Romantiker werden sich hier pudelwohl fühlen: Der Ausblick ist fantastisch. Die Stille großartig. Die Idylle ein Traum. Zwischen den Reben, am Roggenberg hoch über Markelsheim (Main-Tauber-Kreis), lässt es sich leben. Und schlafen. Ziemlich außergewöhnlich noch dazu. Thomas Lehr und seine Ehefrau Conny haben hier zwei Weinfässer stehen. In einem wird sich zur Ruhe gebettet. Im anderen gewohnt. Sogar das Klo ist im Fass. Vor einer Woche kamen die ersten Gäste.
Conny und Thomas Lehr wirken, als wären sie noch frisch verliebt ineinander. Schlendern Händchen haltend durch die Weinberge, lächeln sich an und flirten mit den Augen. Die Familie ist ihr ganzer Stolz. Vier Kinder haben sie, und es ist noch nicht lange her, da sind die beiden Großeltern geworden. Seit 22 Jahren führt das Paar den Jakobshof in Markelsheim. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, der schon vor dem 17. Jahrhundert – so ist es der Familienchronik zu entnehmen – bestanden hat.
Heute steht der Betrieb auf mehreren Standbeinen. Mit Weinbau, einer Brennerei und Ackerbau verdienen die Lehrs ihr Geld. Bis vor kurzem gehörte auch die Viehhaltung dazu. Im Oktober haben sie diese aufgegeben: Der Hof liegt mitten im Ort, so dass der Familienbetrieb nicht den gesetzlichen Auflagen nachkommen und sich erweitern konnte. „Da lag der Gedanke nah, auch am Fremdenverkehr Geld zu verdienen“, sagt Conny Lehr. Die Familie begibt sich damit auf ein neues, ungewohntes Terrain. Dort, wo die beiden Stallgebäude entstehen, werden jetzt Ferienwohnungen gebaut. Der Rohbau steht schon. Nächstes Jahr soll er bezugsfertig sein.
Die Lehrs wollten aber ihren Gästen noch etwas bieten, das nicht 08/15 ist. „Wir wollten ein Alleinstellungsmerkmal haben“, erinnert sich Thomas Lehr an die Gespräche mit seiner Frau. Der Fremdenverkehrsdirektor von Bad Mergentheim hatte dann die zündende Idee. Er wusste, dass es im Schwarzwald Übernachtungsmöglichkeiten im Weinfass gibt.
Also überraschte Thomas Lehr seine Conny mit einer Fahrt in den Schwarzwald. Und mit einem Doppelbett im Weinfass. „Die Nacht war super sensationell“, lacht Conny. Obwohl das Wetter scheußlich war. „Wir saßen stundenlang im Wohnfass und redeten über Dinge, die seit Jahren zu kurz gekommen sind“, erinnert sie sich. Irgendwann in der Nacht sind die beiden dann ins Schlaffass gezogen. „Da muss man sich schon zusammen kuscheln, damit nichts einfriert“, sagt er augenzwinkernd. Und der Morgen danach? „Kitschig romantisch“, sagt sie. „So habe ich die Natur noch nie erlebt. Obwohl ich sehr oft draußen bin“, beschreibt er seine Stimmung. Die beiden waren sich einig, dieses Erlebnis auch ihren Gästen bieten zu wollen. Und zwar mitten in ihrem Weinberg, nicht irgendwo im Hinterhof. Nur mitten im Weinberg ging nicht. Das ist nämlich Landschaftsschutzgebiet. Statt aufzugeben, suchten die Lehrs aber nach einer neuen Lösung. Irgendwann saßen alle beteiligten Ämter mit dem Paar an einem Tisch und tüftelten eine Alternative aus. Am Rande der Weinberge, auf einem Grundstück der Gemeinde, könnten die Fässer stehen. „Der Platz ist ein Sahnestück“, sagt sie und war sich mit ihrem Mann schnell einig, die Fässer hier aufzustellen. Etwa ein Jahr später – vor gerade mal einer Woche – konnten die ersten Gäste im Weinfass übernachten.
Heute sind die Lehrs froh, dass alle an ihre Idee glaubten und sie unterstützten. „Auch die Gemeinde steht dahinter“, freut sich der 49-jährige. Vor allem, weil auch nach und nach immer mehr Anfragen kommen. „Vieles wird wahrscheinlich auch über Gutscheine laufen“, glaubt Conny Lehr. 159 Euro kostet die Übernachtung für zwei Personen. „Das hört sich erst einmal teuer an“, sagt sie. Die Gäste bekämen aber dazu einen Rotkäppchen-Korb, gefüllt mit Secco und Wein aus dem Taubertal. Und morgens, wenn die Gäste noch schlafen, kommen frische Brötchen und hausgemachte Marmelade ins Körbchen. Nur eines fehlt noch: Das Schild „Bitte nicht stören“. Thomas Lehr fällt das sofort auf. „Das lässt sich in einem Fass nicht vermeiden, dass 'mer a weng kuschelt“, weiß er auch aus eigener Erfahrung.