(epd) Die Luft in dem meterhohen Raum ist kalt, der Teppichboden scheint feucht. Fahles Licht fällt durch die Fenster am Kopfende des Gebäudes. Vor wenigen Jahren stand dort ein Altar. Die Leighton Chapel auf dem einstigen US-Kasernengelände ist seit dem US-Abzug im Jahr 2008 verwaist. 2018 findet auf einem Teil des Geländes die Landesgartenschau statt. Bis dahin soll es die Leighton Chapel nicht mehr geben. Die evangelische Kirche will den schmucklosen Bau abreißen und stattdessen ein neues, kleineres Gemeindehaus bauen lassen.
Die Chapel ist ein typisch US-amerikanischer Holzbalken-Leichtbau der Nachkriegszeit. Zwischen das Holzständerwerk wurden Steine hinein gemauert und verputzt. An dieser Schnellbauweise nagt der Zahn der Zeit besonders. Das Dach ist zwar dicht, doch innen zieht es - selbst wenn alles geschlossen ist. An vielen Stellen ist das Mauerwerk feucht. „Die schlechte Bausubstanz ist einer von vielen Gründen, weshalb wir an dem Grundstück, aber nicht an der Chapel interessiert sind“, sagt Diakon Günther Barthel, Geschäftsführer des Evangelischen Kirchengemeindeamtes Würzburg.
Trotz der Mängel ist die Leighton Chapel ein besonderer sakraler Raum, den man nicht einfach abreißen kann. Neben Christen verschiedener Konfessionen haben nämlich auch Juden, Muslime und Angehörige vieler anderer Religionen dort gebetet und gefeiert. Inzwischen ist die Chapel ein leerer Raum, die Kirchenbänke wurden von den US-Amerikanern abmontiert, Kreuze und alle anderen religiösen Symbole weggeschafft. Nur die Einbauschränke in der Sakristei oder das Baptisten-Taufbecken im Keller zeugen noch von der Vielzahl der christlichen Strömungen in der Chapel.
Wegen dieser multireligiösen Nutzung soll die Chapel auch nach einem Abriss nicht in Vergessenheit geraten, sagt Barthel. Man wolle neben dem Neubau eines Gemeindehauses auf alle Fälle auch eine Art „Gedenkstätte der Weltreligionen“ errichten, um an den Kirchenbau zu erinnern. Die jetzige Chapel bietet Platz für 300 Gläubige – das ist ein weiterer Grund, sie durch ein kleineres und zweckmäßigeres Gebäude zu ersetzen, erläutert Barthel. Das Gemeindehaus solle etwa ein Drittel so viele Sitzplätze erhalten, einen größeren Bedarf gebe es im geplanten neuen Stadtteil Hubland nicht.
Die Pläne für den neuen Stadtteil bergen für die evangelische Kirche einige Chancen. Denn bislang gehören die Anwohner rund um das Kasernenareal zur Innenstadtgemeinde St. Johannis. Das soll zwar auch künftig so bleiben, sie sollen nun jedoch ein eigenes Gemeindezentrum erhalten. Denn von der Innenstadt trennt die Anwohner des Frauenlands und des künftigen Stadtteils Hubland der vierspurige Stadtring. Ein neues Gemeindezentrum könnte also das kirchliche Leben im und um den neuen Stadtteil neu beleben, hoffen die Initiatoren.
Bislang ist nichts in trockenen Tüchern, denn noch ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Vermittler des Kasernenareals. Die Behörde will offenbar viel Geld für das Konversionsgelände, auf dem einst die US-Truppen stationiert waren. Zu viel Geld, ist aus dem Würzburger Rathaus zu hören.
„Wir erwarten nicht, dass die Chapel denkmalgeschützt wird.“
Günther Barthel, Geschäftsführer Evangelisches Kirchengemeindeamt
Wie viel das Grundstück samt Leighton Chapel kosten soll, darüber schweigt sich die Bundesanstalt aus. Wegen der laufenden Sondierungsgespräche mit der Stadt könne man keine Angaben machen. Hinter vorgehaltener Hand werden für das etwa 1000 Quadratmeter große Gelände Summen im niedrigen sechsstelligen Bereich genannt. Interesse habe man aber nur, betont Barthel, wenn man die Chapel nicht stehen lassen müsse. Das prüft derzeit das Bayerische Landesamt für Denkmalschutz. „Wir erwarten nicht, dass sie denkmalgeschützt wird“, sagt Barthel.
Bekommt die Stadt das Areal der ehemaligen Leighton-Kaserne, geht das Chapel-Gelände auch mit großer Sicherheit an die evangelische Kirche, erläutert Barthel. Der Bebauungsplan für das Gelände werde bereits erstellt, 2012 soll er fertig sein, 2013 könnte dann mit dem Bau des Gemeindezentrums begonnen werden.
Pläne der katholischen Kirche am Hubland
Auf Studenten zielt die katholische Kirche mit ihren Überlegungen für Würzburgs neuen Stadtteil am Hubland ab. Eine eigene Pfarrgemeinde wie die evangelische Kirche werde man dort nicht gründen, sagte Stadtdekan Jürgen Vorndran auf Anfrage. Schließlich sei man mit den vier – zu einer Pfarreiengemeinschaft verschmelzenden – Gemeinden St. Alfons, St. Nikolaus (Gerbrunn), St. Barbara und Unsere Liebe Frau örtlich gut vertreten: „Der Uni-Campus liegt mittendrin.“
Dort will die katholische Kirche die Studentenseelsorge verstärken und einen zweiten Standort für die Katholische Hochschulgemeinde neben der Hofstallstraße aufmachen. Einen Neubau plane man und befinde sich in vorbereitenden Gesprächen, so Vorndran. Versammlungsräume sollen entstehen, aber auch ein Kirchenraum. „Um Gottesdienste zu feiern. Schließlich wollen wir Glauben und Spiritualität leben.“ Der Dekan geht davon aus, dass die Katholische Hochschulgemeinde und die Evangelische Studentengemeinde auf dem wachsenden Uni-Campus eng zusammenarbeiten. Text: aj