auf der eigenen Zubereitung und frische Ware legt.
Von Norwegen bis Südafrika
Angefangen hat er 1995 mit einem Angebot europäischer Gerichte, etwa aus Ungarn, Frankreich oder Italien. Heute bietet die Speisenkarte unter anderem Kabeljauzunge aus Norwegen, frittiertes Pythonfleisch aus Vietnam, Streifen aus Kamelrücken aus Algerien, Kudusteak aus Westafrika, Medaillons vom Krokodilschwanz aus Südafrika, ein Springbocksteak aus dem Senegal, gegrillte Geflügelspieße aus Japan, Bisonsteak aus den USA, Seezunge aus Frankreich oder Rehsteak mit Geigenkopfgemüse aus Kanada. Als Besonderheit für dieses Jahr ließ sich Wirth aus einer Zucht in Italien Heuschrecken schicken. „Nach drei Jahren hat es endlich geklappt“, freute er sich über das neue Angebot.
Aber auch bei Suppen oder Desserts gibt es Ausgefallenes: so etwa eine scharfe „Rojo Chimichurri“ (Paprikasuppe) aus Argentinien oder Englischer Pudding mit Whisky-Feigen und süße Reistörtchen im Bambusblatt aus China, dazu einen Reiswein oder einen „Mai Kuei Lu Chiew“ (Rosenschnaps), auch aus dem Reich der Mitte.
Die sechs Tage mit Spezialkarte im „Löwen“ sind inzwischen so publik, dass seit Wochen alle Plätze im Saal, in der Gaststätte und im Nebenzimmer ausgebucht sind. „Wir hätten noch einige Dutzend weitere Bestellungen annehmen können, wenn die Plätze reichen würden“, bedauert der Gastwirt.
Treue Gäste sind inzwischen ehemalige Studenten, die sich vor sechs Jahren auf der Burg auf einen Semesterabschluss vorbereiteten und durch Zufall zur kulinarischen Weltreise im „Löwen“ stießen. Wirth: „Die waren so begeistert, dass sie nun jedes Jahr aus ganz Deutschland wiederkommen, übernachten und sich bei mir mit ihren Angehörigen zum Essen treffen.“
Stammtische sind außen vor
Etwa vier von fünf Teilnehmern der Schlemmertage kommen von weiter her. An diesem Dienstag und am Mittwoch aber sind es vor allem Rienecker und Gäste aus benachbarten Orten, die reserviert haben. Bei allem Andrang vergisst Wirth aber seine Stammgäste nicht: Ihre Tische, auch jene, an denen gekartet wird, bleiben frei. „Das gehört sich so in einer Traditionsgaststätte am Ort“, betont Wirth noch, bevor er sich wieder seinen Pfannen zuwendet.
Online-Tipp
Zur Geschichte des „Löwen“ und zur Kulinarischen Weltreise finden Sie weitere Berichte im Internet: www.main-spessart.mainpost.de