Die Heimat, sagt Prof. Gerd Geyer, gilt aus unerfindlichen Gründen als nicht sexy. Geologen und Paläontologen wie er selbst werden zu Forschungszwecken in die entlegensten Gegenden dieses Planeten entsandt. Aber für die Geologie Frankens, bedauert der Professor, interessiere sich leider kaum ein Mensch. Dabei stecken im Untergrund direkt vor der Haustür Wunder über Wunder. Von faszinierenden erdgeschichtlichen Entdeckungen erzählt Gerd Geyer in einem Vortrag, den er am Montag am „Tag des Steins“ im Rahmen der Unterfränkischen Kulturtage in Ochsenfurt halten wird.
Eigentlich arbeitet der Paläontologe in seinem kleinen Büro am Institut für Geografie und Geologie an der Würzburger Universität an der möglichst genauen Aufklärung der Geschehnisse im Kambrium, einem sehr alten Abschnitt der Erdgeschichte. Für diese Epoche ist Geyer Spezialist. Seine Forschungen bezahlt die deutsche Forschungsgemeinschaft. Für seinen Vortrag hat der Professor aber einen anderen Schwerpunkt gewählt. Er wird verraten, wie die Gesteine in Franken die Landschaft und die Orte geprägt haben. Leider wird er längst nicht alles erzählen können, was er weiß. Dabei ist vieles davon hochgradig spannend.
Zum Beispiel die Geschichte von der Entdeckung einer zu Gestein gewordenen Pfütze im Steigerwald, die eines der großen Mysterien der Entwicklungsgeschichte barg. Auf den ersten Blick scheint „Triops cancriformis“ keine Sensation zu sein. Die kleinen Urweltkrebse gibt es in jedem Zoogeschäft zu kaufen. Dass sie aber seit 220 Millionen Jahren in unveränderter Form existieren, ist eine Erkenntnis aus der Entdeckung eben jener Pfütze.
Gemacht hat sie übrigens Ferdinand Trusheim, ein Geologe, der in den 1930er Jahren an der Uni Würzburg tätig war. Warum es der kleine Krebs entgegen der Theorie von der ständigen Weiterentwicklung der Arten nie für nötig befand, sein Erscheinungsbild zu ändern, weiß die Wissenschaft bis heute nicht. „Das Leben würfelt eben doch“, schmunzelt Gerd Geyer.
Ganz nebenbei erzählt er, dass das größte bisher gefundene Amphibium der Erdgeschichte ebenfalls aus Franken stammt, nämlich aus Gambach bei Karlstadt. Dort kamen im 19. Jahrhundert die versteinerten Überreste eines enorm großen Frosches zum Vorschein, der zu Lebzeiten etwa dreieinhalb Meter maß. Und der weltweit älteste bekannte Bernstein sowie die ältesten Flechten stammen übrigens auch aus Franken. Ebenso wie die größten sogenannten Steinsalzkristallmarken, die je gefunden wurden. Solche Kristallmarken entstehen, wenn Salzkristalle aus Sedimenten herausgewachsen werden und sich die Hochräume erneut mit Ablagerungen füllen, die mit der Zeit versteinern.
Die Bedeutung der Steine für die Region kann aber auch erkennen, wer kein Geologe ist. Aus ihnen sind Häuser, Mauern und Kirchen erbaut. Ob im Deutschen Museum in München oder in der Grand Central Station in New York – überall findet man Gesteine des Muschelkalks, Buntsandsteins oder Keupers aus Franken.
Außerdem entscheidet der Untergrund über das Erscheinungsbild einer Landschaft. Die Stufen im Gelände deuten auf Schichten verschiedener Gesteine hin und sind zum Beispiel am Schwanberg bei Iphofen gut erkennbar: Flache Bereiche bestehen aus hartem Sandstein, Hanganstiege aus weichem Ton- und Schluffstein oder Gips. Acker und Weinberge entstanden, wo der Boden gut ist und Wald, wo er nicht viele Nährstoffe hergibt.
Gerd Geyer liebt an seinem Fach das Unvorhersehbare, das in jedem Gesteinsbrocken, jedem Fossil stecken kann. Ein Fund kann Fragen aufwerfen, die niemand beantworten kann. Wirft vielleicht Theorien über den Haufen, die seit Jahrzehnten als gesichert galten.
Und jede Entdeckung gewährt neue Einblicke in die Erdgeschichte. „Fenster in die Vergangenheit“ nennt der 58-Jährige die Fossilien. Durch sie kann er sehen, was in einem bestimmten Gebiet früher einmal war. Womöglich ein Meer, vielleicht eine Wüste, oder auch ein Fluss. Der Main dürfte Gerd Geyer zufolge übrigens so etwas wie ein Säugling der Erdgeschichte sein: „Er ist einer der jüngsten Flüsse weltweit.“
Der Vortrag mit Prof. Gerd Geyer beginnt am „Tag des Steins“ am Montag, 30. Juni, um 19.30 Uhr in der Ochsenfurter Stadtbibliothek.