Keine Noten, kein Klassenverband, kein Lehrplan. Lehrer und Schüler sind gleichberechtigt. Egal, ob sieben oder siebzehn Jahre alt. Die Schüler entscheiden mit über das Budget, stellen sogar Lernbegleiter ein. Vieles ist frei und wird demokratisch entschieden. Was sich anhört wie eine sozialistische Lebensform, soll ausgerechnet dort möglich sein, wo strenge Regeln gelten. In der Schule nämlich. In einer freien und demokratischen, die im September 2018 in Eßfeld in der Adenauerstraße eröffnet werden soll.
Im Gemeinderat vorgestellt
Die Neugier auf diese Schulform ist groß. Bei Eltern und Lehrern. Im Giebelstadter Ratssaal war kaum noch ein Platz frei, als Silke Sponsel und Sandra Leist vom Verein „Insel der Bildung“ ihre Idee von einer freien und demokratischen Schule dem Gemeinderat vorstellten. Zusammen mit fünf weiteren Gleichgesinnten haben sie den Verein gegründet und sind zuversichtlich, dass die Idee Früchte trägt. Der Verein ist Träger der Schule.
Bekannt wurden freie und demokratische Schulen durch die Popsängerin Nena. Sie gründete in Hamburg 2007 die Neue Schule, eine Privatschule. Das Konzept basiert auf der Annahme, das jedes Kind lernen will. Hirnforscher vertreten die These, dass Kinder am besten lernen, wenn sie selbst entdecken dürfen, was sie wissen möchten. Auf dieser Annahme basiert auch das Konzept der freien demokratischen Schule in Eßfeld. „Wir wollen, dass die jungen Menschen Lernpartner, Lernort und Lerninhalt frei wählen können“, führte Sandra Leist im Giebelstadter Gemeinderat aus. Sie arbeitet als Erzieherin in einem Regelkindergarten.
Jeder Schüler hat eine Stimme
Dabei sei Spielen ein fester Bestandteil der Pädagogik. „Spielen ist Lernen“, so Leist. Und dabei habe jeder die Chance ganz frei dem nachzukommen, was ihn interessiert. Zur Freude aller Schüler dürfte sein, dass es keine Noten gibt. Dafür müssen aber Dokumentationen erstellt werden, um nachzuweisen, dass sich die Schule auch an den bayerischen Lehrplan hält. Prüfungen finden dann in einer staatlichen Kooperationsschule statt. Ebenso der Sport- Chemie- oder Physikunterricht. In der Eßfelder freien Schule werde es dafür keine Räumlichkeiten geben.
Und demokratisch sei die Schule, weil bei den wöchentlichen Schulversammlungen jeder eine Stimme habe. Jeder könne seine individuellen Anliegen vorbringen, beispielsweise was für die Schule beschafft werden soll. Über Charakter und Konzept der Schule, auch über Einstellungen und Entlassungen oder über den Jahreshaushalt würde das Schulleitungsteam entscheiden.
Lernecken und Rückzugsbereiche
Mit Beginn des Schuljahres 2018/19 möchte die Privatschule in Eßfeld starten. Und zwar als Grund- und Mittelschule, von Klasse eins bis 10. „Wir wollen mit 14 bis 20 Kindern im Anwesen der Familie Landwehr in Eßfeld anfangen“, erläuterte Sandra Leist. Dazu kommen zwei angestellte Lehrkräfte, eine Erzieherstelle und ein Praktikumsplatz sind fest eingeplant. Zur Zielgruppe gehörten Kinder, die viel Bewegung bräuchten. Aber auch für Tagträumer sei das Konzept das richtige. Statt Klassenzimmer seien Themenräume, wie eine Bibliothek, eine Kreativwerkstatt oder eine Medienecke vorgesehen. Hinzu kämen altersspezifische Ecken als Rückzugsmöglichkeiten für die Schüler.
„Die Schule soll ein Haus für alle sein“, sagte Sandra Leist – und zwar in der Kernzeit von 8 bis 13 Uhr. Ab 8.45 Uhr bestehe Anwesenheitspflicht. Vor 8 Uhr und nach 13 Uhr sei auch eine Betreuung möglich, wenn es die Bedarfsplanung ergibt.
Wissenschaftliche Begleitung und jährliche Beurteilung
Wissenschaftlich betreut werde die Schule von Professor Gerald Hüther, Neurobiologe und Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung. Und von André Zimpel, Professor an der Universität Hamburg für Schulpädagogik, Sozialpädagogik, Behindertenpädagogik und Psychologie. Er würde auch die Schule jährlich beurteilen und das Personal fortbilden.
In den ersten beiden Jahren würden 65 Prozent der Personalkosten von der Regierung von Unterfranken finanziert. Dann sei ein 100-prozentiger Zuschuss zu den Personalkosten möglich und eine Pro-Kopf-Förderung für jeden Schüler. Zudem werde Schulgeld erhoben. In welcher Höhe stehe aber noch nicht fest. Auch der Hauptteil der Schülerbeförderung werde beim Träger liegen. Eine Eliteschule möchte Sandra Leist aber nicht aus der freien, demokratischen Schule in Eßfeld machen. „Das wollen und dürfen wir gar nicht“, sagte sie.