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Kürnach: "Mama, der Krebs spricht schon wieder mit mir"

Kürnach

"Mama, der Krebs spricht schon wieder mit mir"

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    Urlaub machen - wie hier im Bild - das ist es nicht, was Johannes vermisst. Aber einfach mal ein paar Monate keine Operation haben, danach sehnt sich der Zehnjährige. Die Chance dafür erhoffen sich die Ärzte und seine Eltern von dem Medikament, das die Krankenkasse nicht zahlt.
    Urlaub machen - wie hier im Bild - das ist es nicht, was Johannes vermisst. Aber einfach mal ein paar Monate keine Operation haben, danach sehnt sich der Zehnjährige. Die Chance dafür erhoffen sich die Ärzte und seine Eltern von dem Medikament, das die Krankenkasse nicht zahlt. Foto: Silvia Bauer

    Johannes ist zehn Jahre alt. Der fröhliche Junge liebt seinen Job als Torwart im Fußballteam, fehlt so selten wie möglich beim Training. Er ist ehrgeizig und zielstrebig nicht nur im Sport und schaffte daher im Sommer mühelos den Sprung aufs Gymnasium. Dort besucht er jetzt die fünfte Klasse.

    Aber: Johannes schläft an vielen Tagen nachmittags und fällt abends trotzdem todmüde ins Bett. Er muss sich täglich mit Sonnencreme mit mindestens Schutzfaktor 50 eincremen, Kleidung mit UV-Schutz tragen und die Munddusche mit in die Schule nehmen, um seinen Mundraum nach jedem Krümelchen Essen gründlich reinigen zu können.

    Ein Kinderalltag zwischen Arztbesuchen und Operationen

    Seit seinem achten Geburtstag wurden Johannes bereits 13 Basalzellenkarzinome entfernt. Er muss mehrmals im Jahr zum MRT, hat Narben im Mund, die teilweise lähmend langsam heilten, ihm fehlen Backenzähne und Teile der Gesichtsknochen. Häufige Arztbesuche, die Blutabnahmen und die Abschabungen wegen der Hauttumore machen ihm zu schaffen.

    Wegen dieser Erfahrungen sagt Johannes Sätze wie: "Mama, ich glaube der Krebs spricht schon wieder mit mir", spürt selbst, wenn sich neues Unheil anbahnt. Am Tag nach dem letzten Operationsmarathon im September, den Schmerzen und Medikamenten dagegen hat er solange pausenlos erbrochen, bis der Arzt die Botschaft verstand: "Es reicht. Es ist genug." Jede noch so kleine Berührung war zu viel. Nadeln, Tabletten, alles wurde zur Folter. 

    An diesem Tag hatte der behandelnde Kinderarzt der Würzburger Uniklinik verstanden, dass man so nicht weitermachen, Johannes nicht alle paar Monate operieren könne, weil die Tumore immer wieder zurückkehren. Der Arzt schickte die fassungslose Familie einfach nach Hause, zusammen mit ihrem Kind.

    Spielen nach dem OP-Marathon

    Es half. Das Erbrechen stoppte, Johannes entspannte, verschwand erst einmal für drei Stunden in sein Zimmer, um friedlich zu spielen. "Ich möchte ein normales Leben haben, ohne ständige Operationen". Das hatte der Junge davor selbst den Ärzten gesagt.

    Die Tumore allerdings lassen sich allein durch die Erholung der Psyche nicht bekämpfen. Denn Johannes wächst schnell, überragt die meisten seiner Altersgenossen. Was bei ihm heißt, dass auch die Tumore vom beschleunigten Zellwachstum profitieren, geradezu explodieren.

    Diese - im Kopfbereich und an der Haut - sind Teil des Gorlin-Goltz-Syndroms, einer Erbkrankheit, die bei Johannnes vor zwei Jahren ausbrach. "Als die Diagnose im Raum und schließlich feststand, waren die Ärzte der auf diese Krankheit spezialisierten Uni-Klinik in Essen sehr überrascht: Sie sagten, Johannes sei der ihnen bekannte jüngste Patient mit Symptomen", sagt seine Mutter. Andere seien meist erst im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter betroffen, mit einer Quote von eins zu 60.000.

    Diese Seltenheit wird für Johannes und seine Familie zum weiteren Problem. Genau die Erholung, die das Kind, wie Psyche und Körper deutlich signalisierten, dringend braucht, bekommen ältere Betroffene seit rund zwei Jahren durch ein neues Medikament in der Erprobungsphase. Bei den Probanden habe es bisher zu nahezu hundert Prozent verhindert, dass die Tumore zurückkehren, so die Fachleute.

    Das Medikament ist nicht für Kinder zugelassen

    Aber: Die Krankenkasse lehnt die Therapie für Johannes ab. Das Medikament ist nicht für Kinder zugelassen. Es hilft nicht, dass Johannes Ärzte für einen Versuch plädieren. Die Kasse übernimmt die Kosten für die Tabletten nicht, von denen die Tagesdosis 290 Euro kostet und ein 20er-Blister 5.800 Euro.

    Die Gründungsmitglieder vom Vereine "Hilfe für Kinder e.V." mit der ersten Vorsitzenden Eva Hümpfner (vorne, Dritte von rechts) und ihrer Stellvertreterin Petra Schug (links daneben).
    Die Gründungsmitglieder vom Vereine "Hilfe für Kinder e.V." mit der ersten Vorsitzenden Eva Hümpfner (vorne, Dritte von rechts) und ihrer Stellvertreterin Petra Schug (links daneben). Foto: Traudl Baumeister

    Johannes Mutter gibt nicht auf. Über die sozialen Medien schildert sie sein Schicksal, startet einen Spendenaufruf, um das Medikament selbst zu zahlen. Sie tritt eine Lawine los. Schnell melden sich Freunde und Bekannte, Eltern aus Johannes Kürnacher Fußballteam und Unbeteiligte, die helfen möchten.

    Innerhalb kürzester Zeit stellen die Kürnacher, tatkräftig unterstützt von Bürgermeister Thomas Eberth und beraten von Günther Will vom Verein "Weltweite Kinderhilfe" , die Spendenaktion auf eine rechtlich sichere Basis, entlasten Johannes Mutter und gründen den Verein "Hilfe für Kinder". Jeder, der mithelfen möchte, das Medikament zu finanzieren, kann jetzt Mitglied werden - oder auf das Vereinskonto Geld spenden. Laut Therapieplan werden vorerst Tabletten für drei Monate gebraucht, also rund 25.000 Euro.

    "Das ist das Erstaunliche", sagt Johannes Mutter und lächelt. "Immer, wenn in den letzten Monaten alles ganz schlimm schien, tat sich irgendwo eine neue Tür, eine neue Hoffnung auf.  Bei aller Härte des Schicksals ist das eine sehr schöne Erfahrung."

    Hilfe für Kinder e.V. Gegründet hat sich der Verein mit Sitz in Kürnach am 22. November im Gasthaus Stern. Er wird beim Vereinsregister unter der Nummer VR 201181 eingetragen. Die elf Gründungsmitglieder wählten für die kommenden drei Jahre Eva Hümpfner zur ersten Vorsitzenden. Stellvertretende Vorsitzende wurde Petra Schug, Schatzmeister Julia Hofmann, Schriftführer Thomas Hertel - alle einstimmig. Zweck des Vereines ist laut Satzung "die Förderung und Hilfe im Kampgf gegen Krankheiten und insbesondere der finanziellen Behandlungsunterstützung von kranken Kindern." Den Mitgliedsbeitrag setzte man auf 12 Euro für Unter-18-Jährige, 60 Euro für Erwachsene, 90 Euro für Ehepaare sowie 120 Euro für Familien fest. Am Weihnachtsmarkt in Kürnach wurde der Verein am Spendenstand erstmals offiziell aktiv.   Spendenkonto: DE04 7906 3060 0000 1131 40 bei der Raiffeisenbank Estenfeld-Bergtheim   Sollten Sie einen persönlichen Kontakt mit den jungen Verein aufnehmen wollen, können Sie gerne an hilfe-fuer-kinder@gmx.de schreiben.

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