Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Würzburg
Icon Pfeil nach unten
Ochsenfurt
Icon Pfeil nach unten

RÖTTINGEN: Leser-Gärten: Die Farben der Kräuter

RÖTTINGEN

Leser-Gärten: Die Farben der Kräuter

    • |
    • |
    Das Röttinger Paracelsus-Gärtchen: hier der Ausblick von der Treppe zum Burghof auf den Kräutergarten.
    Das Röttinger Paracelsus-Gärtchen: hier der Ausblick von der Treppe zum Burghof auf den Kräutergarten. Foto: Fotos: Antje Roscoe

    Rainfarn, Färberginster, Königskerze, Nachtkerze und Currykraut, Frauenmantel und Johanniskraut strahlen in sattem Gelb. Boretsch, Lein und Wegwarte geben blaue Tupfen dazu. Lavendel besticht durch die Masse der vielen kleine Blüten. Mannshoch strecken sich Beinwell, Dill und Wermut aus den Beeten empor.

    Der Bärlauch dagegen hat seine Blätter bereits wieder eingezogen. Rund 70 Heil-, Würz- und Wildkräuter sind im Paracelsus-Gärtchen auf sechs Beeten und einer Wildkräuter-Rabatte versammelt. „Ach, es könnten auch doppelt so viele sein“, aber man muss ja eine Auswahl treffen, erklärt Michael Gura, der ein Faible für Wildkräuter entwickelt hat und zu den Initiatoren des Kräutergartens gehört.

    Hier will man zeigen, wie vielfältig das ist, was man nutzen kann. Umfeld und Präsentation sind dabei wesentlich für die Wirkung. Rainfarn in der Rabatte geht sofort als Ziergartenstaude durch. Schöne Vergleiche lassen sich anstellen zwischen altbekannten Gartenkräutern und ihren wilden Brüdern: Der Weinberg-Lauch beispielsweise – ähnlich Gartenschnittlauch und äußerst aromatisch – bildet aber genau wie Gemüse-Lauch, aus dem Blütenstand Brutzwiebeln. Außerdem: Lein (Leingewächs aus dem Leinöl und Leinenstoff produziert werden) und Leinkraut (Braunwurzgewächs, das als Tee bei Darmträgheit und bei Harnwegsentzündungen angewandt wird) sind beileibe nicht das gleiche. Hier stehen sie nebeneinander. Das ausliegende Faltblatt mit ungefährem Lageplan und einer Liste der Kräuter hilft bei der Ortung genauso wie die steinernen Namenstafeln. Doch selbst was in Stein gemeißelt ist, bleibt nicht unbedingt an seinem Platz. „Es ist wie ein Sack voll Flöhe“, sagt Michael Gura und lacht. Die Samen gehen nicht immer da auf, wo sie sollen. Die einen sind völlig übermütig und ein paar Zausel sind dabei, die nicht so recht wissen, ob sie sich hier wohl fühlen sollen.

    Anis ist schwierig, Arnika und der Huflattich, obwohl nebenan eigenhändig an der Umgehungsstraße ausgegraben. Ziepfig auch die wilden Stachelbeeren auf dem Steinriegel, die jedes Jahr Rost bekommen.

    Es gibt im Wesentlichen eben nur die gleichen Standortbedingungen für alle: sonnig und warm. Die meisten mögen das. Waldmeister und Schlüsselblume haben kleine Zugeständnisse. Sie stehen auf Beet Nr. 4, wo die Randbegrünung noch etwas Schatten wirft.

    Viel Glück hat Gura mit seinem Paracelsus-Gartenteam, einem lockeren Zusammenschluss von Ehrenamtlichen, die sich wochenweise wechselnd um den Garten kümmern: Margot Beck, Anja Cerdini, Irmgard Ort, Helga und Hermann Schaub sowie Brigitte und Wolfgang Stephan gehören zu den Unermüdlichen.

    „Das funktioniert hervorragend!“ Kaum ist der Gießdienst Schaub abgezogen, kommt Brigitte Stephan nach dem noch ganz jungen Dill gucken.

    Ein Schaugarten ist das Paracelsus-Gärtchen – und noch viel mehr. Aus einem Bürger-Workshop war er hervorgegangen, damit Röttingen attraktiver wird. Das ist aufgegangen, denn das 500 Quadratmeter-Areal direkt an der Westwand der Burg Brattenstein kannte Gura immer nur als Brennnessel-Wüstenei.

    Jetzt ist es eine Station auf dem Kneipp-Vital-Weg, um Heilkräuter kennen zu lernen und es ist erstaunlich viel hier los. Schulen und Kindergärten kommen zum Lernen, Schauspieler von nebenan, um sich zu konzentrieren, Touristen auf ihrem Rundgang.

    Auch Naschen ist hier erlaubt. Brautpaare nutzen die schöne Kulisse. Der Laubengang darf das Büfett beschatten. Das Garten-Team selbst lädt im Mai zum Umtrunk mit Waldmeister-Bowle – natürlich aus eigener Ernte.

    Die Wege sind so breit, dass sich auch Rollstuhlfahrer hier bewegen können. Ansonsten hat man schlicht versucht, die Kräuter auf den Beeten zusammenzustellen, die gut miteinander auskommen.

    Schlichtheit strahlt die Anlage mit den Trockensteinmauern aus – und lehnt sich an die Gegebenheiten des Taubertals an, was auch den Pflegeaufwand im Rahmen hält. Dafür mussten anfänglich um die zehn Tonnen Steine aus der Natur und von Deponien gesammelt und angekarrt werden.

    2002 war Baubeginn auf dem städtischen Grund – mit Unterstützung des Bauhofs. Mehrmals ausgebremst durch Baumaßnahmen an der Burg, war der Garten erst vier Jahre später fertig.

    2009 kamen die Stein-Skulpturen des Röttinger Künstlers Winfried Baumann hinzu: Findlinge, am Laubengang aufgehängt wie Schinken; Saatgut alter Kulturpflanzen hinter Panzerglas in truhenartige Blöcke aus Muschelkalk eingelassen. Die archaische Anmutung steht im Kontrast zur sommerlichen Hitze, in der die ersten Samenstände der Kräuter ausreifen.

    Wohl dem, der sich mit den Kräutern auskennt, wie der Arzt Theophrast Bombastus von Hohenheim, der als Paracelsus Anfang des 16. Jahrhunderts das Wesen des Menschen und damit Medizin und Ernährung auf neue Grundlagen stellte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden