Ein Drogenverdacht hat bei der Bereitschaftspolizei (Bepo) in Würzburg für reichlich interne Aufregung gesorgt. Die Recherchen dieser Redaktion führen zu einer skurrilen Geschichte: Weil es auf dem Bepo-Gelände im Stadtteil Zellerau nach Marihuana roch, hatte sich eine Polizeischülerin an ihren Vorgesetzten gewandt. Rauchte da etwa jemand unter den angehenden Ordnungshütern einen Joint? Zum Überprüfen kam der Vorgesetzte in den Eingangsbereich des Gebäudes, in dem die Polizeischülerinnen und Polizeischüler untergebracht sind. Er Beamte schnüffelte - und tatsächlich: Auch er konnte den süßlichen Geruch leicht wahrnehmen.
Negativer Drogentest
Rund 550 Polizeischüler werden derzeit in Würzburg ausgebildet. Auf den verdächtigen Duft hin wurde einer von ihnen, der kurz zuvor im betreffenden Gebäude gesehen worden war, befragt. Der Auszubildende habe sich kooperativ gezeigt, berichtet Polizeisprecher Fabian Hench auf Anfrage dieser Redaktion. Die Pupillen des Polizeischülers hätten normal reagiert, als ihm ein Polizist mit einer Taschenlampe in die Augen leuchtete. Freiwillige Drogentests erbrachten ebenfalls das Ergebnis: negativ.
"Er ist vollkommen entlastet", sagt Hench. Betäubungsmittel seien innerhalb der Bereitschaftspolizei auch nicht gefunden worden. Kurze Zeit später dann rückte ein anderer Verdächtiger in den Fokus der Ermittlungen. Sein Name: Phuopsis Stylosa. Unter Nicht-Botaniker auch Langgriffliger Rosenwaldmeister genannt.
Süßlicher Geruch durch Wiesenblumen erklärbar
"Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit den erstmals in diesem Jahr angelegten Blühwiesen", erklärt Hench zur Duft-Frage. Am betreffenden Tag Anfang Juni sei in einigen Bereichen gemäht worden. "Eine Verströmung des süßlichen Geruchs durch Wiesenblumen kann daher nicht ausgeschlossen werden", teilte die Polizei auf Nachfrage schriftlich mit. Nachforschungen der Beamten hätten ergeben, dass der Rosenwaldmeister auf dieser Wiese gewachsen sein könnte. Beweisen lasse sich das nun nicht mehr.

Der Rosenwaldmeister ist ein Staudengewächs, das wie Marihuana riecht. Und er ist in Polizeikreisen kein Unbekannter. Im Sommer 2016 hatte die Pflanze in Thüringen für einen Großeinsatz gesorgt: Die Polizei stürmte einen Gutshof, weil sei dort wegen des Cannabis-Geruchs eine Hanfplantage vermutete. Betäubungsmittel fanden die Beamten nicht - aber den Rosenwaldmeister. Und auch im schweizerischen St. Gallen hatte man man Medienberichten zufolge Spürhunde darauf angesetzt, ein Drogenversteck auszuheben. Und stieß nur auf das Staudengewächse mit den rosafarbenen Blüten.
Cannabis und Rosenwaldmeister: botanisch nicht verwandt
Der Botanische Garten der Universität Würzburg besitzt einen Rosenwaldmeister. Auch Cannabis baut man dort an – zu wissenschaftlichen Zwecken versteht sich. Botaniker Dr. Gerd Vogg kann bestätigen, dass der Geruch der beiden Pflanzen sehr ähnlich ist. Verwandt seien sie aus botanischer Sicht nicht, sagt Vogg. Der Rosenwaldmeister gehört zur Familie der Rötegewächse, Cannabis ist bei den Hanfgewächsen einzuordnen.

Die Staude, die da bei der Bereitschaftspolizei offenbar für die Aufregung gesorgt hatte, enthält kein Tetrahydrocannabinol (THC), hat also keine berauschende Wirkung. Das Mähen der Wiese auf dem Gelände der Polizei könnte den Geruch verstärkt haben, sagt Biologe Gerd Vogg. Rosenwaldmeister enthält Cumarine. Die aromatischen Pflanzenstoffe sind zum Beispiel auch für den würzigen Duft von Heu verantwortlich.
Warum der Fall noch nicht ganz abgeschlossen ist
Vogg, wissenschaftlicher Kustos des Botanischen Gartens der Uni, hat beruflich gelegentlich mit der Polizei zu tun: "Zwei, drei Mal im Jahr kommt die Polizei vorbei, zeigt mir Bilder von vertrockneten Pflanzen und fragt, ob das Cannabis sein könnte." Eine Expertise zu Rosenwaldmeister wurde bislang noch nicht von ihm erbeten.
Doch das könnte noch kommen, denn der Fall ist nicht ganz abgeschlossen: Es stellt sich die Frage, was jetzt aus der aufsehenerregenden Blumenwiese auf dem Bepo-Gelände der Bereitschaftspolizei wird. Der Geruch hat sich inzwischen zwar verzogen und die Aufregung gelegt. "Aber wir werden uns nächstes Jahr genau anschauen, was da wächst", sagt Polizeihauptkommissar Hench. Dann sehe man weiter. Der Rosenwaldmeister wird also observiert.