„Ich könnerd des ned, aaf Gnobfdrugg lustich sei!“ Genau diesen Spruch höre ich immer und immer wieder. Unverständnis für den rheinischen Karneval, den Fastelovend, wie man ihn in Köln nennt, den hier in Würzburg die meisten aber doch nur aus dem Fernsehen kennen oder aus Erzählungen. Dem entgegen steht der Spruch „Karneval ist Abfeiern auf höchstem Niveau, Fasching lediglich der Versuch, das gleiche zu machen.“
Super, all das bringt mich doch kein Stück weiter. Seit Jahren versuche ich, schon seit Kindesbeinen mit dem Fasteleer verwachsen, mich dem Mysterium Fränkischer Fasching zu nähern. Seit sechs Jahren lebe ich in Mainfranken. Nun bin ich es vom Rheinland her gewohnt, dass dich der Karneval anspringt.
Egal wohin man geht, der Fasteleer ist allgegenwärtig sogar auf dem Weg dorthin. Am 11. 11. ist die Stadt voll von kostümierten Jecken, die es auf den Heumarkt zieht, um dort frierend und mit dem einen oder anderen Kölsch in der Hand dem Zeitpunkt 11.11 Uhr entgegen zu fiebern, schunkelnd, singend, tanzend.
Ab 2. Januar beginnen dann allerorts die Sitzungen, und wenn man dort kostümiert hinzieht, sieht man sich mit Aussagen wie „Super Kostüm!“ oder „Do bess ewwer e Leckersche (Du bist aber ein Hübscher)!“ konfrontiert.
Als ich kürzlich zu einem Auftritt in einem Narrenkeller quer durch die Zellerau unterwegs war, zivil gekleidet aber mit Narrenkappe geschmückt, wurde mir auf kürzestem Weg ein „Iich würd mich an ihrer Schdell schäm“, ein „Vollspast“ sowie zwei „Depp“ entgegengeworfen, weiterhin erntete ich Blicke zwischen Mitleid und Angst.
Zum Lachen in den Keller
Ja armes Franken! In der Tat geht der Franke zum Lachen in den Keller, egal ob Narren- oder Künstlerkeller. Dies ist ja löblich, aber es findet halt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Somit fehlt dann auch die Akzeptanz derselbigen. Unweigerlich kommt mir die Zwei-Mann-Combo, bestehend aus einem blinden Gitarristen und einem tauben Keyboardspieler in den Sinn: Der Blinde fragt den Tauben: „Tanzen die Leute schon?“, worauf der Taube antwortet: „Keine Ahnung, spielen wir denn schon?“ Brüller – zumindest im Rheinland.
Ja, ja, wir sind oberflächlich und flach, aber hey, was soll's? Zumindest lachen wir einfach über diesen Witz und hinterfragen nicht: Warum versteht der Taube den Blinden? Lippenlesen?
Vielleicht ist das auch schon des Pudels Kern: Das ganze Rheinland identifiziert sich mit dem Karneval, die fränkischen Narren gehen ihrer Passion eher heimlich nach, treffen sich in Kellern und Sälen, versprühen den Charme eines Geheimbundes, flüchten in die Anonymität der Sitzungen und Bunten Abende. In Köln flüchten die Karnevalsgegner in den Skiurlaub – und treffen mitunter dort auf Skifahrende Jecken.
Woran liegt dieses unterschiedliche Verhältnis zum eigentlich doch so gleichen Drang um Spaß zu haben? Eindeutig: Es ist das Feindbild! Während zum Beispiel Köln in Düsseldorf einen 1a-Feind gefunden hat (im Übrigen seit 1288 mit der Schlacht bei Worringen) fehlt dieser dem Unterfranken gänzlich.
Während der Würzburger mal über Kitzingen schmunzelt oder über Karlburg lacht, streut der Kölner den mitten in der Stadt gelegenen, zugefrorenen Aachener Weiher mit Mist deckend zu, weil er das Grundstück einem Düsseldorfer verkaufen will. Brüller. Tätää, Tusch.
Je mehr ich im fränkischen Fasching unterwegs bin, desto klarer wird mir: Es muss ein Feindbild her, am besten aus der Nachbarschaft. Man könnte doch einfach Schweinfurt zum Aggressor erklären, eventuell wegen der auf Würzburg gerichteten Atommeiler oder einem sonst noch zu findenden Grund.
Wie wäre es mit einer eingetragenen Feindschaft mit Bad Kissingen? Als Studentenstadt der Jugend verpflichtet, ist die Ansammlung ganzer Krampfadergeschwader auf so engem Raum in regionaler Nähe doch geradezu eine Steilvorlage, die nicht abzuweisen wäre.
Dazu kommen dann noch ein paar lieblos umgedichtete Lieder, am besten irische Volksweisen (funktioniert in Köln bestens), mit dem Inhalt „Würzburg, Du nur Du“ und die Investition in Reiterchors sowie die Einführung mehrerer Straßensitzungen wäre gesichert.
Auch folgende Forderung macht Sinn: Auf den Sitzungen in Köln herrscht oft Wein-Zwang, in einer Stadt, die sich über Kölsch (als Sprache) und Kölsch (als Getränk) definiert. Somit sollte ab der nächsten Session auf allen unterfränkischen Sitzungen Bier-Zwang herrschen.
Ja, ja, ich höre es schon wieder: „Der hod doch an Badscher, der Kölner Schlauch!“. Dazu sage ich: Jawohl! Und ich bin noch stolz drauf.
Der Franke kann über sich selbst lachen, damit ist doch der Grundstein für eine Reformierung des Fasching gelegt. Auf die Bemerkung seiner Gattin, ihr Hintern wäre so kalt, ist die liebevoll gemeinte Antwort des Angetrauten „Kee Wunner, soweit wie dei Orsch vum Körber absteht“ doch der beste Beweis, dass der Unterfranke, entgegen seinem Ruf, über genügend Humor verfügt.
Humor auf „Gnobfdrugg“
Aber vielleicht liegt genau hier das Problem mit dem „Gnobfdrugg“: Mal wieder öfter aus sich rausgehen, eben nicht auf Knopfdruck lustig sein, sondern (eben wie der Rheinländer) das ganze Jahr über zu Späßen aufgelegt sein. Und dann kommt mein Erklärungsversuch zu der „Gnobfdrugg-Dhese“: Wir sind das ganze Jahr über jeck und treffen uns halt einmal im Jahr auf der Straße und feiern unsere Ausgelassenheit und uns selbst, ganz ohne auf einen Knopf zu drücken, sondern einfach weil wir so sind.
Grenzen sprengen, ein Leben am Limit führen: Da lässt man einfach mal die Fünfe ungerade sein, lässt sich krankschreiben ohne krank zu sein und hört wilde Musik von PUR, spielt „Vier gewinnt“ im Vier-Gewinnt-Verein und schneidet das Brötchen tollkühn schräg auf. Oder man hängt einfach mal sogar Wäsche ungebügelt in den Schrank oder blinkt links und fährt einfach tollkühn geradeaus.
Aber vielleicht lassen wird den fränkischen Fasching, so wie er ist, denn ganz ehrlich: ich mag ihn. Die bunten Abende in der Provinz, die Prunksitzungen in der Stadt oder einfach nur ein Faschingsball irgendwo. Wichtig ist doch nur, dass man mit netten Leuten unterwegs ist und Spaß hat, egal was die anderen sagen. Auch deshalb pendle ich in diesem Jahr wieder hin und her, zwischen Rheinland und Mainland, ständig hochkonzentriert in Köln nicht „Helau“ zu rufen, den dies machen nur die Feinde aus Düsseldorf!
Wichtig ist am Ende nur eines: Egal ob Fronleichnamsprozession oder Rosenmontag, Hauptsache „der Zug kommt!“.
In diese Sinne: Helaaf und Alau!
Max Gehrig
Max Gehrig ist Kabarettist aus Köln, lebt seit sechs Jahren in Mainfranken und ist seit Mai 2010 der künstlerische Leiter des Bronnbach Künstlerkellers in Würzburg. Gehrig ist noch aus der 68er Bewegung! Am 24.12. sagte der kleine Max der großen Welt den humoristischen Kampf an. Oder wie sonst ist die Aussage der Eltern zu interpretieren: „Für den Jungen brauchte man schon immer viel Humor!“
Nach schulischen Höchstleistungen (Flugblattaktion vom Flachdach der Schule aus) und einigen Bitten der IHK („Bitte melden Sie sich nicht zur Prüfung an, Sie fallen sowieso durch und versauen uns den Schnitt!“) absolvierte er die Lehre mit einer glatten Zwei.
Hier begann nun im Ernst der Spaß des Lebens: Staubsaugervertrieb, Kaufhof-Substitut, bo-frost-Fahrer, Autovermietungsassistent, Controller, Soldat, Zollbeauftragter und Export Control Administrator. Das alles hatte aber dann doch nichts mit Spaß zu tun.
Somit mussten neue Beschäftigungsfelder her: Mit seinem Charme hatte er sich schnell über die Couchen der Besetzungsagentinnen hochgeschlafen (voller Körpereinsatz!). Schon bald stand ihm die Tür von Radio und TV offen, obgleich mitunter auch von innen nach außen. Aber: Ohne Risiko, kein Fiasko!
Rückschläge gab' es mehr privater Natur. Und nicht zu knapp: als Weggefährte von unheilbar Kranken, psychisch Gestörten und immer in engem Kontakt zum Tod war schnell klar: Das Leben ist zu kurz, um nicht jeden Tag zu lachen. Und so kam das, was kommen musste: Der „dicke Onkel“ begab sich auf den Weg, der Welt jeden Tag ein Lächeln zu schenken. Seit dem gilt er wohl als einer der weltgrößten Schenker.