Karriere hatte Martin-Amorbach im Dritten Reich gemacht: Er hatte seine Bilder bei den großen Kunst-Ausstellungen der Nazis in München gezeigt und wurde 1943 zum Professor gemacht.
Den Finger in die braune Wunde hat jetzt Berthold Kremmler gelegt. In einer öffentlichen Veranstaltung in der Mozart-Schule, bei der unter anderem die künstlerische Ausgestaltung des 50er-Jahre-Denkmals gelobt wurde, erwähnte der langjährige Vorsitzende des Dachverbands freier Kulturträger den Maler Martin-Amorbach: „Dieser war im Dritten Reich ein bekannter Militär- und Nackedei-Maler.“ Martin-Amorbach hatte 1957 das Ritzbild „Abendland“ vor der Aula der Mozart-Schule geschaffen. Es zeigt historische Figuren und prägende Bauten der Kulturgeschichte.
Der 1987 als Oskar Martin in Amorbach im Odenwald geborene Maler hat zunächst religiöse Motive gemalt. Seinen Durchbruch erlebte er mit 25 Quadratmeter großen Fresko für den „Glaspalast“ in München. Im Dritten Reich war er weiter erfolgreich – und linientreu. Denn: „Wenn er dem System nicht nahe gestanden hätte, wäre er nicht 1943 zum Professor gemacht worden,“ sagt der Würzburger Kunsthistoriker Professor Josef Kern.
„Seine bäuerlichen und militärischen Motive entsprachen der Ideologie der Nationalsozialisten“, erklärt Kern den Erfolg des Malers. Zehn seiner Werke wurden bei der „Großdeutschen Kunstausstellung“ in München ausgestellt, wo zwischen 1937 bis 1944 von der Reichskammer der bildenden Künste ausgewählte Beispiele „deutscher Kunst“ gezeigt wurden. Laut zweier Internet-Lexika soll Adolf Hitler 1938 sein Bild „Erntegang“ für 12000 Reichsmark gekauft haben.
„Nach dem Krieg ist das alles unter den Teppich gekehrt worden“, sagt Kremmler gegenüber dieser Zeitung. 1950 holte der Würzburger Bischof Julius Döpfner Martin-Amorbach nach Würzburg, um von ihm das Neumünster renovieren zu lassen. Der Maler fasste Fuß in der Stadt, bekam weitere öffentliche und private Aufträge. In den 60er Jahren wohnte er in der von der Stadt ausgebauten Atelierwohnung im Balthasar-Neumann-Haus in der Franziskanergasse und stellte in der Otto-Richter-Halle und im Spitäle aus. Bürgermeister Erich Felgenhauer überreicht ihm 1981 eine Gedenkmünze. 1987 stirbt Martin-Amorbach als angesehener Maler.
Ein Nachruf erschien auch in dieser Zeitung. Doch weder in diesem noch in einem der zahlreichen anderen Artikel über den Maler wird die Vergangenheit Martin-Amorbachs thematisiert. Die Main-Post tituliert ihn 1987 als „Monument der Malkunst“.
Im Stadtbild Würzburgs sind die Arbeiten Martin-Amorbachs heute allgegenwärtig: zum Beispiel an der Fassade der Fischerzunft im Mainviertel und am Haus der Main-Post in der Plattnerstraße oder an der Decke im Nebenzimmer des Weinhauses „Stachel“. Sieben Gemälde, 56 Zeichnungen und Aquarelle des Künstlers besitzt der Kulturspeicher. Im Schaufenster der Kunsthandlung Franz Xaver Müller werden zur Zeit zwei seiner Bilder zum Verkauf angeboten.
Dass 1994 sein Ölgemälde „Sämann“ in London in einer Ausstellung über deutsche Kunst als Beispiel für NS-Malerei gezeigt wurde, hat man in Würzburg nicht registriert. Auch in den Unterlagen im Stadtarchiv und im Kulturspeicher gibt es laut Rathaus-Pressestelle beziehungsweise Kulturreferat keine Hinweise auf diese Seite des Malers.
Anders im Internet: Wer Oskar Martin-Amorbach eintippt, stößt direkt auf seine braune Vergangenheit. Stadtheimatpfleger Hans Steidle hat in seinem Buch über die Mozartschule 2009 auf diese hingewiesen. Laut dem langjährigen Lehrer am Mozart-Gymnasium sind auch die Schüler, die im Gebäude unterrichtet wurden, über den politischen Hintergrund des Malers aufgeklärt worden.
Ebenso offen sei die Schule mit einer anderen plakativen politische Unkorrektheit umgegangen: Im Haupttreppenhaus hängt eine Wandkarte des Würzburger Grafikers Willy Fuchs, die Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigt. Weder bei Fuchs noch bei den übrigen acht Künstlern, die die Schule ausgeschmückt haben, finden sich Hinweise auf eine Nähe zu den Nationalsozialisten.
Der kritische Geist Kremmler sieht im denkmalgeschützten Gebäude der Mozart-Schule aufgrund ihrer künstlerischen Ausstattung trotzdem ein Beispiel des „nachkriegstypischen Miteinander von Rück- und Fortschritt. Architektonisch war man modern und ideologisch dem Dritten Reich verbunden.“
Zur Person:
Oskar Martin-Amorbach
Der Maler Oskar Martin wurde am 27. März 1897 geboren. Als Künstler ergänzte er seinen Namen durch seinen Geburtsort Amorbach.
Ab 1914 besuchte er die Kunstgewerbeschule in München. Im Ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet. Danach wurde er Kirchenmaler. Einen Durchbruch erlebte er unter den Nazis:
Seine bäuerlichen und militärischen Motive wurden in der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ gezeigt. 1943 wurde er Professor an der Berliner Kunstakademie.
Nach 1945 lebte er im Chiemgau und in Würzburg, wo er das Neumünster renovierte und die Mozartschule ausschmückte. Er starb am 11. Oktober 1987 in Roßholzen.