Um die 40 Stunden arbeitete Madeleine Folger an ihrem Gesellenstück – einem eleganten Blazer mit Hose im Stil der 20er Jahre. „Den würde ich überall tragen, wo es etwas förmlicher zugeht“, sagt die 22-jährige Maßschneiderin, die in der Handwerkskammer für Unterfranken freigesprochen wurde. Insgesamt sieben Schneiderinnen aus Unterfranken sowie eine Schneiderin aus Oberfranken nahmen ihren Gesellinnenbrief entgegen. Madeleine Folger schloss als beste Unterfränkin ab.
„Die Mundpropaganda zufriedener Kundinnen ist die beste Werbung.“
Nicole Brandler Obermeisterin
Gleich drei Auszeichnungen heimste die junge Frau, die bei Loni Karbacher in Schweinfurt ausgebildet wurde, ein. Folger ist nicht nur beste Absolventin. Sie siegte gleichzeitig im „Praktischen Leistungswettbewerb“ und wurde während der Freisprechungsfeier mit dem ersten Preis des Wettbewerbs „Die gute Form im Handwerk“ geehrt.
Ihre Kreation kann sich sehen lassen. Alle Kanten der Jacke nähte Folger mit Zierstichen mit der Hand ab. Auch die Knopflöcher sind handgemacht. Aparte Blickfänge bilden weiter das steigende klassische Revers des Blazers, die „Frankfurter Taschen“ sowie die lässige Hose.
„Maßschneiderin zu werden, ist genau das, was ich machen wollte“, sagt die junge Frau. Dass der Arbeitsmarkt schwierig ist und „man nicht die Welt verdient“, schreckt sie nicht ab. Immerhin hat sie es geschafft, eine wichtige Etappe zurückzulegen: Sie fand einen Ausbildungsplatz und bestand die Gesellinnenprüfung.
Das Maßschneiderhandwerk hat nicht das Problem vieler anderer Gewerke, die verzweifelt Azubis suchen. „Bewerber hätten wir genug“, bestätigt Lehrmeisterin Loni Karbacher. Doch gibt es nahezu keine Betriebe mehr, die einen Ausbildungsplatz anbieten. Dabei schaut es in Unterfranken im Vergleich zu Oberfranken noch gut aus: Sechs Betriebe bildeten diesmal aus. Ein Betrieb nahm gleich zwei Azubis. In Oberfranken sind es so wenige, dass dort gar nicht mehr geprüft wird. Weshalb Christina Feustel aus Knetzgau (Haßberge), die ihr Handwerk in der Bamberger Kostümmaßschneiderei Christiana van Roit erlernte, in Würzburg geprüft wurde.
Die „Ex und Hopp“-Einstellung, die gerade in Sachen Textilien wirksam wird, macht den Maßschneidern zu schaffen. Billige Textilien aus Fernost verdrängen das maßgefertigte Kostüm oder den auf den Leib geschneiderten Anzug. Für die jungen Schneiderinnen heißt dies laut Nicole Brandler, Obermeisterin der Innung des Bekleidungshandwerks Unterfranken, dass sie durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit auf sich und ihre Kompetenzen aufmerksam machen müssen: „Wobei die Mundpropaganda zufriedener Kundinnen die beste Werbung ist.“
Wie gut sie sind, stellten die Frauen bei der Gesellinnenprüfung unter Beweis. Die Prüfung ist Brandler zufolge anspruchsvoll: „Es gibt Richtlinien, was alles in den freien Entwurf eingebaut werden soll.“ Etwa ein Ausschnitt, Verschlüsse oder Schlitze: „Das muss dann handwerklich super gearbeitet werden.“ Nehmen die Absolventinnen auch noch am Wettbewerb „Die gute Form im Handwerk“ teil, werden außerdem die künstlerische Note der Kleidungsstücke, Design und Ästhetik bewertet.
Mit dem ersten Preis des auf Kammerebene ausgetragenen Wettbewerbs qualifizierte sich Madeleine Folger mit ihrem Prüfungsmodell für den Bundeswettbewerb. Außerdem wird sie beim „Praktischen Leistungswettbewerb“ auf Landesebene antreten, um sich eventuell auch hier für den Bundeswettbewerb zu qualifizieren.
Neue Maßschneiderinnen
Freigesprochen wurden: Stefanie Kind aus Theilheim bei Würzburg (Schneiderei Beate Oliver, Würzburg), Christine Sprinz aus Estenfeld bei Würzburg und Sarah Mittermeier aus Bechhofen im Kreis Südwestpfalz (beide Modeatelier „Schneidersitz“ von Anne Salwiczek in Würzburg), Johanna Schlereth aus Eibelstadt bei Würzburg (Maßschneiderwerkstatt Karin Fischer in Kist bei Würzburg), Christina Feustel aus Knetzgau (Lkr. Haßberge), Madeleine Folger aus Schonungen (Lkr. Schweinfurt), Isabell Henneberger aus Wonfurt (Modeatelier & Mehr“, Berit Busch in Burgpreppach in den Haßbergen) sowie Susann Vestewig aus Leidersbach bei Miltenberg (Schneiderei Bruno Zimmermann in Eschau im Kreis Miltenberg).