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HETTSTADT/GREUßENHEIM: Mädchen retten Kitze vor dem Mähtod

HETTSTADT/GREUßENHEIM

Mädchen retten Kitze vor dem Mähtod

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    Kitz gerettet, Kind glücklich: Hanna Kirchner (9) hat zusammen mit ihrer Schwester Lea (14) im Jagdrevier ihres Vaters in Greußenheim (Lkr. Würzburg) mehrere Tiere vor dem Mähtod bewahrt.
    Kitz gerettet, Kind glücklich: Hanna Kirchner (9) hat zusammen mit ihrer Schwester Lea (14) im Jagdrevier ihres Vaters in Greußenheim (Lkr. Würzburg) mehrere Tiere vor dem Mähtod bewahrt. Foto: Berthold Kirchner

    Der Kopf fast unversehrt, wie schlafend, ansonsten ein blutiges Knäuel aus Knochen, Fleisch und Fell: Die Fotos an die Redaktion zeugen vom grausigen Geschehen auf einer Wiese im „Greußenheimer Loch“ in Hettstadt (Lkr. Würzburg) am ersten Sonntag im Juni. Sie zeigen, was der Kreiselmäher übrig ließ von zwei Rehkitzen, die das Muttertier, die Ricke, dort abgelegt hatte. Der Hettstadter Jäger Thomas Gram hat auf den Auslöser gedrückt. Nicht um anzuklagen, sondern um Bewusstsein zu schaffen für die Rettung von Kitzen, Junghasen und Bodenbrütern.

    Der Mähtod geht wieder um im Land. Jährlich werden bis zu 100.000 Jungtiere „ausgemäht“, wie es im Fachjargon heißt. Längst nicht alle sind sofort tot, viele sind mehr oder weniger schwer verletzt. Dabei prägt ein Grundsatz das Tierschutzgesetz: Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

    Tiere drücken sich an den Boden oder sitzen starr auf den Gelegen

    Früher, als auf den Wiesen noch Sensen im Einsatz waren, waren die Verluste geringer. Bei den heute häufig eingesetzten breiten Mähgeräten, die zudem eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit von teilweise mehr als 15 Stundenkilometern haben, sind nicht nur die ganz jungen Tiere bedroht, die aber in besonderem Maß. Sie flüchten nicht, sondern drücken sich starr an den Boden. So ereilt der Mähtod Kitze, Hasen und vor allem die ohnehin seltenen Fasanen- und Rebhennen. Auch Wiesenbrüter wie Kiebitz, Bekassine und Feldlerche sitzen starr auf ihren Gelegen.

    „Gemeinsam Leben retten“ lautet das Naturschutzthema 2016/2017 von Bayerischem Jagdverband (BJV) und Wildland-Stiftung. Der Aufruf zur Gemeinsamkeit ist ein Appell an die Landwirte, vor der Wiesenmahd den oder die Jäger zu informieren und mit ihnen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

    Im Fall der in Hettstadt getöteten Kitze hatte der Landwirt vor der Mahd einen Oktokopter fliegen lassen und die Wiese von oben mittels Wärmebildkamera absuchen lassen. Thomas Gram hat das beobachtet, kann aber nicht sagen, warum das Fluggerät die Kitze nicht erspähte. Gerhard Klingler, der Vorsitzende der BJV-Kreisgruppe Ochsenfurt und der Experte für Niederwild beim BJV, hat eine Erklärung. Ein Kitz strahlt nur wenig Wärme aus, und wenn die Sonne scheint und das Gras erwärmt hat, übersieht die Kamera das Tier. „Das ist nur etwas für Profis“, sagt Klingler.

    Die beste Methode ist das Absuchen der Wiese

    Es gibt zahlreiche Methoden zur Kitzrettung: akustische und optische Wildscheuchen, das Vergrämen mit übel riechenden Lappen, die in die Wiese gehängt werden, das Verblenden mit sogenannten Flattertüten. Das alles sei aber erst am Vorabend der geplanten Mahd anzuwenden, mahnt Klingler. Denn die eigentlich scheuen Muttertiere gewöhnen sich schnell an Blinklichter und Tüten und legen den Nachwachs ungeachtet dessen im hohen Gras ab.

    „Die beste Methode ist das Absuchen der Wiese vor der Mahd“, sagt Klingler. Das ist aufwändig und erfordert den Einsatz zahlreicher Helfer, die der Landwirt oft nicht hat, wenn plötzlich schönes Wetter ist und er sich schnell zum Mähen entschließt. Hunde können nur begrenzt helfen, sagt Klingler. „Die sind nach einer Stunde Suche erschöpft.“

    Die klassische Suche nach Kitzen und anderen von der Mahd bedrohten Tieren macht Kindern offenbar mehr Spaß als Erwachsenen, das zeigt ein Foto, das Berthold Kirchner in seinem Jagdrevier bei Greußenheim (Lkr. Würzburg) schoss.

    Kinder haben viel Spaß bei der Rettung von Kitzen

    Es zeigt Kirchners Tochter Hanna (9), die ein Kitz gefunden hat und es wegträgt, vorbildlich auf reichlich Mähgut gebettet, damit die Ricke den Geruch des Menschen nicht merkt und ihr Kitz wieder annimmt. Auch Kirchner Tochter Lea (14) war an der „Aktion Umsiedlung“ beteiligt, schreibt der Vater und fasst seine Motivation in Worte: „Habe mal ein Bild angefügt, damit die Bevölkerung auch sieht, dass die Jäger nicht nur zum Schießen ins Revier fahren.“

    Auch die Mahd selber kann entscheidend zur Rettung von Tieren beitragen: Flächen von innen nach außen zu mähen ist genauso wirtschaftlich wie herkömmliche Methoden, bietet aber den Wildtieren die Chance zur Flucht. Auch gut zu wissen: Für naturschutzrelevante Flächen kann die Teilnahme am Vertragsnaturschutzprogramm bei der Unteren Naturschutzbehörde für eine Laufzeit von fünf Jahren beantragt werden. Wird der Schnittzeitpunkt über die kritische erste Lebensphase von Jungtieren hinaus auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, gibt es für den Landwirt Ausgleichszahlungen.

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