Jubel bei den Bauern statt Protest: Kurz bevor die neue Düngeverordnung am 1. Januar 2021 so manchen Landwirt zu schmerzhaften Einschnitten bei der erlaubten Düngemittelmenge zwingen wird, könnte sich das Blatt in letzter Minute wenden. Denn: Die Gebietskulisse wird unter der Federführung des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums neu überarbeitet. Dabei zeichnet sich ab, dass sich bei der neuen Karte die "roten Gebiete" halbieren könnten. "Mindestens aber deutlich verkleinern werden", wie die unterfränkische Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU) sagt.

Als rot wird ein Gebiet eingestuft, wenn das Grundwasser mit Schadstoffen (meist: Nitrat) belastet ist und den Landwirten deshalb zusätzliche Auflagen bei der Bewirtschaftung gemacht werden. In Bayern gelten bislang 25 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen als rot.
Der gemeinsame Einsatz von Bauernverband, Landwirtschaft verbindet Bayern e. V., Weinbauverband, Regierung von Unterfranken und der Arbeitsgemeinschaft Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der CSU habe sich gelohnt, sagt Weisgerber. Wasserwirtschafts- und Landwirtschaftsverbände könnten zu dem Entwurf nun Stellung nehmen. Im Dezember soll die Karte vom bayerischen Kabinett verabschiedet werden und ab 1. Januar 2021 gültig sein.
So sind die roten und grünen Flächen in Unterfranken bislang aufgeteilt:

Ein Kompromiss zu Lasten des Grundwassers und der Verbraucher? Es gehe nicht darum, die Werte kleinzurechnen, sagt der unterfränkische Bauernpräsident Stefan Köhler. Vielmehr "schaut man jetzt genauer hin und weist nicht ganze Landstriche nur aufgrund von wenigen teils auch noch viele Kilometer weit entfernten Grundwassermessstellen pauschal als rotes Gebiet aus." Es sei der "richtige Systemwechsel", so Köhler.
Noch vor wenigen Monaten waren Tausende Bauern in ganz Deutschland wegen der verschärften Düngeregeln in roten Gebieten auf die Barrikaden gegangen. In lautstarken Traktor-Demos entzündete sich ihr Ärger vor allem an den Grundwasser-Messstellen der Wasserwirtschaftsämter, deren Aussagekraft sie bezweifeln.
Emmissionsdaten der Landwirtschaft werden mit einberechnet
Nun sollen die Gebiete kleinteiliger betrachtet und die Zahl der Messstellen erhöht werden. Außerdem sollen künftig landwirtschaftliche Daten, etwa wie viel Nährstoffe bestimmte Böden vertragen oder wie die Bauern ihre Fläche tatsächlich bewirtschaften, eine Rolle spielen, erklärt Andreas Kirchner vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. "Es geht nicht darum, dass die Landwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommt, sondern dass es wasserwirtschaftlich Sinn macht."
"Es geht nicht darum, dass die Landwirtschaft mit einem blauen Auge davonkommt, sondern dass es wasserwirtschaftlich Sinn macht."
Andreas Kirchner, Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen
Deshalb kämen nicht nur in roten, sondern auch in grünen Gebieten neue Messstellen hinzu. Theoretisch könne es also sein, dass ein Gebiet, dessen Grundwasserqualität bislang als gut eingestuft wurde, sich in der neuen Kulisse rot färbt; "Je besser die Datenlage, desto besser können wir die Qualität des Grundwasserkörpers definieren", sagt der Fachbereichsleiter Wasserversorgung.
In Unterfranken gibt es 45 solche abgegrenzten Grundwasservolumen, von denen 15 als nitratbelastet gelten. Bislang wurde das gesamte Gebiet eines Grundwasserkörpers als rot eingestuft, wenn bei 20 Prozent seiner Messstellen mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter gemessen wurden. Das soll sich jetzt ändern.
In Unterfranken gibt es 74 Wasserrahmenrichtlinien-Messstellen, anhand derer die Wasserqualität beurteilt wird. Allein im Amtsbereich Bad Kissingen sind heuer 17 neue dazugekommen. In ganz Bayern soll die Zahl der Messstellen bis Ende 2023 von 600 auf 1500 ausgeweitet werden, so Staatssekretär Gerhard Eck (CSU). Das sei eine "deutliche Verbesserung für die Landwirte", weil die Nitratkulisse künftig differenzierter ausgewiesen werde.
Landwirte, deren Fläche künftig in einem roten Gebiet liegt, sollen bei neuen Techniken zur besseren Nährstoffeffizienz, beim Bau zusätzlicher Güllebehälter oder bei der Düngeberatung unterstützt werden. Dafür stehen in den kommenden vier Jahren jeweils 250 Millionen Euro Anpassungshilfe vom Bund zur Verfügung.


