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WÜRZBURG: "Lupus": Zweifelhafte Art der Selbstjustiz

WÜRZBURG

"Lupus": Zweifelhafte Art der Selbstjustiz

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    Benjamin Vetter
    Benjamin Vetter

    Der Wolf (Canis lupus) ist eine Raubtierart aus der Familie der Hunde. Wölfe leben und jagen im Rudel, so eine Definition im Internet. Eine ganz besondere Art von zweibeinigen Wölfen läuft derzeit in der Nacht Streife in Würzburgs Straßen. Die selbst ernannte Nachbarschaftswache ist mit Notfallkoffern, Digitalfunkgeräten und sogar Handschellen ausgerüstet, trägt Titel wie Chief Executive Officer und mischt sich in Streitigkeiten und ihrer Meinung nach verdächtige Vorfälle ein. Der Name der Truppe: „Einsatzgruppe Lupus.“ Eine Parallelwelt im Würzburger Nachtleben?

    Die „Nachbarschaftswache“ dokumentiert ihre Streifzüge in Uniform frei im Internet im sozialen Netzwerk Facebook. Jeder kann die dort ausgewählten Einsätze verfolgen. Sie selbst bezeichnen sich als Mitglieder von Rettungs- und Wachdiensten und Feuerwehr.

    Einsatz Lupus Ende April im Umfeld der Diskothek Airport: Lupus vermutet, dass ein junger Mann eine Taxe beschädigt hat. Als er wegläuft, greifen ihn Lupus-Leute und nehmen ihn wegen Sachbeschädigung vorläufig fest. Der Arm wird nach hinten gedreht. Der Mann bekommt Handschellen angelegt. Die Legitimation soll Paragraf 127 Absatz 1 Strafprozessordnung sein. Darin ist geregelt, dass auch Nicht-Polizisten Bürger vorläufig festnehmen können, wenn jemand auf frischer Tat ertappt wird. Aber in Uniform und mit Handschellen? „An der Schwelle zu einer strafbaren Handlung“, sagt Polizeisprecher Michael Zimmer. Diese Jedermannsrechte seien für Notfälle gedacht und nicht für die gezielte Suche nach Straftaten.

    Einsatz Lupus Mitte Juli: Die Nachbarschaftswache findet im Ringpark am Röntgenring einen leergeräumten Geldbeutel. Die weitere Suche fördert einen zweiten zu Tage. Ein angeblicher Anruf bei der Polizei zeigt Grundkenntnisse wie KTD (kriminaltechnischer Erkennungsdienst) oder Spurenträger. Und viele weitere Einsätze im Netzwerk Facebook mit detaillierten Schilderungen der Aktionen. Eine Fülle von nächtlichen Aktivitäten schließen sich auf Facebook an. Gibt es Kontakte zur Polizei? „Wir arbeiten weder mit Lupus zusammen, noch dulden wir deren Einsätze“, widerspricht Zimmer vehement. Deren Engagement sei weder erforderlich, noch zielführend, sondern kontraproduktiv.

    Der 24-jährige Würzburger Benjamin Vetter ist der Vorsitzende des Vereins mit seinen 20 Mitgliedern, der noch nicht eingetragen ist. „Wir sind normale Bürger, die einfach nicht wegschauen wollen, wenn etwas passiert.“ Und so ziehen zwei Streifen mit mindestens zwei Leuten Freitag und Samstag durch Würzburg. „Wir sind so eine Art wandelnde Notrufsäule in unseren weißen Hemden mit Wolfslogo und blauen Hosen.“ Nach seinen Angaben mischt sich Lupus in kleinere Delikte ein und versucht zu vermitteln. Der Fall Handschellen vor dem Airport sei in der Gruppe diskutiert worden. „So wollen wir das eigentlich nicht machen.“ Er bezeichnet das Verhältnis zur Würzburger Polizei als angespannt. „Ja, es hat Ermittlungen und Hausdurchsuchungen gegeben.“

    Die Äußerungen des Polizeisprechers sind deutlich: „Wir haben Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten der Gruppe und ermitteln. In ganz Unterfranken besteht nirgendwo irgendein Bedarf dafür, dass private Leute sich auf diese Art und Weise engagieren müssten.“

    Die Polizei kennt einzelne Mitglieder der Truppe als Anrufer bei kleineren Vorfällen seit 2012, doch die Hinweise auf mehrere Leute, gebündelt als Einsatzgruppe Lupus, verdichten sich erst seit einigen Wochen. „Wir beobachten die Vorgänge genau. Und wir haben Hinweise auf Amtsanmaßung, Nötigung, verbotene Uniformierung, und gefährliche Körperverletzung.“ Zimmer bittet Menschen, die vom Einsatz der Truppe betroffen waren oder sein werden die Polizei unter dem Notruf 110 anzurufen.

    Mit dem Kommunalen Ordnungsdienst der Stadt haben die „Wölfe“ nichts zu tun, distanziert sich der städtische Sicherheitsreferent Wolfgang Kleiner. Und die Würzburger Sicherheitswacht - das sind etwa 16 ehrenamtliche von der Polizei ausgebildete Bürger – die auch organisatorisch zu den Würzburger Beamten gehören, nimmt ebenfalls Abstand. Kleiner hat von der Nachbarschaftswache gehört und steht mit der Polizei in Kontakt. Auf die Frage, ob Würzburg nächtliche Hilfssheriffs braucht, kommt die prompte Antwort: „Mit Sicherheit nicht.“

    Auch auf dem Kiliani-Volksfest soll die Truppe in Uniform aufgetaucht sein, Kleiner hat davon gehört. „Wir haben dort einen eigenen Sicherheitsdienst.“ Daher bezeichnet er die Truppe als Trittbrettfahrer. Nach Informationen der Redaktion wurde Lupus des Platzes verwiesen.  

    Einsatzgruppe Lupus

    Auf ihrer Facebook-Seite beschreibt sich die „Einsatzgruppe Lupus“ selbst, hier einige Auszüge:

    Unter anderem heißt es, man sei keine Behörde, sondern unabhängig, und möchte es bleiben. Natürlich arbeite man gelegentlich der Polizei zu, aber Ziel sei nicht, jede Streitigkeit anzuzeigen, vieles lasse sich auch mit netten Worten klären. Allerdings müsse man gelegentlich von dem Festnahmerecht nach Strafprozessordnung Gebrauch machen, heißt es weiter. Dazu werden einige Paragrafen aus der Strafprozessordnung, dem BGB und dem Strafgesetzbuch als Rechtfertigung zitiert. Die Mitstreiter der „Einsatzgruppe“ kämen hauptsächlich aus Rettungsdienst, Feuerwehr und Wachdiensten.

    Man möchte weder die Polizei, noch andere Organisationen ersetzen, sondern im medizinischen Fall die Zeit bis zur Ankunft eines Rettungswagens überbrücken und bei Straftaten den Opfern eine Strafverfolgung ermöglichen. Einige seien auch zivil auf Streife, dabei könne jeder ohne Vorausbildung mitmachen. Etwaige Hoheitsrechte einzelner Amtsträger blieben dabei unberührt. Die Eigenschutzausrüstung bestimme sich generell nach Feststellungsbescheiden der Bundesbehörden. Im Einzelfall auch durch waffenrechtliche Erlaubnis, heißt es weiter. ____________________________________________________________________________

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