Die Pandemie ist vorbei, ihre Folgen noch lange nicht. Im Gegenteil: Es scheint, als habe im Kielwasser von Lockdowns und Hygieneauflagen eine schleichende Verarmung des Kulturlebens eingesetzt. Das Publikum kehrt nicht wie erhofft zurück, hinzu kommen massive Kostensteigerungen für alle Beteiligten. Die Folge: Immer wieder müssen Konzerte und ganze Tourneen abgesagt werden.
Künstler wie Sting oder Mark Forster haben keine Probleme, andere schon. "Alles, was nicht Mainstream oder Event ist, tut sich zur Zeit schwer", sagt etwa Jojo Schulz, Geschäftsführer der Würzburger Posthalle. Allein in den vergangenen drei Monaten mussten dort 20 Konzerte mangels Zuspruch ausfallen. Und in den kleineren Würzburger Spielstätten Bechtolsheimer Hof und Keller Z87, in denen die Posthalle ebenfalls Konzerte veranstaltet, werden derzeit maximal 50 Prozent der Eintrittskarten verkauft, also 40 statt 80 beziehungsweise 60 statt 120.

Uwe Dolata, Betreiber des Kellers Z87 auf dem Würzburger Bürgerbräugelände, bestätigt das: "Vor allem das ältere Publikum traut sich noch nicht so richtig." Bei Tanzpartys hingegen sei der Zuspruch besser. "Bei den jungen Leuten gibt es weniger Kontaktängste", so Dolata. Allgemein aber gelte: "Die Menschen sind träge geworden, das geben sie uns gegenüber ganz offen zu."
Bandkonzerte sind derzeit so gut wie gar nicht mehr zu finanzieren
Bandkonzerte, die schon immer schwer zu finanzieren waren, lohnen sich derzeit nicht mehr, sagt Jojo Schulz. Die Konsequenz: "Wir müssen uns inhaltlich anpassen, mehr auf Events setzen. Auf die Gefahr hin, dass Anspruch und Kultur auf der Strecke bleiben." Im Idealfall könne man mit Kassenschlagern auch weniger zugkräftige, dafür kulturell interessantere Veranstaltungen querfinanzieren. Das sei derzeit aber kaum möglich.

Dem steuert der bayerische Tonkünstlerverband nun mit einem Sonderprogramm entgegen: "Tonkünstler Live Special". Das sehr kurzfristig aufgelegte Programm bezuschusst bayernweit Konzerte zu 90 Prozent, zehn Prozent der Kosten müssen Bands und Solisten selbst tragen. Zuschussfähig sind Honorare, Mieten für Säle und Proberäume, Leihinstrumente, Transport, Technik, Honorare, Reise- und Übernachtungskosten, Personal, Notenmaterial und Gema-Gebühren und Ausgaben für Werbung, Versicherungen, Ton- und Bildaufnahmen.
190 Konzerte wurden durch die Förderung möglich, allein 70 davon in Unterfranken
Bei den Honoraren richtet sich die Förderung nach den jüngst verabschiedeten Leitlinien des Tonkünstlerverbands, das heißt, Künstlerinnen und Künstler können 700 Euro pro Kopf und Abend geltend machen, eine Probe inklusive. Für Musiker wie den Jazzgitarristen Joe Krieg eine wunderbare Nachricht: Krieg verantwortet derzeit im Keller z87 die Reihe "Joe & the crazy Pandemics". Es sind Konzerte mit Band und namhaften Gästen, die sich derzeit zu normalen Bedingungen unmöglich rechnen würden. Dank "Tonkünstler Live Special" kann Krieg nun eine renommierte Sängerin wie Fola Dada einladen (19. Januar). "Eine tolle Sache", sagt der Gitarrist.
Das Programm sei ein riesiger Erfolg, sagt Andrea Fink, Geschäftsführerin des bayerischen Tonkünstlerverbands, der mit 3200 Mitgliedern der größte Deutschlands ist. "Wir hatten in der Pandemie ja viele Hilfsprogramme, aber die haben alle eines nicht erreicht: dass die Leute wieder auf die Bühne kommen." Das wird nun anders: Es gingen 85 Anträge ein, die landesweit in 190 Konzerte ermöglichen. 70 dieser Konzerte, also deutlich mehr als ein Drittel, finden allein in Unterfranken statt.

Da die Bewerberinnen und Bewerber schon bei Antragstellung eine Spielstätte nachweisen mussten, fand ein regelrechter Run auf einige Bühnen Unterfrankens statt. Uwe Dolata zum Beispiel bekam etliche Anfragen für Z87 auf den Tisch. "Wir haben versucht, alle unterzubringen", sagt er.
Gesamtumfang des Programms: 500.000 Euro plus 100.000 Euro für eine "Beratungsoffensive". Die 600.000 sind Teil der drei Millionen Euro, die die Staatsregierung für die freie Kulturszene bereitgestellt hatte. Der Haken: Die Antragsfrist war gerade mal vier Wochen lang, vom 15. Oktober bis 15. November, und die Konzerte müssen bis Ende März gespielt sein. Die Hoffnung: Andrea Fink rechnet fest mit einer Fortsetzung: "Der Ministerpräsident hat für die Jahre 2023 und 2024 jeweils weitere drei Millionen Euro versprochen, deshalb gehen wir davon aus, dass wir weitere zwei Durchgänge von ,Tonkünstler Live Special' anbieten können."
Die Konzerte des Programms sind unter www.dtkvbayern.de/veranstaltungen-tonkuenstler-live.html einsehbar. Das Spektrum reicht von Märchenabend bis Jazz, von Klassik bis Tango. Darunter etwa die Reihe "Joe & the crazy Pandemics" im Keller Z87 oder das Core Trio (feat. Tizian Jost) am 12. Februar in der Kulturscheune Höchberg oder das Scott Hemingway Quintett am 4. Februar im Caleidoskop Schweinfurt. Am 5. Februar gibt es einen Liebeslieder-Abend mit der Sopranistin Nikola Hillebrand und Pianist Alexander Fleischer im Burkardushaus Würzburg. "Gassenhauer durch die Jahrhunderte" sind am 11. Februar in der Kulturscheune Höchberg zu hören, und Elke Kottmair, Sinn Yang und Michaela Schlotter präsentieren am 11. März unter den Titel "Alle(s) aus Bayern!" Fundstücke berühmter und "entdeckungswürdiger Komponist:innen" im Würzburger Spitäle.