Sie spielen im „Theater unterm Turm“, sind aber auch oft on the road: In Frankreich, Belgien, der Schweiz, in Österreich, Italien und Irland zeigte die Theaterwerkstatt Eisingen bereits ihr Können. Das Ensemble, das allein aus Schauspielern mit geistiger Behinderung besteht, wurde 1981 durch Viktor Reinhold und Karlheinz Halbig-Kolb im St. Josefs-Stift gegründet. In den drei Jahrzehnten avancierte das Ensemble mit seinem „Maskenspiel mit Musik“ zum Publikumsmagneten.
„Es ist einzigartig, was hier geschieht“, schwärmt Alexander Jansen. Der ehemalige Dramaturg am Mainfranken Theater gehört seit September der künstlerischen Leitung an, zusammen mit Karlheinz Halbig-Kolb und Ann-Kathrin Beyersdorfer. Aktuell arbeitet das Team am neuen Stück „Thron der Träume“, das am 5. Juli um 20 Uhr uraufgeführt wird.
Unverbildete Kunst
Für Jansen bietet das Eisinger Maskentheater einen unvergleichlichen optischen Genuss. „Es erinnert ein bisschen an 'Art Brut’“, sagt der Theatermacher, der in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit soziokulturellen Projekten gesammelt hat. Unter anderem arbeitete Jansen mit Flüchtlingen aus der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft zusammen.
Unter „Art Brut“ versteht man eine unwillkürliche, authentische, unverbildete Kunst. So, wie sie etwa von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen, aber auch von Kindern gemacht wird. Jansen, den die Unmittelbarkeit der Art Brut fasziniert, arbeitet mit den Eisinger Akteuren parallel zum „Thron der Träume“ an einem ersten eigenen Stück, das voraussichtlich im Sommer übernächsten Jahres zu sehen sein wird.
Traumwandlerische Leichtigkeit
Mit 16 Produktionen ertanzte sich das Ensemble inzwischen die Publikumsgunst zu Hause und in der Ferne. Wie viel Arbeit in den Stücken steckt, die in oft nicht mehr als einer Stunde mit traumwandlerischer Leichtigkeit über die Bühne gehen, ist kaum zu erahnen. Die aktuelle Produktion begann zum Beispiel vor knapp zwei Jahren mit einer Improvisation über Traumrollen.
Bei diesem Trip ins Reich der Fantasie ging es um so spannende Fragen wie: Wer würde ich gerne sein? Was würde ich gerne aus mir machen? Wen würde ich gern einmal darstellen? Für Enrico Illhardt war das keine Frage: „Ich wollte schon lange mal einen Musketier spielen.“ Karl Göttle, der zu jener Zeit verliebt war, fand ebenfalls rasch eine Rolle: „Ich möchte ein Rosenkavalier sein.“
Zu sanften Tönen, die Armin Höfig eigens für den „Thron der Träume“ komponierte, tritt soeben Mehmet Yilmaz hinter dem Vorhang hervor. Es ist Donnerstag, neun Schauspieler finden sich wie immer an diesem Nachmittag zu den Proben ein. Mehmet Yilmaz fährt dann stets von seiner Außenwohngruppe in Kist hoch ins Eisinger Stift.
Soeben vollführt er mit einer kleinen Handtrommel einen Tanz zu Klängen, die heute vom Band kommen, bei der Uraufführung jedoch live eingespielt werden. Die Szene „Verrückter König“ steht auf dem Probenplan. Mehmet tanzt – tatsächlich ganz so, wie ein verrückter König tanzen würde. Das Gesicht seiner Maske ist blau. Ausgerechnet. Warum das? „Die Farbe leuchtet so schön“, sagt der Darsteller und Maskenbauer. Außerdem, meint er, bildet das Blau einen tollen Kontrast zum Rot des Mundes und zum Gold der Krone.
Manche Masken sind sehr schick, andere schauen bedrohlich aus. Wie sie die Masken gestalten, steht den Schauspielern frei. „Ich korrigiere nur, wenn etwas technisch nicht funktioniert“, sagt Theaterpädagoge Karlheinz Halbig-Kolb. Die erhabenen Teile zum Beispiel müssen hell sein. Was sich in Vertiefungen befindet, muss dunkel werden. Die einfache Grundregel hat jeder Maskenbauer zu beachten, damit die Masken im Bühnenlicht lebendig wirken.
Keine Worte, nur Musik
In einem Stadttheater schwingt der Maskenbildner die Puderquaste, legt Make-up auf und zupft Perücken zurecht. Das alles ist in der Theaterwerkstatt Eisingen nicht nötig. Hier gibt es keine Gesichter auf der Bühne – sondern ausschließlich Masken. Auch keine Worte. Sondern nur Musik.
Vier Tage dauerte es, die Masken für „Thron der Träume“ zu kreieren. Jeder Darsteller zeichnete einen Entwurf. Dann erhielt er einen zehn Kilo schweren Klotz aus Ton, mit dem er die Maske modellierte. Darauf wurde mit speziellem Papier die eigentliche Maske abgeformt. Hochspannend der Augenblick, wenn sie vom Ton abgezogen wird. Halbig-Kolb sagt: „Wir nennen das die Maskengeburt.“
Premiere: Erste Vorstellung des neuen Stücks „Thron der Träume“ ist am 5. Juli um 20 Uhr im „Theater unterm Turm“ des St. Josefs-Stifts Eisingen. Kontakt: theater@josefs-stift.de Tel. (09306) 209 180. Weitere Termine unter www.theaterwerkstatt-eisingen.de